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Würzburg: Kompostierbarer Kunststoff: Kommt Plastik bald auf den Kompost?

Würzburg

Kompostierbarer Kunststoff: Kommt Plastik bald auf den Kompost?

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    Die Würzburger Forscherin Sabine Amberg-Schwab vom Fraunhofer Institut sorgt mit abbaubarem Verpackungsmaterial für Aufsehen.
    Die Würzburger Forscherin Sabine Amberg-Schwab vom Fraunhofer Institut sorgt mit abbaubarem Verpackungsmaterial für Aufsehen. Foto: Ivana Biscan

    Das neue deutsche Verpackungsgesetz sieht vor, dass alle, die gefüllte Verpackungen in Umlauf bringen, für deren Rücknahme und Verwertung verantwortlich sind. Das stellt viele Hersteller vor Herausforderungen, denn zu viel des Plastikmülls kann nicht recycelt werden und sie müssen für die entstehende Umweltverschmutzung bürgen. Eine mögliche Lösung erforscht das Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) in Würzburg: Verpackungen aus kompostierbaren Kunststoffen sollen den Markt verändern.

    „Wir haben nur einen Planeten Erde, aber bis 2050 wird unser Verbrauch ein Niveau erreichen, als hätten wir drei davon“, stellte im März der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius fest. Er präsentierte der Kommission den Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft der EU mit dem Ziel, konkrete Maßnahmen für die Vermeidung von Abfall umzusetzen. Nach diesem Plan sollen ab 2030 alle Kunststoffverpackungen auf dem europäischen Markt recyclingfähig sein.

    Plastik verschmutzt die Umwelt mit langfristigen Folgen für Mensch und Natur – dieses Problem ist inzwischen weit bekannt. Jedes Jahr gelangen 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Meere. Laut der Umweltschutzorganisation WWF steuert gerade Verpackungsmaterial für Lebensmittel einen großen Teil dazu bei. Diese ausgedienten Verpackungen gelangen hauptsächlich vom Land aus über Flüsse in die Meere.

    Würzburger Institut entwickelt nachhaltige Funktionsschichten

    „Ein Szenario, das uns zum Nachdenken gebracht hat“, sagt Dr. Sabine Amberg-Schwab. Sie ist die Leiterin des Fachbereichs Barriereschichten und chemische Beschichtungstechnologie am Würzburger Fraunhofer-Institut. Dort entwickelt sie seit mehr als 30 Jahren Verbundfolien, die für Verpackungsmaterial eingesetzt werden können. „Das Problem ist, dass solche zusammengesetzten konventionellen Folien nicht recycelt werden können“, sagt die Materialforscherin. Seit acht Jahren arbeitet sie an einer - inzwischen preisgekrönten - Funktionsschicht aus biologischen Materialien, die bioabbaubar und kompostierbar ist. Diese Schicht kann dann als Barrierelack auf Biokunststoffe und konventionelle Kunststoffe aufgetragen werden. Selbst konventionelle Verpackungsfolien werden dadurch einfacher recycelbar, sagt Amberg-Schwab.

    Die von Sabine Amberg-Schwab entwickelten Folien sind bioabbaubar und kompostierbar.
    Die von Sabine Amberg-Schwab entwickelten Folien sind bioabbaubar und kompostierbar. Foto: Fraunhofer ISC

    „Wir verwerten biologische Reste weiter und stellen dann aus diesen hochwertiges Ausgangsmaterial für unsere Barrierelacke her“, beschreibt die Forscherin den Herstellungsprozess der Funktionsschicht aus Früchteresten oder dem Krebsschalen-Präparat Chitosan. Um für Lebensmittelverpackungen einsetzbar zu sein, muss der Beschichtungslack eine gute Barriere sein: Wasserdampf, Sauerstoff, Aromen und Weichmacher sollen diese Schichten möglichst nicht durchdringen. 

    Durch die hochfunktionellen Beschichtungsmaterialien könnten in Zukunft herkömmliche Verbundmaterialien ersetzt werden, ist Amberg-Schwab überzeugt. „Wir können uns als Gesellschaft die konventionellen Verpackungs- und Verbundmaterialien nicht mehr leisten.“ Gerade deshalb setze sich das Institut dafür ein, nachhaltiger und unabhängiger von erdölbasierten Ressourcen zu werden, um die Umwelt weniger zu belasten.

    Kompostierung als Heilsbringer?

    Einer Umfrage der Deutschen Umwelthilfe von 2018 zufolge können jedoch in 95 Prozent der befragten Kompostanlagen die biologisch abbaubaren Kunststoffe nicht nach der betreffenden europäischen Norm kompostiert werden. Denn während sich die Zertifizierung als "biologisch abbaubar" auf labortechnische Bedingungen bezieht, seien die Kompostierungsverhältnisse in der Realität häufig nicht gesichert. Demnach stellen biologisch abbaubare Kunststoffe eher Störstoffe dar, die nicht normgerecht abgebaut werden können. Solange es keine einheitliche Recycling-Infrastruktur gebe, müssten die Biokunststoffe auch im Restmüll entsorgt werden, so der Umwelt- und Verbraucherschutzverband.

    Volker Herrmann, Professor für Kunststofftechnik an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, hält "das Kompostieren nicht für den Heilsbringer“, weil es an der Umsetzung noch hapere. Für Herrmann gilt: „Der Werkstoffkreislauf geht vor der Kompostierbarkeit“. Da habe das Recycling das größere Potenzial, die Umwelt in Zukunft vor zu viel Plastikmüll zu schützen. Und die Industrie werde in nächster Zeit nicht auf nachwachsende Rohstoffe für Verpackungen umschwenken, so der Kunststofftechnik-Professor. Seine Befürchtung: „Man wird weiterhin Erdöl benutzen, solange es der Menschheit für die Kunststoffproduktion nicht ausgeht."

    Umweltbewusstsein schaffen

    Auch Sabine Amberg-Schwab ist sich der Tatsache bewusst, dass es noch ein langer Weg ist, die Umwelt nachhaltig vor Plastik schützen zu können. „Wenn man sich mit der Materie etwas auseinandersetzt, sieht man erst einmal, wie komplex das alles tatsächlich ist“, sagt die Forscherin vom Fraunhofer-Institut. Trotzdem sei die Entwicklung der neuen Monomaterialklasse ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, da diese leichter zu kompostieren sei.

    Die Wissenschaftlerin appelliert zudem an die Verbraucher, sich möglichst zuverlässig zu informieren mit Blick auf die gebrauchten Verpackungen. Das sieht auch der Aktionsplan der EU vor: Nur, wenn alle Verbraucher bewusster mit Verpackungen umgehen, kann in Zukunft das korrekte Kompostieren von abbaubaren Kunststoffen zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft führen.

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    Serie BioökonomieDieser Artikel ist Teil der Serie Bioökonomie, die in loser Reihenfolge erscheint. Beteiligt sind rund 200 Studierende der Universität Würzburg, der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und der Macromedia-Hochschule Köln. Alle Texte finden Sie unter: www.mainpost.de/bioökonomieDas Projekt findet im Rahmen des "Wissenschaftsjahres 2020/21" statt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Eine Multimediareportage der Studierenden finden Sie unter www.bioökonomie.info. Weitere Informationen gibt es unter www.wissenschaftsjahr.deQuelle: jst

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