In den frühen Morgenstunden trägt Birgit Hartbauer seit 35 Jahren die Zeitung aus. "Und wenn ich morgens so unterwegs bin, sehe ich allzu oft arme Menschen mit ihren kleinen Beutelchen, die sich in der bitterkalten Nacht nicht hinlegen können, weil sie sonst erfrieren würden", berichtet sie. Anfang des Jahres 2024 wurden rund 439.500 Menschen vom Statistischen Bundesamt als wohnungslos erfasst. Die meisten leben in öffentlichen, kommunalen oder privaten Einrichtungen und Sammelunterkünften. Die Diakonie Deutschland schreibt auf ihrer Homepage, dass etwa 84.000 Menschen bei Freunden oder Bekannten unterkommen würden – diese in der Statistik aber nicht erfasst würden. Zudem sei die Dunkelziffer wohnungsloser und obdachloser Menschen noch deutlich höher.
Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit ist ein Tabuthema. Kinder werden schnell weitergezogen. Nur nicht zu genau hinschauen. Doch hinter dem Stigma "Obdachlos" stecken Geschichten, Erfahrungen, Leid und Gefühle – eine einfache Tatsache, die auch der langjährigen Freundin von Birgit Hartbauer, Doris Sauermann, sehr nahegeht. Gemeinsam entschlossen sie sich, eine Spendenaktion ins Leben zu rufen. Ihr Ziel: die Menschen dafür zu sensibilisieren, "wie schnell es gehen kann, abzurutschen", und "den Ärmsten der Armen zu helfen".
Privater Spendenaufruf kam gut an
Hartbauer und Sauermann nutzten ihre privaten Social-Media-Kanäle, um für die Spendenaktion zu werben. "Es ist aus dem Nichts entstanden und wirklich groß geworden", sagen sie. Schlafsäcke, warme Decken und Unterlagen, Konserven, warme Handschuhe, Socken und vieles mehr kamen zusammen. Zwei Autos voller Spenden brachten sie am 14. Dezember zur Bahnhofsmission, von wo aus die Verteilung an obdachlose Menschen organisiert wurde.

Vor 125 Jahren wurde die Bahnhofsmission in Würzburg gegründet; unterstützt, hilft, begleitet, bespricht was auch immer gebraucht wird. Unter dem Motto: "Egal wer, egal was, egal wann – wir helfen!" wird ihre allumfassende Unterstützung und ihre Offenheit gegenüber allen Menschen zum Ausdruck gebracht. Nicht alles, was gespendet wurde, war neu. Einiges waren aussortierte und gewaschene Dinge. "Was die einen zu viel haben, haben die anderen zu wenig", sagt Birgit Hartbauer. Ihren Friseursalon nutzten sie als Sammelstelle für die Sachspenden. "Bevor man Dinge wegschmeißt, sollte man lieber nachfragen und schauen, was man Gutes tun kann", ermutigt Hartbauer und kritisiert zugleich die verschwenderische Wegwerfgesellschaft.
Oft aus einfachsten Gründen den Boden unter den Füßen verloren
"Die Obdachlosen sind die Ärmsten der Armen. Wenn man nicht einmal ein Dach über dem Kopf hat. Viele haben aus den einfachsten Gründen den Boden unter den Füßen verloren", erklärt sie. Diese Einschätzung bestätigt auch die Diakonie Deutschland in ihrer Veröffentlichung "Wissen kompakt: Wohnungs- und Obdachlosigkeit". Dort heißt es, dass Mietschulden in Kombination mit einer wirtschaftlichen Notlage häufig die Ursache für Wohnungslosigkeit seien. Auch Schicksalsschläge wie Trennung, Tod, Sucht oder Krankheit würden oft ausschlaggebend sein.
Darüber hinaus seien obdachlose Menschen vermehrt Opfer von Gewalt, Übergriffen oder Diebstahl. Kein Rückzugsort bedeutet auch, dass ihnen die menschlichen Bedürfnisse nach Intimität und Privatsphäre vorenthalten bleiben. Umso wichtiger ist es, Gutes zu tun, darüber zu sprechen und andere dazu zu inspirieren, ebenfalls das Menschliche und das Leid hinter dem Stempel "obdachlos" wahrzunehmen.