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WÜRZBURG: Interreligiöse Shuttletour: Vier Religionen in fünf Stunden

WÜRZBURG

Interreligiöse Shuttletour: Vier Religionen in fünf Stunden

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    Der Interreligiöse Shuttlebus vor seiner ersten Station an der Russisch-Orthodoxen Gemeinde in der Zellerau.
    Der Interreligiöse Shuttlebus vor seiner ersten Station an der Russisch-Orthodoxen Gemeinde in der Zellerau. Foto: Foto: Annika Hagge

    „Raus hier du Türkenschlampe“ rufen zwei breitgebaute junge Herrn und ziehen ein junges Mädchen mit Kopftuch aus dem vollen Shuttlebus. Und was passiert? Nichts, niemand greift ein. Zugegeben kommt dieser Übergriff für die jungen Schülerinnen und Schüler so früh morgens überraschend, als sie zur interreligiösen Shuttletour aufbrechen. Und was sie noch nicht wissen: Das kleine Schauspiel ist nicht frei erfunden.

    Denn genau dieses Szenario spielte sich genauso vor zehn Jahren hier in Würzburg ab und war der Auslöser für die Gründung des Bündnisses für Zivilcourage. Die Erkenntnis für den Mitbegründer Christian Herpich: „Vorurteile und religiöses Unwissen hängen unweigerlich zusammen.“ Die Idee sei also, durch niederschwellige Begegnungen Kontakt zu ermöglichen und so offenen Fragen einen Raum zu geben.

    Die Chance, vier verschiedene Religionen hautnah zu erleben, bekommen am Dienstag 78 Teilnehmer, unter ihnen Schüler, Konfirmanden und Studenten. Nach dem schauspielerischen Zwischenfall am Bussteig ist dann auch der letzte wach und der Omnibus bricht auf zur ersten Station auf dem Fahrplan: die russisch-orthodoxe Gemeinde in der Zellerau.

    Gottesdienste nur im Stehen

    Der Priester Vladimir Bayanov empfängt die Gruppe in dem kleinem Kirchraum, geschmückt mit vielen prunkvollen Bildern. In seinem Vortrag legt er besonderen Wert darauf, dass die orthodoxe Kirche die älteste christliche Kirche sei und an der Kontinuität der Traditionen festhalte. Zwei bis drei Stunden dauere ein Gottesdienst bei ihnen und das alles im Stehen. Dies sei die beste Übung, wach und aufmerksam zu sein. Im Nebenraum steht Sofia Khorobrykh dem zweiten Teil der Gruppe Rede und Antwort. Auf die Frage, wie die orthodoxe Kirche zum Thema Homosexualität stehe, verweist sie auf die Bibel. Dort stehe geschrieben, dass dies eine Sünde sei – eine Sünde wie andere auch, wie Lügen oder Klauen etwa.

    Weiter geht es nach Lengfeld zum Tempel der Sikhs. Anders als der Name vermuten lässt, befindet sich dieser in einem einfachen Kellergebäude. Hier ist Spontanität gefragt, denn der Besuch der Shuttletour wurde nicht erwartet. Die anfänglichen Startschwierigkeiten, werden durch die Gastfreundschaft, welche sich durch einen typischen Chai-Tee und frittiertem Gebäck ausdrückt, aber schnell vergessen.

    Der Sikhismus stammt aus Indien, wird berichtet. Es wird daran geglaubt, dass jeder schon mehrfach wiedergeboren wurde, bevor er in der höchsten Instanz des Mensch-Seins auf die Welt kam. Ein Raunen geht durch die Schülermenge, als erklärt wird, dass jeder männliche Sikh einen Dolch bei sich trägt, den Kirpan. Mit diesem sei er verpflichtet einzugreifen, sobald Armen, Schwachen oder Unschuldigen Unrecht angetan wird.

    Gegen Pauschalverurteilungen

    Der nächste Fahrplanhalt ist die Moschee des Verbandes der Islamischen Kulturzentren im Frauenland. Vor Ankunft mahnt die Referentin des Bündnisses für Zivilcourage, Jenifer Gabel, den Islam und den IS (sogenannter Islamischer Staat) nicht zu vermischen und somit Muslime nicht pauschal zu verurteilen.

    „Man kann Anhänger einer Glaubensrichtung nicht für die Taten einzelner verantwortlich machen“, sagt sie und bittet deswegen ausdrücklich um die nötigen Respekt.

    Anders als im Tempel der Sikhs müssen die Besucher hier ihre Haare nicht wie erwartet mit einem Kopftuch bedecken, „da sie nicht zum Beten hier sind“, heißt es von dem Gemeindevorstand. Die Schuhe gehören aus Zeichen des Respekts und der Reinlichkeit dennoch ausgezogen. Fünfmal am Tag wird hier gebetet, lernen die Teilnehmer und dürfen einem Betenden zuschauen.

    Der Sinn des achtarmigen Leuchters

    Die letzte Station führt zum Jüdischen Gemeindezentrum "Shalom Europa". Obwohl die Aufmerksamkeit nach fünf Stunden spürbar nachlässt, gibt es dennoch eine rege Beteiligung am Rundgang durch das jüdische Museum. „Warum hat der achtarmige Leuchter denn neun Kerzen?“ fragt ein Schüler, worauf ein anderer die Antwort weiß: „Eine Kerze dient lediglich zum Anzünden der anderen.

    “ Nach der Führung geht es in die schmuckvolle Synagoge, wo der Jugendmitarbeiter der Gemeinde, Alexander Shif, erklärt, wieso Männer und Frauen getrennt sitzen. Die Frau als zu allerletzt Geschaffene habe die meiste Nähe zu Gott und werde hochgeschätzt. Dennoch solle sie den Mann nicht ablenken und sitze in der Synagoge deswegen abgegrenzt.

    Zum Abschluss gegen 15 Uhr gibt es für die geduldigen Teilnehmer noch koschere Krapfen. Jenifer Gabel lädt außerdem ein, bei weiterem Interesse am Interreligiösen Austausch die Jugendbildungsstätte Unterfranken (Jubi) aufzusuchen. Eine höhere Sensibilität für die Migrationsgesellschaft, in der wir heute nun einmal leben, sei schließlich grundlegend für ein friedliches Zusammenleben und dies gehe eben nur durch Begegnung und Kennenlernen.

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