egoFM hat die Talente des Würzburger Kneipenchors klar erkannt: „Stark im Gesang – stark am Glas“. So beschreibt der Musiksender in der Ankündigung für das „ego FM Fest 2018“ die inzwischen über dreißig Sängerinnen und Sänger, die sich seit einem knappen Jahr Woche für Woche in Würzburger Kneipen treffen, um zusammen Klassiker der Rock- und Popgeschichte zu singen.
Gesang vor der Theke
„Sauberer bitte, das muss viel sauberer klingen.“ Nilz Hübenbecker steht vor der Theke im Keller des „Standard“, inmitten von knapp dreißig jungen und jung gebliebenen Frauen und Männern, die sich gerade zum ersten Mal an „Stuck in the middle with you“ versuchen. Der Song stammt von der heutzutage nicht mehr wirklich bekannten Folk-Rock-Band „Stealers Wheel“ und hat es 1973 bis in die Top 10 der englischen Charts geschafft – ein echter Klassiker also.
Und er beinhaltet Vokalpassagen, die den Sängerinnen und Sängern des Kneipenchors einiges abverlangen und oft wiederholt werden müssen, bis die Töne sitzen und die einzelnen Segmente zu einem harmonischen Ganzen werden.
Profimusiker als Chorleiter
Energiebündel Nilz Hübenbecker ist als Chorleiter und Dirigent voll in seinem Element: Der Profi-Musiker hat an der Hochschule für Musik Klavier und Gesang studiert, ist tagsüber Musiklehrer an der Realschule Ochsenfurt und steht abends mit seinen Bands und Projekten „Red Manhole“, „Peppermint People“ und „Hussein Mahmoud Group“ auf der Bühne.
Die zusätzliche Aufgabe als ehrenamtlicher Chorleiter hat er seiner Frau Antje zu verdanken – sie ärgerte sich, dass es in Würzburg noch keinen Kneipenchor gab und gründete deshalb vor knapp einem Jahr kurzerhand selbst einen.
Der Start eines neuen Trends
In englischen Pubs ist es eine lange Tradition, dass gemeinsam Bier getrunken und gesungen wird. Der erste deutsche Kneipenchor wurde 2011 von jungen Menschen in Berlin gegründet – das war der Start eines neuen Trends. Inzwischen gibt es Kneipenchöre in Hamburg, München, Köln, Dresden und vielen anderen Städten.
Auf der Internet-Plattform „Youtube“ öffnet sich bei der Suche nach „Kneipenchor“ eine lange Liste von Videos, einige Kneipenchöre haben sogar einen eigenen Kanal. Das Prinzip ist immer gleich: Gemeinsam trinken, gemeinsam singen, gemeinsam Spaß haben.
Erst einmal ein Bier
So ist das auch beim Würzburger Kneipenchor: Die Mitglieder treffen sich jeden Mittwoch ab 19 Uhr entweder im Dornheim, in der „Reue“ oder im „Standard“, machen erst mal eine Flasche Bier auf und quatschen. Nach der geselligen Aufwärmphase – die je nach Lust und Laune der Anwesenden durchaus auch etwas länger ausfallen kann – wird dann geprobt, und zwar mehrere Stunden lang. „In unserem Haufen geht es locker zu und soll Spaß machen. Aber es ist auch wichtig, dass es musikalisch passt und gut klingt“, sagt Hübenbecker.
Als Rockmusiker „war ich generell kein Freund von Chören“, erzählt der Chorleiter, der sich zusammen mit einer kleinen Gruppe professioneller Musiker um die Arrangements kümmert – schließlich müssen bekannte Klassiker wie „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones oder „Down on the corner“ von Creedence Clearwater Revival erst einmal in die richtige Form gebracht und festgelegt werden, welche Teile von den Bässen gebrummt oder von den Sopranen gesungen werden.
Arrangement vor Ort
Für Hübenbecker kein Problem: „Wenn ich den Song sowieso im Kopf habe, kann ich das auch bei der Probe arrangieren.“ Das tut er vor Ort zusammen mit Profi-Musikern wie Gitarrist und Bassist Jannis Reuter, der unter anderem mit Andreas Kümmert und Lilly Among Clouds auf Tour war.
Mit rund zwanzig Leuten hat es im Mai 2017 angefangen, inzwischen gibt es beim Würzburger Kneipenchor einen Aufnahmestopp und eine Warteliste für Neu-Mitglieder. Das musikalische Repertoire umfasst mittlerweile rund zehn Songs, und dass die Sängerinnen und Sänger in der Freizeit fleißig Texte lernen und jede Woche stundenlang und mit viel Herzblut proben, hat sich gelohnt: Der Chor ist bei seinen ersten Auftritten beim Weihnachtsmarkt im Dornheim oder auf dem Bürgerbräu-Areal so gut angekommen, dass Anfang März das erste Engagement für ein Konzert im „Cairo“ folgte.
Auftritt beim U&D
Auch der Programmgruppe des „Umsonst & Draußen“ hat die Bewerbung so gut gefallen, dass der Kneipenchor beim U&D im Juni auf der Bühne stehen wird – Katharina Schmidt und Tilman Hampl vom Organisationsteam des Festivals sind inzwischen auch Chor-Mitglieder. Und für alle, die nicht bis zum U&D warten möchte: Beim „egoFM Fest 2018“ am 20. April ist der Würzburger Kneipenchor einer von zehn Acts, die zwischen 18.30 Uhr und 4 Uhr früh in der Posthalle auftreten werden.