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WÜRZBURG: Hilfspakete aus Minnesota

WÜRZBURG

Hilfspakete aus Minnesota

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    In einer schweren Limousine kommt im Sommer 1948 Dorothy Beebe im Flüchtlingslager am Galgenberg an.
    In einer schweren Limousine kommt im Sommer 1948 Dorothy Beebe im Flüchtlingslager am Galgenberg an. Foto: Walter Röder

    Es war eine amerikanische Frau, die sich den Bewohnern des Flüchtlingslagers am Galgenberg mit Sympathie und handfester Hilfe zuwandte: Dorothy Beebe. Ihr Mann Lewis C. Beebe war 1947 als kommandierender General nach Würzburg gekommen.

    Seine Frau war wahrscheinlich für viele Würzburger und Neu-Würzburger die erste Vertreterin der Besatzungsmacht, die Gefühle von Sympathie und Dankbarkeit weckte.

    Dorothy Beebe leitete das Wohlfahrtskomitee („Welfare Committee“) der Hilfsvereinigung der amerikanischen Offiziersfrauen in Würzburg und in dieser Eigenschaft gelang es ihr, ein beachtliches Unterstützungsprogramm zu starten.

    Schon im Sommer 1948 brachte sie Hilfspakete mit Kleidern, Schuhen, Medizin, Lebensmitteln und Süßigkeiten ins Flüchtlingslager. Sie sorgte dafür, dass die Vereinigung Kinder aus dem Lager unterstützte, „um ihnen wieder zu zeigen, was Hoffnung ist“, wie der „Würzburg Post-Argus“, das Nachrichtenblatt für die in Würzburg stationierten Amerikaner und ihre Familienangehörigen, am 9. Oktober 1948 schrieb.

    Dorothy Beebe hatte sich an eine Freundin in Faribault im US-Bundesstaat Minnesota gewandt, wo sie von 1932 bis 1947 mit ihrem Mann gewohnt hatte. Auch die anderen Frauen des Komitees schrieben Briefe in ihre jeweiligen Heimatstädte.

    So erreichten 1948 mehr als 300 Spendenpakete aus 32 amerikanischen Städten Würzburg. Dorothy Beebes Freundin in Faribault hatte nach dem Eintreffen des Briefes nicht nur neun Frauen für ein lokales Hilfskomitee gewonnen, sondern auch einen Verein gefunden, der das Porto für alle Lieferungen nach Würzburg zahlte.

    Vereine, Schulen und Kirchen sammelten Spenden, Privatleute strickten Handschuhe, Pfadfinderinnen und Kinder der Sonntagsschule bastelten Puppen oder spendeten Spielzeug, dazu Tafeln, Papier und Buntstifte – eben alles, was Buben und Mädchen im fast völlig zerstörten Würzburg dringend benötigten.

    Am 2. November 1948 druckten die Faribault Daily News einen Dankesbrief von Dorothy Beebe an die Bürger ab: „Bedenkt, dass die Kinder von heute die Deutschen von morgen sind“, hieß es darin. „Um ein friedliebendes, weltoffenes Deutschland zu bekommen, sollten wir dafür sorgen, dass diese Kinder mit einigen Grundlagen der demokratischen Prinzipien überleben.“

    Um jungen Würzburgern ein schönes Weihnachtsfest bereiten zu können, organisierte Dorothy Beebe mit ihrem Freiwilligen-Hilfswerk außerdem am 3. November 1948 in den Leighton Barracks direkt neben dem Vertriebenenlager eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Über 3800 Dollar kamen zusammen, damals eine hohe Summe.

    Das Hilfswerk forderte Bedürftige auf, Listen mit benötigten Gegenständen zusammenzustellen und lieferte auch praktische Hinweise mit: „Falls Sie die Schuhgröße Ihrer Kinder nicht kennen, setzen Sie ihren Fuß auf ein Stück Papier und zeichnen Sie den Umriss des Fußes ab.“

    In der dritten Dezemberwoche des Jahres 1948 beschenkten Dorothy Beebe und andere amerikanische Offiziersfrauen Kinder, die in den Flüchtlingslagern am Galgenberg, in Heidingsfeld und in der Frankfurter Straße lebten oder deren Eltern bei der Militärregierung tätig waren.

    Die Pakete wurden mit weihnachtlich geschmückten Armeelastwagen in die Lager gefahren und von einem Weihnachtsmann verteilt. Über 6000 Buben und Mädchen erhielten ein Geschenk: warme Kleidung, ein Paar Schuhe oder ein Spielzeug.

    Anschließend gab Dorothy Beebe der Main-Post ein Interview. „Wir haben keinen Hass gegen das deutsche Volk“, sagte sie, „wir sehen die Not hier und wir möchten gerne helfen. Weihnachten ist das Fest, an dem man zurückdenkt an das eigene Elternhaus und an die Heimat. Deshalb verstehen wir, dass dieses Fest vor allem für die Flüchtlinge und Vertriebenen bitter sein muss.“

    In großen Artikeln berichteten amerikanische Zeitungen über Würzburg und vermittelten ihren Lesern ein Bild der zerstörten Stadt. „Nur so war es uns möglich, dass wir im vergangenen Monat über 6000 Pakete mit Kleidungsstücken an Flüchtlinge und sonstige Hilfsbedürftige verteilen konnten“, berichtete Dorothy Beebe.

