Seit einem dreiviertel Jahr versucht die Bundestagsabgeordnete Simone Barrientos (Die Linke), ein Ladenlokal in der Grombühlstraße 18 anzumieten. Die Räume, in denen einst ein Friseur seine Kundschaft schor, stehen lange leer, niemand sonst will sie haben. Viele Gespräche, so berichtet Barrientos, wurden geführt, man habe sich geeinigt. Anfang September wollte sie einziehen.
Anfang August aber bekamen die Aufsichtsratsmitglieder der Stadtbau Post von ihrem Vorsitzenden, OB Christian Schuchardt: Ob etwas gegen diese Vermietung spräche, wollte er wissen. Die konservative Hälfte des Aufsichtsrates, der sich aus Stadträten, dem Stadtbaurat und dem Stadtkämmerer zusammensetzt, bejahte.
Roth kann sich kein Mietverhältnis mit AfD und Linkspartei vorstellen
An ihrer Spitze stand Schuchardts Stellvertreter im Aufsichtsrat Wolfgang Roth, der auch stellvertretender Vorsitzender der CSU-Stadtratsfraktion und des CSU-Kreisverbandes ist. Roth teilte intern per E-Mail mit, er halte die Vermietung an Parteien für "suboptimal". Dennoch könne er sich ein Mietverhältnis "auch persönlich" mit Parteien vorstellen, allerdings nicht mit Linkspartei und AfD.
An die Öffentlichkeit sollte das nicht dringen, tat es aber doch. Von unserer Redaktion befragt, sagte Roth dann, er halte die Vermietung von Stadtbau-Räumen an Parteien grundsätzlich für "schlecht" und "unangemessen". Dass er sich die Vermietung an andere Parteien als Linke und AfD vorstellen könne, habe er ausschließlich auf sich selbst als Privatmann und Unternehmer bezogen.
Die Stadtbau zog den unterschriftsreifen Mietvertrag zurück: Zunächst müsse der Aufsichtsrat eine entsprechende Richtlinie beschließen, am 24. Oktober, Barrientos müsse sich gedulden. Jetzt hat das Gremium entschieden: Die Stadtbau vermietet auch an Parteien. OB Schuchardt lässt dazu von seiner Pressestelle ausrichten, dass das in seinem Sinne sei, weil "Parteienarbeit zur Demokratie gehört".
Barrientos hat Bonitätsprüfung nicht bestanden
Der Aufsichtsrat beschloss allerdings auch, trotzdem nicht an Barrientos zu vermieten. Grund: Sie habe die Bonitätsprüfung nicht bestanden. Tatsächlich berichtet Barrientos, sie habe sich vor zwei Jahren insolvent gemeldet, weil ihr Verlag Kulturmaschinen sich nicht mehr trug. Ein Geheimnis macht sie nicht daraus, man kann das auf ihrer Webseite nachlesen.
Bundestagsabgeordnete bekommen neben ihrer Abgeordnetenentschädigung von knapp 10.000 Euro im Monat eine monatliche, nicht pfändbare Aufwandspauschale von rund 4300 Euro als Teil der Amtsausstattung. Aus dieser Pauschale finanzieren sie unter anderem ihre Wahlkreisbüros. Die Stadtbau müsste sich nicht um ihre Miete sorgen. Warum will sie trotzdem nicht vermieten?
Stadtbau-Geschäftsführer Hans Sartoris sagt, er sei im Glauben, Barrientos wolle das Ladenlokal privat anmieten. Sie habe in den Mietvertrag nur ihren Namen eingesetzt, ohne einen Zusatz.
Einrichtung von Wahlkreisbüros gehört zur Ausübung des Amtes

"Das ist absurd!", sagt Barrientos, "das ist eine Verarsche", dazu falle ihr nichts mehr ein. "Wir haben immer gesagt, dass es um ein Wahlkreisbüro für mich geht." Sie verweist auf einen Brief, den sie vor zwei Monaten an Sartoris schickte. Da schrieb sie, der Mietvertrag solle "mit der Bundestagsabgeordneten Simone Barrientos" geschlossen werden, "die nach Artikel 48 Grundgesetz nicht daran gehindert werden" dürfe, ihr Amt auszuüben. Dazu gehöre laut Abgeordnetengesetz "zwingend die Einrichtung von Wahlkreisbüros". Von der Stadtbau habe sie seitdem nichts mehr gehört.
Sartoris sagt, ein gemeinsamer Termin sei nun "in Aussicht, um das Thema noch einmal zu besprechen". Dem Eindruck, dass einer Linken-Politikerin mit Ränkespielen das Leben schwer gemacht wird, widerspricht er heftig. Er wolle "das Ding sauber, korrekt, transparent und ohne Winkelzüge zu Ende führen".