Denn Lusin beschreibt nicht nur alte Handwerksberufe, die in Unterfranken längst ausgestorben oder nur noch ganz vereinzelt zu finden sind, er demonstriert auch, wie tief sie in unserer heutigen Sprache verwurzelt sind. Wenn etwas auf keine Kuhhaut geht oder wir uns über Flickschusterei ärgern, dann gehen solche Floskeln auf Handwerker und ihre Arbeit zurück.
Moses im Binsenkörbchen
Knapp 30 alte und traditionelle Berufe stellt Lusin auf 144 Seiten vor, wobei er weit in die Geschichte zurückgeht, gelegentlich bis in die Antike. Dass Moses in einem Binsenkörbchen vor über 3000 Jahren ans Nilufer getrieben wurde, zeigt beispielsweise, dass schon die Ägypter die Korbflechterei beherrschten. In Europa sollen die ersten Handwerksbetriebe im ausgehenden Mittelalter entstanden sein, schreibt Lusin, um sich im 19. Jahrhundert zu einer kurzen Blüte zu entfalten.
Das Buch lebt auch von so skurrilen Informationen wie der, dass die Orgel vom Sohn eins ägyptischen Friseurs erfunden wurde oder dass Alexander der Große ein bekannter Hobby-Drechsler war. Zu fast 30 Berufen weiß der Autor Geschichten zu erzählen, und er benennt Werkzeuge wie die Hippe zum Abschneiden der Weidenruten oder das Biegeholz, mit dem sie in eine runde Form gebracht wurden. Allein schon diese Begriffe zu lesen vermittelt etwas vom Reichtum verschwundener Handwerkstradition.
Illustriert sind die lebendig geschriebene Kapitel mit 190 Farbfotos von Erich Kuch und Winfried Berberich. Sie haben manchen alten Meister dazu gebracht, noch einmal die verstaubten Werkzeuge hervorzuholen, um ihre Fingerfertigkeit zu zeigen und Arbeitsschritte, die längst Maschinen übernommen haben, der Nachwelt zu überliefern. Nur in Freilichtmuseen sieht man gelegentlich noch alte Männer "live" die vergessenen Künste ausüben.
Jörg Lusin, Altes Handwerk in Ver- gangenheit und Gegenwart, mit Fotos von Erich Kuch und Winfried Berberich, Kunstschätzeverlag Gerchsheim, 144 S., 190 Abbildun- gen, 27,80 Euro.