Für schönheitschirurgische Aufträge steht ein erfolgreicher und international bekannter Würzburger Mediziner, seit Januar 2017 in Untersuchungshaft, auch noch für längere Zeit nicht zur Verfügung: Eine Große Strafkammer des Landgerichts Würzburg verurteilte ihn nach vier Verhandlungstagen wegen 14 Fällen des Betrugs in Höhe von 3,8 Millionen Euro und Insolvenzverschleppung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten.
Der 55-Jährige habe, so der Vorsitzende Richter Reinhold Emmert, grenzenloses Vertrauen in seinen guten Ruf als Mediziner dreist missbraucht. Das Gericht hat darauf verzichtet, zu ermitteln, wie der Mediziner mit Patienten in China und am thailändischen Königshof finanziell so tief abstürzen konnte.
Dass der Chirurg ein „Party-Löwe“ gewesen sein soll, will ein guter Freund aus Liechtenstein, der eine Stiftung verwaltet und Millionen an den Würzburger verlor, nicht bemerkt haben: „Kein großes Auto“, sagte er bei seiner Vernehmung, „keine eigene Yacht, nicht einmal teure Anzüge“. Der Zeuge hatte sich geweigert, vor Gericht in Würzburg auszusagen. Daher kam es zu einer Video-Vernehmung aus dem Sitzungssaal in Würzburg an den Zeugen bei der Justiz in Vaduz.
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Wie kann man auf solche Geschichten hereinfallen?
Wie kann ein Mann, der ein großes Stiftungsvermögen verwaltet, auf einen Mediziner hereinfallen, der schnell mal eine Million braucht, um angeblich als Investor bei einer Goldmine in Afghanistan einzusteigen, wollte das Gericht wissen. Der Zeuge wies darauf hin, dass die zugesicherte Verzinsung seines Darlehens mit acht Prozent natürlich sehr interessant gewesen sei. Und außerdem sei der Mediziner ja auch sein Freund gewesen. Kennengelernt habe man sich beim Oktoberfest in München, bei einer Promi-Party und über die Musik sei man sich näher gekommen – Klassik allerdings, nicht Blasmusik.
Der Mann aus Liechtenstein verwaltet eine Stiftung für talentierte Nachwuchs-Musiker und der Mediziner engagierte sich daraufhin für Benefizkonzerte in der Würzburger Residenz. Bei dem Mann aus Liechtenstein, der mit seiner Anzeige den Fall ins Rollen gebracht hatte, waren alle „Alarmanlagen“ ausgefallen. Er gewährte ein hohes Darlehen ohne zu wissen, dass der Mediziner mit dem Geld die Zinsen für ein früheres Darlehen bei dem Liechtensteiner zurückzahlte.
Als Sicherheit musste ein angebliches Testament herhalten
Ruhiggestellt wurde er unter anderem mit gefälschten Belegen über Millionenbeträge „auf der Bank“. Der clevere Mediziner gab ihm als Sicherheit auch „sein Testament“ mit einer Vollmacht, damit der Stiftungsverwalter für den Fall, dass dem Doktor etwas passieren sollte, sich sein Darlehen zurückholen könne.
„Kein großes Auto. Keine eigene Yacht, nicht einmal teure Anzüge.“
Ein Zeuge aus Liechtenstein beschreibt den Mediziner vor Gericht
Die Verteidiger Bernhard Löwenberg und Norman Jacob jun. hatten auf ein Mitverschulden der Geschädigten hingewiesen, die es dem Angeklagten sehr leicht machten, an ihr Geld zu kommen. Stimmt nur zum Teil, sagte das Gericht. Aber niemand aus dem Bekanntenkreis des Schönheitschirurgen habe damit rechnen können und müssen, dass dieser seine Freunde so dreist über den Tisch zieht. Für sie war er der Mediziner mit dem doppelten Doktor-Titel, der auch im Ausland als Spezialist für Mund-, Kiefer- und plastische Chirurgie gefragt war. Deswegen habe man die Begründung für seine Darlehenswünsche nicht kritisch hinterfragt. Ging es vor Gericht nur um die Spitze eines Eisbergs? Zu Beginn der Video-Vernehmung waren auf der Leinwand Im Sitzungssaal 17 des Strafjustizzentrums verschneite Berge zu sehen. Ein Zuhörer meinte, „die Spitze eines Eisbergs“ wäre ein besseres Motiv gewesen: eine Anspielung darauf, was auch in den Plädoyers zur Sprache kam. Vermutlich hat der angeklagte Mediziner viel mehr Darlehen erhalten als in der Anklageschrift aufgelistet waren. Aber die Geschädigten verzichteten auf eine Anzeige. Und selbst von denen, die als Zeugen bei Gericht erscheinen mussten, versicherten einige, dass sie an einer Bestrafung des Angeklagten überhaupt nicht interessiert sind. Der vierte Verhandlungstag wurde für alle Prozessbeteiligten zu einer echten Belastungsprobe. „Gnadenlos“ hat die Fünfte Kammer verhandelt – von früh um neun Uhr bis nachmittags gegen 16 Uhr, nur durch kurze Beratungspausen unterbrochen. Der angeklagte Mediziner hat übrigens in einer Pause darauf hingewiesen, dass er, obwohl Schönheitschirurg, mit Po- und Busen-Operationen nichts zu tun hatte. Seine Patienten seien zum Beispiel Tumorpatienten nach Operationen im Gesichtsbereich gewesen.