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WÜRZBURG/VEITSHÖCHHEIM: Kussverbot für Johannes Heesters in Veitshöchheim

WÜRZBURG/VEITSHÖCHHEIM

Kussverbot für Johannes Heesters in Veitshöchheim

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    Herbst 1936: Die Schreckensherrschaft des „Dritten Reichs“ ist nach den Olympischen Spielen in Berlin noch fester etabliert als vorher schon. In Schloss und Hofgarten von Veitshöchheim entsteht „Das Hofkonzert“, einer von unzähligen Unterhaltungs- und Ablenkungsfilmen der Zeit. Als Hauptdarsteller Johannes Heesters (32) den zweiten Star des Streifens, die 24-jährige ungarische Sopranistin Marta Eggerth, küssen soll, kommt es zum Eklat.

    Denn: Am Set beobachtet Eggerths Mann, der polnische Tenor Jan Kiepura (34), die Dreharbeiten. Die beiden sind frisch verheiratet; offensichtlich ihrem eifersüchtigen Mann zuliebe verweigert die 24-Jährige den Filmkuss, so dass die Szene mehrmals wiederholt werden muss. So steht es jedenfalls in der Online-Enzyklopädie Wikipedia.

    Dass Eggerth, die einen jüdischen Elternteil hatte, damals überhaupt noch in einem deutschen Film mitspielen durfte, verdankte sie ihrer großen Beliebtheit und einer Sondergenehmigung. Über ihre Zukunft im nationalsozialistischen Deutschland dürfte sie sich schon damals keine Illusionen gemachten haben, ebenso wenig wie Kiepura, Sohn einer jüdischen Mutter.

    Heesters erste Frau, die belgische Schauspielerin Louisa Ghijs, mit der er bis zu ihrem Tod 1985 verheiratet blieb, war offensichtlich bei der Kussszene in Veitshöchheim nicht vor Ort und brauchte  daher auch nicht mit ansehen, wie Heesters und Eggerth sich bei Liedern wie „Wunderschön ist es, verliebt zu sein“ anschmachteten.

    Der am Heiligen Abend gestorbene Heesters war damals schon ein Star. Veitshöchheims Kulturreferentin Dr. Martina Edelmann hörte von ihrer Großmutter, dass der 32-Jährige im Haus der Familie in der Oberen Maingasse während der Dreharbeiten ab und zu einen Schoppen trank. Edelmann: „Meine 1912 geborene Oma, damals noch Anna Götz, war eine Winzertochter und es gab daher immer gefüllte Weinfässer im Haus und auch eine Heckenwirtschaft. Als der Film gedreht wurde, war das ja nicht weit von unserem Haus. Oma erzählte immer mit leuchtenden Augen, dass Johannes Heesters gelegentlich vorbeikam. Leider gibt es keine Fotos.“

    „Das Hofkonzert“ ist eine musikalische Komödie, die zur Biedermeierzeit in einer kleinen Residenz spielt. Eine inkognito reisende Münchner Sängerin (Marta Eggerth), die ihren unbekannten Vater sucht, springt beim Hofkonzert für die launische Primadonna ein. In dem gütigen Landesherrn (Otto Treßler) findet sie ihren Vater, in einem adeligen Leutnant (Johannes Heesters) den passenden Bräutigam. „Marta Eggerth singt überall, auch im Badewasser“, heißt es ironisch im Lexikon des Internationalen Films.

    Ein Teil der Dreharbeiten fand in den Ufa-Ateliers in Neubabelsberg statt; seine Premiere erlebte der Streifen am 16. Dezember 1936 im Ufa-Palast Hamburg. Unter den Schauspielern waren Männer, deren Namen noch heute bekannt sind, so der Berliner Volksschauspieler Rudolf Platte und Kurt Meisel, der 1944 im Nazi-Durchhaltefilm „Kolberg“ als Darsteller und Regieassistent mitwirkte und ab 1972 Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels war.

    Eine internationale Karriere machte der damals 49-jährige „Hofkonzert“-Regisseur Detlef Sierck. Er war als Sohn dänischer Eltern in Hamburg aufgewachsen und erhielt, obwohl er als Gegner der Nationalsozialisten bekannt war, 1934 von der Ufa, die nach der Abwanderung vieler namhafter Künstler gute Regisseure suchte, einen Vertrag. Unter anderem war er mitverantwortlich für den Aufstieg von Zarah Leander.  

    1937 entschied sich Sierck dennoch für das Exil und ging zunächst nach Frankreich, um dann in die USA überzusiedeln. Seinen Sohn, den Schauspieler Klaus Detlef Sierck, konnte er nicht überzeugen mitzukommen. Dieser drehte noch einige Filme in Deutschland und fiel 1944 als Soldat der Wehrmacht in der Ukraine.

    In Hollywood entwickelte sich Detlef Sierck als Douglas Sirk zu einem der erfolgreichsten Regisseure von Melodramen, unter anderem mit Barbara Stanwyck und Jane Wyman, die zehn Jahre mit Ronald Reagan verheiratet war. Zu Sirks Bewunderern gehörte der französische „Nouvelle vague“-Regisseur Francois Truffaut.

    Seinen Lebensabend verbrachte Sirk in der Schweiz; mehrere Jahre unterrichtete er an der Hochschule für Fernsehen und Film München, wo auch Rainer Werner Fassbinder einen seiner Kurse besuchte.

    Marta Eggerth und Jan Kiepura emigrierten 1938 ebenfalls in die USA, wo Eggerth zwei Musicals mit Judy Garland drehte und am Broadway brillierte. 1990 trat sie für den „Tatort“ „Nie wieder Opfer“ zuletzt in Deutschland vor die Kamera. Sie lebt 99-jährig in New York.

    Johannes Heesters kam noch mehrmals in unsere Gegend. Unter anderem ließ er sich 96-jährig im Juni 2000 in der Würzburger Rotkreuzklinik ein künstliches Gelenk ins linke Knie einsetzen. Seine damals 50-jährige zweite Frau Simone Rethel absolvierte eine Meniskusoperation.

    Der Film "Das Hofkonzert" kann in der Veitshöchheimer Gemeindebücherei, die sich im Alten Bahnhof befindet, ausgeliehen werden. Nach Auskunft von Martina Edelmann ist allerdings von Veitshöchheim nicht allzu viel zu sehen.

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