Fast auf den Tag genau 80 Jahre nach der Deportation von 64 jüdischen Kindern, Frauen und Männern aus Würzburg in die Vernichtungslager Auschwitz und Theresienstadt und drei Jahre nach seiner Einweihung hat der DenkOrt Deportationen am Hauptbahnhof neun neue Gepäckstücke bekommen. Inzwischen stehen dort 88 Koffer, Rucksäcke und Gepäckbündel, die die Verschleppung und Ermordung von mehr als 2000 unterfränkischen Jüdinnen und Juden symbolisieren.
Würzburger Schülerinnen und Schüler waren mit Aufführung vertreten
Am 17. Juni 1943 fand die siebte von insgesamt neun Deportationen zwischen 1941 und 1944 statt, an die der DenkOrt erinnert. Jeder einzelne Rucksack und Koffer am Bahnhofsvorplatz hat einen identischen Doppelgänger in einer der unterfränkischen Kommunen, in denen es damals jüdisches Leben gab – insgesamt waren es 109. Neu dazugekommen sind bei der dritten Eröffnung die Gepäckstücke aus Bad Königshofen, Estenfeld, Greußenheim, Großostheim, Schonungen, Schwebheim, Steinach a.d. Saale, Unter- und Oberriedenberg sowie Wörth am Main.

Schülerinnen der 10. Jahrgangsstufe des St- Ursula-Gymnasiums erinnerten mit einer Aufführung an die insgesamt neun Deportationen. Von insgesamt 2069 jüdischen Menschen, die von den Nationalsozialisten in die Todeslager in Osteuropa verschleppt wurden, überlebten nur 63. "Die Gepäckstücke an diesem Ort symbolisieren ihr letztes Hab und Gut, dessen man sie beraubt hat, und ihr zurückgelassenes Leben", sagte Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, vor etwa hundert Teilnehmern der Feierstunde am Bahnhofsvorplatz.

Schuster bedankte sich bei den vielen Menschen und Organisationen, die am Zustandekommen des Denkmals beteiligt waren und sind. Gleichzeitig äußerte er seine große Sorge über die gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland: "Wenn wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine rechtsextremistische Partei wie die AfD (…) laut kürzlich veröffentlichten Umfragen ein gleiches Ergebnis erzielen könnte wie die Regierungspartei SPD, dann ist das mehr als besorgniserregend."
Würzburgs OB Schuchardt: Antisemitismus entschieden entgegentreten!
Oberbürgermeister Christian Schuchardt rief in seiner Ansprache dazu auf, "dem Antisemitismus und jeglicher Menschenfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten, wann und wie immer wir mit ihnen konfrontiert sind". Alleine in Unterfranken habe sich die Zahl judenfeindlicher Vorfälle von 2020 bis 2022 mehr als verfünffacht, so Schuchardt: "Wir dürfen nicht in Vergessenheit geraten lassen, was Antisemitismus in unserem Land schon einmal angerichtet hat." Der DenkOrt Deportationen an einem Ort, an dem täglich hunderte von Menschen vorbeikommen, rege dazu an, Lehren aus der Geschichte zu ziehen und das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen.

Noch nicht ersetzt ist die Teddybär-Bronzefigur, die Unbekannte vor drei Wochen vom DenkOrt abgerissen und entwendet haben. Nach Auskunft von Matthias Braun, der die Gedenkstätte am Hauptbahnhof entworfen hat, dürfte es etwa 3000 Euro kosten, die Figur zu ersetzen, die das zurückgelassene Spielzeug eines deportierten jüdischen Kindes symbolisiert.