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WÜRZBURG: Josef Schuster: „Wegschauen geht gar nicht“

WÜRZBURG

Josef Schuster: „Wegschauen geht gar nicht“

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    Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, (von links) lud zur Podiumsdiskussion über Erinnerungskultur 80 Jahre nach der Reichspogromnacht. Mit dabei im Jüdischen Gemeindezentrum „Shalom Europa” in Würzburg waren Reinhard Kardinal Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strom. Es moderierte Ilianit Spinner.
    Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, (von links) lud zur Podiumsdiskussion über Erinnerungskultur 80 Jahre nach der Reichspogromnacht. Mit dabei im Jüdischen Gemeindezentrum „Shalom Europa” in Würzburg waren Reinhard Kardinal Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strom. Es moderierte Ilianit Spinner. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte sie zuerst nur „eine Partei“, bezeichnete sie als „rechtspopulistisch, teils rechtsextrem“, die eine Wende in der Erinnerungskultur um 180 Grad fordere. Jeder im großen Saal des Jüdischen Gemeindezentrums „Shalom Europa“ in Würzburg wusste wohl ohnehin, wer gemeint war.

    Die AfD war unter anderem Gesprächsstoff am Donnerstagabend bei der Veranstaltung anlässlich des Gedenkens an die Opfer des Novemberpogroms 1938. Bei Schuster hätten die Alarmglocken geschrillt, als AfD-Politiker Bernd Höcke 2017 beim Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin von einem „Denkmal der Schande“ sprach. „Diese Partei ist keine Alternative für Deutschland, das sollte jedem klar sein“, so Schuster.

    „Keine deutsche Identität ohne Auschwitz?“

    Sehr viele Menschen sind der Einladung zur Podiumsdiskussion gefolgt, darunter etliche Ehrengäste. Thema war „Keine deutsche Identität ohne Auschwitz? Erinnerungskultur 80 Jahre nach der Reichspogromnacht“. Es diskutierten mit Schuster Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, sowie Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

    Blick in die Zuhörerreihen im Jüdischen Gemeindezentrum „Shalom Europa” in Würzburg. Viele folgten der Einladung zur Podiumsveranstaltung anlässlich des Gedenkens an die Opfer der Reichspogromnacht 1938, darunter etliche Ehrengäste.
    Blick in die Zuhörerreihen im Jüdischen Gemeindezentrum „Shalom Europa” in Würzburg. Viele folgten der Einladung zur Podiumsveranstaltung anlässlich des Gedenkens an die Opfer der Reichspogromnacht 1938, darunter etliche Ehrengäste. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Moderatorin Ilanit Spinner stellte Fragen wie: Warum sollte man noch 80 Jahre später dem Holocaust gedenken? Welchen Stellwert nimmt dieses Gedenken ein? Wie könne der Besuch von Auschwitz noch Eindruck hinterlassen?

    Schuster: Holocaust ist das größte Menschheitsverbrechen

    Der Holocaust sei das größte Menschheitsverbrechen, das die Welt je gesehen hat. Man müsse sich vor Augen halten, was durch den Missbrauch durch totalitäre Systeme passieren kann. Schuster ließ keinen Zweifel, auch heute gilt: „Wegschauen geht gar nicht.“

    Zum kulturellen Gedächtnis gehöre, auch auf dunkle Seiten zu schauen, sagte Bischof Bedford-Strohm. Nur wenn man das Unbegreifliche immer wieder versuchen würde zu verstehen, verhinderte dies, dass es noch einmal passiert. Kardinal Marx gestand, dass sein Erschrecken über den Holocaust trotz des zeitlichen Abstands im Alter eher größer als kleiner geworden sei.

    Besucher einer Gedenkstätte nur mit Vor- und Nachbereitung

    Aufarbeitung sei wichtig, waren sich die Vertreter der Juden, Katholiken und Protestanten in Deutschland einig. Der Besuch einer Gedenkstätte alleine genüge nicht. Er muss laut Schuster, der für seine Forderung nach einem verpflichteten Besuch viel gescholten worden sei, vor- und nachbereitet werden. Lehrkräfte würden dazu aber nicht immer das nötige Rüstzeug an den Unis erhalten.

    Reinhard Kardinal Marx (links) Zentralratspräsident Josef Schuster und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm diskutierten auch nach der Podiumsveranstaltung zum Thema „Keine deutsche Identität ohne Auschwitz? Erinnerungskultur 80 Jahre nach der Reichspogromnacht” noch weiter.
    Reinhard Kardinal Marx (links) Zentralratspräsident Josef Schuster und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm diskutierten auch nach der Podiumsveranstaltung zum Thema „Keine deutsche Identität ohne Auschwitz? Erinnerungskultur 80 Jahre nach der Reichspogromnacht” noch weiter. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Bedford-Strohm verwies auf digitale Möglichkeiten, um Geschichte so weiterzugeben, dass sie die Menschen erreicht und Empathie hervorruft. Er hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung von persönlichen Schicksalen hervor. „Bilder kann man wegstecken“, aber wenn man direkt mit Leid konfrontiert werde, mache das nachdenklich.

    Marx: „Wir Christen und Juden lassen uns nicht mehr trennen“

    Marx ist sich sicher: „Viele wollen sich erinnern.“ Er glaubt nicht, „dass die meisten einen Schlussstrich ziehen wollen“. Die Zahl derer, die das möchte, sei gesunken, meinte Schuster, dennoch dürfe die Erinnerungskultur nicht nachlassen.

    Auch die Rolle der Kirchen beim Thema Judenfeindlichkeit war Thema in der Runde. Bedford-Strohm erinnerte an seine Scham, die er über die Hetzreden von Martin Luther gegen die Juden bereits zum Ausdruck gebracht habe. „Wir Christen und Juden lassen uns nicht mehr trennen“, betonte Marx. Schuster fand „die Message“ gut, sie müsse aber in die Kirchen hineingetragen werden. „Lange Zeit wurde etwas anderes gepredigt“, so Schuster. „Wir nehmen den Auftrag an“, versicherte Bedford-Strohm.

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