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WÜRZBURG: Kurzgeschichte über Heidingsfeld: Nur der Kirchturm blieb stehen

WÜRZBURG

Kurzgeschichte über Heidingsfeld: Nur der Kirchturm blieb stehen

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    Überrest: Als am 16. März 1945 weiter Teile Heidingsfelds in Schutt und Asche fielen, blieb der Turm der Laurentiuskirche stehen. Diese Tatsache spielt eine zentrale Rolle in Kathrin Pohls Kurzgeschichte „Wie David und Jonathan“. Das Foto entstand im März 1949, als mit dem Wiederaufbau des restlichen Gotteshauses begonnen wurde.
    Überrest: Als am 16. März 1945 weiter Teile Heidingsfelds in Schutt und Asche fielen, blieb der Turm der Laurentiuskirche stehen. Diese Tatsache spielt eine zentrale Rolle in Kathrin Pohls Kurzgeschichte „Wie David und Jonathan“. Das Foto entstand im März 1949, als mit dem Wiederaufbau des restlichen Gotteshauses begonnen wurde. Foto: Archivfoto: Walter Röder

    Dass Kirchen Menschen in Not Asyl gewähren, ist heute keine Seltenheit mehr. Tatsächlich ist Bayern sogar Vorreiter auf diesem Gebiet. Vor kurzem war zu lesen, dass von den derzeit erfassten Kirchenasylen in Deutschland rund 70 im Freistaat liegen. Von einem Kirchenasyl der besonderen Art handelt eine Kurzgeschichte, die jetzt die Würzburgerin Kathrin Pohl veröffentlich hat.

    In der Geschichte rettet der Heidingsfelder Pfarrer Franz Bretz im Dritten Reich einen jüdischen Jungen. Die Handlung ist erfunden, wie die Autorin zugibt. Aber sie hat einen durchaus realistischen Hintergrund.

    Der Text erschien in der Kurzgeschichtensammlung „Im Schatten der Kirchenburgen“ (Wunderwald-Verlag Erlangen). Im Mittelpunkt stehen heutige und ehemalige Wehrkirchen, darunter solche im rumänischen Siebenbürgen, das für diese Art von Kirchen berühmt ist.

    Was kaum einer weiß: Die St. Laurentius-Kirche, von der am 16. März 1945 nur der steinerne Glockenturm aus dem Jahr 1200 stehen blieb, ist eine ehemalige mittelalterliche Kirchenburg; außen erinnert die Verblendung mit heimischem Muschelkalk noch an diese Ursprünge.

    „Eine Kirchenburg wurde meist zum Schutz errichtet, als letzte Zufluchtsstätte, als ein Ort, an dem die weltlichen Gewalten nicht nur vor den Mauern, sondern auch vor der Heiligkeit eines geweihten Ortes zurückschrecken sollten“, sagt Kathrin Pohl. Die Autorin, Jahrgang 1980, lebt mit Mann und zwei Kindern in Würzburg. Sie hat schon andere Kurzgeschichten geschrieben und arbeitet derzeit an ihrem ersten Krimi.

    Im Dritten Reich galt das Gesetz des Kirchenasyls nicht mehr. Pohl: „Allerdings hinderte das nicht alle Pfarrer daran, verfolgten Menschen dennoch Kirchenasyl zu gewähren – nur mussten sie es heimlich tun.“ Sie erinnert an die Herz-Jesu-Kirche im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg; von ihr ist die Geschichte eines Juden bekannt, der im Heizungskeller versteckt wurde und dem jungen Kaplan von seinem Vorgänger als besondere Erbschaft übergeben wurde.

    Von der Heidingefelder Laurentiuskirche erzählt man sich keine solche Geschichte, wohl aber die von Pfarrer Franz Bretz der die Fahnen verbotener Vereine hinter der Orgel versteckte.

    David und Jonathan

    „Vielleicht hätte er ja tatsächlich einen jüdischen Jungen im Glockenturm versteckt, wenn er jemals darum gebeten worden wäre“, überlegte Kathrin Pohl und entwickelte aus diesem Gedanken ihre Kurzgeschichte „Wie David und Jonathan“.

    Darin wird die Laurentiuskirche zum Asyl des jungen Juden Karl, der zusammen mit seinem nichtjüdischen Freund Hermann die Nacht des 16. März 1945 in deren Turm erlebt.

    Die Bomben machen auch vor der Kirche nicht Halt. Karl und Hermann müssen durch das Feuerinferno zum Main fliehen und treffen dort auf einen alten Nazi, der in Karl den verschollen Juden erkennt, der sich der Deportation entzogen hat und ihn den Behörden übergeben will.

    „Es war an der Zeit, dass die Kirche des heiligen Laurentius ihrer alten Funktion als Kirchenburg wieder gerecht wird“, sagt der Pfarrer, der hinzukommt. „Und was darauf geworden ist, hat man ja heute Nacht gesehen“, giftet der Nationalsozialist. „Zerstört wurde die Kirche! Zwei Bomben haben sie getroffen! Eine gerechte Strafe für das Fehlverhalten ihres Priesters!“

    „Sie sollten selbst lernen, die Zeichen Gottes richtig zu deuten“, erwidert der Pfarrer in Kathrin Pohls Kurzgeschichte. „Karls Versteck war im Kirchturm. Und nur der steht noch.“

    Der Titel der Geschichte ist eine Anspielung auf die biblischen Figuren David, ein Hofmusiker, und Jonathan, Sohn von König Saul, die einen Bund schlossen und sich ewige Freundschaft schworen (1. Sam 18 Vers 1 bis 4).

    Nach Pfarrer Bretz ist heute eine Straße in Heidingsfeld benannt.

    Ein tatsächliches Kirchenasyl, das, wie jenes erfundene in Kathrin Pohls Geschichte, positiv ausging, organisierte vor einiger Zeit die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) mit ihrem Pfarrer Burkard Hose, dem diesjährigen Träger des Würzburger Friedenspreises.

    Die KHG nahm den äthiopischen Flüchtling Ebrahim Akmel Termam auf, dem die Abschiebung nach Malta drohte. Sieben Monate wohnte der damals 21-Jährige in den Räumen der KHG. Heute ist er geduldet. Seit Sommer letzten Jahres lebt er außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft: oft kommt er in die KHG zu Besuch.

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