    Wie groß das Interesse der amerikanischen Spender am Geschick der Flüchtlinge war, bewiesen die zahlreichen Briefe, die in den Kleidungsstücken stecken und in denen die Empfänger gebeten wurden, über ihr Leben zu berichten.

    Main-Post-Fotograf Walter Röder war dabei, als Dorothy Beebe am Galgenberg Spendenpakete überbrachte. Später fotografierte er Buben in einer Baracke des Lagers, die Rotkreuz-Pakete in Empfang nahmen. Einer saß am Tisch und schrieb im Namen aller eine Dankeskarte.

    Nicht nur die Amerikaner leisteten nämlich den Lagerbewohnern vielfältige Hilfe. Auch die Stadt Würzburg, die Main-Post und örtliche Geschäfte engagierten sich, ebenso wie der Bezirk Unterfranken, der die im Lager Beschäftigten bezahlte.

    Für kranke und schwache Kinder und Erwachsene gab es „Erholungsverschickungen“, die das Rote Kreuz und die Caritas organisierten. Von März bis Dezember 1949 wurden beispielsweise 207 Menschen, darunter 29 Erwachsene, drei bis vier Wochen nach Bad Bocklet (Erwachsene) bzw. nach Krautheim und Königsberg i.B. (Kinder) geschickt.

    Im Herbst 1949 setzte der Bezirk Unterfranken zudem eine Fürsorgerin ein, die sich ausschließlich der Sozialarbeit für die Lagerbewohner widmete.

    Die Hilfsaktion der Generalsgattin Dorothy Beebe hat Auswirkungen bis heute. Sie erreichte, dass Faribault, eine Stadt mit 25 000 Einwohnern, Würzburg im Rahmen einer Patenschaft sozusagen „adoptierte“. Am 28. April 1949 tauschten Vertreter beider Städte bei einem Festakt in der Residenz die Urkunden aus. In der Folge erreichten zahlreiche weitere Hilfslieferungen aus Minnesota das zerstörte Würzburg.

    Außer Kunstschutzoffizier John D. Skilton, der unmittelbar nach Kriegsende zusammen mit Würzburger Helfern Kunstschätze wie die Tiepolo-Fresken der Residenz rettete, waren Lewis C. Beebe und sein Frau in den ersten Nachkriegsjahren sicher die beliebtesten und bekanntesten Amerikaner in der Stadt.

    Dies führte dazu, dass General Beebe am 8. Mai 1950 mit einem offiziellen Empfang im Rathaus verabschiedet wurde. Oberbürgermeister Franz Stadelmayer sagte bei dieser Gelegenheit, Beebe habe sich „durch ein hohes Maß von Takt und Verständnis“ ausgezeichnet und dadurch „viele unnötige Reibungen“ vermieden – ein versteckter Hinweis auf manche seiner Vorgänger, die offensichtlich weniger rücksichtsvoll vorgegangen waren. Beebe starb bereits am 17. Februar 1951 in seiner Heimatstadt Faribault.

    Der deutsch-amerikanische Frauenclub, der aus der Vereinigung amerikanischer Offiziersfrauen hervorging, existierte bis zum endgültigen Abzug der Amerikaner aus Würzburg. Jährlich unterstützte er deutsche Studenten mit Stipendien für ein Auslandssemester an einer US-Universität.

    Seit 1988 besteht eine Schulpartnerschaft zwischen dem Schönborn-Gymnasium und der Faribault High School, die in Form von gegenseitigen Besuchen weiterexistierte, als Schönborn- und Mozart-Gymnasium fusionierten und später zum privaten evangelischen Dag-Hammarskjöld-Gymnasium wurden. Auch das Gymnasium in Veitshöchheim und die Jakob-Stoll-Realschule pflegen Kontakte mit der Patenstadt.

    Am 28. April 1999 feierten Faribaults Bürgermeister Chuck Ackman und sein Amtskollege Jürgen Weber das 50-jährige Bestehen der Patenschaft in Würzburg. Besonders bewegt habe ihn, so erzählte Ackman, die Begegnung mit einer Würzburgerin. Mit Tränen in den Augen und seine Hand umklammernd hatte sie sich mit einem Blumenstrauß für die Hilfe aus Faribault bedankt, die ihr als Kind das Leben erleichterte.

    2004, als Würzburg an die erste urkundliche Erwähnung vor 1300 Jahren erinnerte, nahm Faribaults Oberbürgermeisterin an den Festlichkeiten teil. Ein Jahr später kam Dorothy und Lewis Beebes Sohn John nach Würzburg. Im Gepäck hatte er einen silbernen Ratsbecher, den seine Mutter 1949 als Dank für ihre karitative Tätigkeit erhalten hatte und den er der Stadt zurückgeben wollte. Er befindet sich jetzt im Mainfränkischen Museum.

    Nächste Folge: Die Bewohner des Flüchtlingslagers ziehen im August 1951 in die Zellerau um. Wir entnahmen Text und Fotos dem Buch „Würzburgs neuer Stadtteil Hubland“ von Roland Flade.

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