Als der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor knapp fünfzig Jahren erstmals in Würzburg eine Jahrestagung abhielt, kam es zum Eklat. Nicht der Zusammenbruch des Bankensystems oder die drohende Rezession standen zur Debatte. Nein, damals ging es um Kunst, ihr Menschenbild und darum, was unter Kunst zu verstehen ist.
Im Jahr 1960 – Konrad Adenauer war noch Bundeskanzler – zeigte die „ars viva“-Ausstellung des Kulturkreises in der Bischofsstadt Skulpturen der damals ausgezeichneten Preisträger Henry Moore, Ewald Mataré und vor allem von Alberto Giacometti. Die dünnen, langgezogenen Leiber von seinen Figuren entsetzten Teile des Publikums. Eine Freie Vereinigung zur Erhaltung von Religion und Sitte reagierte mit energischen Protesten.
Für einen Skandal nicht mehr gut
Für einen Skandal ist moderne Kunst heute in Würzburg nicht mehr gut. Vielmehr beherbergt die Stadt mit dem Museum im Kulturspeicher ein weithin bekanntes Zentrum für konkrete Kunst und Installationen in ihren Stadtmauern und Museumsleiterin Beate Reese hatte als Jury-Mitglied bei der Verleihung des diesjährigen Preises für Bildende Kunst ein gewichtiges Wort mitzureden.
Am vergangenen Wochenende waren die Vorzeichen für die zweite Zusammenkunft der Vereinigung in Mainfranken seit ihrem Bestehen denn auch völlig andere. „Dunkle Wolken über der Konjunktur“, so Ministerpräsident Günther Beckstein am Freitagabend in seiner Festrede zur 57. Jahrestagung, und das am Vorabend beschlossene staatliche Rettungspaket für die Banken überschatteten die Veranstaltung.
Der abgewählte „Landesvater“ hatte die Münchner Koalitionsverhandlungen eigens für die plötzlich anberaumte Abstimmung im Bundesrat unterbrochen. Von Unruhe, aber auch von gelöster Stimmung nach dem staatlichen Eingriff war unter den aus der ganzen Republik angereisten Geschäftsführern, Aufsichtsratsvorsitzenden und Vorstandsmitgliedern dennoch wenig zu spüren. Vielmehr ging die Veranstaltung in dem 300 Plätze fassenden, voll besetzten Weißen Saal der Residenz ihren gewohnten, ruhigen Gang. Oder war gerade das ein Zeichen nervöser Anspannung?
400 Unternehmen aus ganz Deutschland
Der Kulturkreis ist ein Zusammenschluss von zirka 400 Unternehmen aus ganz Deutschland. Mit den Firmen Vogel Business Media und der Würzburger Hofbräu sowie der Kurtz Holding (Kreuzwertheim) und der Wittenstein AG (Igersheim) gehören ihm auch Unternehmen der Region an. In den Kreis des Vorstands rückte Maria-Elisabeth Schaeffler, Gesellschafterin des zuletzt in die Schlagzeilen geratenen fränkischen Familienunternehmens Schaeffler KG aus Herzogenaurach vor. An jährlich wechselnden Orten abgehalten, fiel in diesem Jahr die Wahl auf Franken. Clemens Börsig, Vorsitzender des Kulturkreises und des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, begrüßte in seiner Auftaktrede die „Gelegenheit, sich von der wirtschaftlichen und kulturellen Vielfalt Frankens und der Schönheit Würzburgs zu überzeugen“. Mit den Tiepolo-Fresken im Treppenhaus und dem Weißen Saal von Antonio Bossi hatten die Teilnehmer denn auch zwei herausragende Ergebnisse erfolgreichen Mäzenatentums unmittelbar vor Augen.
Auch der Kulturkreis hat sich der Kulturförderung verschrieben. Ziel ist vor allem, junge Künstler in den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Literatur und Musik zu fördern. Die mit 75 000 Euro dotierten, an diesem Wochenende verliehenen Auszeichnungen zählen zu den wichtigsten Kunstpreisen der Republik. Im Anschluss an Börsigs Bekenntnis zur unternehmerischen Kulturförderung betonte Ministerpräsident Beckstein vor dem krisenhaften Hintergrund die Bedeutung einer starken Kulturlandschaft. „Sie ist unabdinglich für ein Gefühl der Verbundenheit, Zugehörigkeit und Verwurzelung der Menschen“. Nur so könnten Identität und Heimatgefühl entstehen – und natürlich die Menschen für die Herausforderungen der Zeit rüsten.
Am Samstag und Sonntag konnten sich die Bürger davon selbst überzeugen. Die Musikpreisträger traten in der Neubaukirche auf, im Vogel Convention Center präsentierten sich die Sieger des Architektur-Wettbewerbs und im Kloster Bronnbach wurden der Architektur- und der Literaturpreis verliehen. Noch längere Zeit, bis zum 30. November, zu sehen sind die Arbeiten der „ars viva“-Preisträger für Bildende Kunst im Kulturspeicher.