Kinderfeuerwehren als Lösung für den Nachwuchsmangel – in Hessen geht das. Dort können sich schon Kinder ab dem sechsten Lebensjahr spielerisch mit den Aufgaben und Herausforderungen der Feuerwehr vertraut machen. In Bayern fehlt dazu die gesetzliche Voraussetzung – zum Leidwesen der Feuerwehren.
Dabei hat der Landesfeuerwehrverband Bayern bereits im März 2016 entsprechende Vorschläge zur Novellierung des Feuerwehrgesetzes gemacht. Mangels einer Ratifizierung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes bewegen sich einige Freiwilligen Feuerwehren auch im Landkreis in einer gesetzlichen und pädagogischen Grauzone. „Ohne gesetzliche Regelung gibt es zudem auch keinen Versicherungsschutz“, gibt Kreisbrandrat (KBR) Michael Reitzenstein (Rimpar) zu bedenken.
Pädagogische Herausforderung
Aus der Nachwuchsförderung durch Kinderfeuerwehren ergibt sich für Kreisjugendwart Dominik Olbrich (Gerbrunn) „eine bisher unbekannte, völlig neue pädagogische Herausforderung.“ Doch man experimentiert. Ohne gesetzliche Grundlage stellen sich der Herausforderung aber schon die „Löschi-Gruppe“ der Freiwilligen Feuerwehr in Versbach und in Mühlhausen.
„In Mühlhausen konnte sogar schon eine komplette Gruppe aus der Kinderfeuerwehr in die Jugendfeuerwehr übernommen werden. Und auch im Leinachtal gibt es aktuell Bemühungen hinsichtlich einer Kinderfeuerwehr“, weiß Olbrich.
Neues Gesetz seit 2008
Was die gesetzliche Grundlage für Kinderfeuerwehren innerhalb von Freiwilligen Feuerwehren betrifft, ist Hessen dem benachbarten Bayern weit voraus. „Die erforderliche Gesetzesänderung wurde ich Hessen schon 2008 verabschiedet“, erklärt Leith Aissa. Er ist Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Obertshausen und stellvertretender Stadtbrandinspektor der 25 000-Einwohner-Stadt im Landkreis Offenbach.
Eine Kinderfeuerwehr gibt es unter dem Gesamtkonstrukt der dortigen Freiwilligen Feuerwehr seit es die gesetzliche Grundlage zulässt. Bis zu 25 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren werden dort von einem Dutzend Ausbildern und Betreuern spielerisch an die Feuerwehr herangeführt. Weitere 40 Jugendliche im Alter von zehn bis 17 Jahren werden in Obersthausen von sieben Ausbildern auf den Übertritt in den aktiven Dienst mit Vollendung des 18. Lebensjahres vorbereitet.
Keine Nachwuchssorgen
Durch die frühe Bindung an die Wehr kennen die Floriansjünger in Obersthausen keinerlei Nachwuchssorgen – im Gegensatz zu mancher Wehr in Bayern. Auch im Landkreis Würzburg.
Bei der letzten Herbstdienstversammlung des Inspektionsbereiches West hatte sich Kreisbrandinspektor (KBI) Winfried Weidner (Waldbrunn) dafür stark gemacht, „den Nachwuchs so früh wie möglich für die Aufgaben der Feuerwehren zu begeistern.“ Nach Weidners Einschätzung „wird in naher Zukunft die Gründung von Kinderfeuerwehren verstärkt auf uns zukommen.“ Nur wann die gesetzliche Grundlage im Bayerischen Feuerwehrgesetz kommt, steht in den Sternen.
Eine Stellungnahme aus dem bayerischen Innenministerium, auf Nachfrage dieser Redaktion, verdeutlicht das Vakuum: „Der Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes steht derzeit für die zweite Beratung im Ministerrat an. Ob und in welcher Sitzung er behandelt wird, obliegt der Entscheidung des Ministerpräsidenten. Anschließend wird der Entwurf dem Landtag zugeleitet“, lautet die Mitteilung von Pressesprecher Oliver Platzer.
Anders in Hessen: Jeden zweiten Samstag im Monat treffen sich die Mitglieder der Kinderfeuerwehr Obertshausen mit ihren Ausbildern und Betreuern für jeweils zwei Stunden zur „Ausbildung“. Im Vordergrund steht zu etwa siebzig Prozent allgemeines und soziales Verhalten. Nur dreißig Prozent gelten feuerwehrspezifischen Themen, erklärt Aissa.
Gemeinsam mit ihren Ausbildern hatten sich die Feuerwehr-Kids zu Übungszwecken aus einem Bollerwagen ein eigenes „Einsatzfahrzeug“ gebaut. Das das war den kleinen Floriansjüngern bald nicht mehr gut genug. Nachdem man bei Sponsoren genügend Geld eingesammelt hatte, ließ sich die Feuerwehr Obersthausen vom Fahrzeugbau Hensel in Waldbrunn ein eigenes Kinderfeuerwehrfahrzeug bauen. Speziell entwickelt für die Ansprüche des Nachwuchses. Die Gesamtkosten von 8895 Euro wurden komplett durch Spenden gedeckt.
An Bord des kleinen, mit Blech verkleideten und mit Blaulicht und Elektrik ausgestatteten Fahrzeugs befinden sich in Miniaturausfertigung alle für den Einsatz notwendigen Ausrüstungsgegenstände. Entsprechend dem Design der Feuerwehr Obertshausen ist auch das Minifahrzeug beklebt, sodass es optisch zu den vorhandenen Einsatzfahrzeugen passt.
Doch nicht nur die Optik stimmt. Gleichzeitig ist das Fahrzeug nach der Richtlinie für Feuerwehr-Rollwagen gebaut, sodass es mit dem Ladungssicherungs-Konzept in den vorhandenen Logistik-Fahrzeugen kompatibel ist. „So kann das kleine Fahrzeug Huckepack genommen werden“, verdeutlich Hensel-Geschäftsführerin Ines Hensel das Konzept.
Als Ausrüstungsgegenstände befinden sich zur praxisnahen Ausbildung unter anderem ein Standrohr, Unterflurhydrantenschlüssel, Verteiler, 3 C-Schläuche und -Strahlrohre, eine Kunststoffkiste für D-Schläuche und sogar zwei Kinder-Atemschutz-Geräte an Bord.
Die Begeisterung unter dem Feuerwehr-Nachwuchs aus Obertshausen kannte keine Grenzen bei der Übergabe auf dem Firmengelände des Fahrzeugbau Hensel in Waldbrunn. „Die individuellen Entwicklungskosten können durch den Verkaufspreis freilich niemals refinanziert werden. Aber in der Hoffnung eine baldige Novellierung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes haben wir gleich zwei der Kinderfeuerwehrfahrzeuge gefertigt. Vielleicht besteht ja auch in Bayern mal Bedarf“, berichtet Ines Hensel.
Die Ausrüster stehen in Bayern also ebenso in den Startlöchern wie der Nachwuchs. Was fehlt ist grünes Licht aus München.