Nach der Ankündigung von Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler), dass Bayerns Grund- und Mittelschullehrer künftig eine Stunde mehr arbeiten sollen, herrscht bei unterfränkischen Lehrervertretern großes Entsetzen. "Das ist so, wie wenn man ein Auto mit kaputtem Motor nochmal volltankt und auf die Autobahn schickt", kommentiert Jörg Nellen, der Geschäftsführer der unterfränkischen Gewerkschaft "Erziehung und Wissenschaft".
Nellen hält es für "unfassbar", dass in einer Zeit, in der landauf, landab gerade Grundschul- und Mittelschullehrer darüber klagen, dass sie am Limit arbeiteten, nicht Entlastung, sondern eine zusätzliche Belastung geschaffen werde. "Von den Kollegen höre ich, dass sie sich nicht trauen, krank zu werden, weil sonst keiner den Job macht. Die Leute schuften doch ohnehin schon durch –und jetzt soll noch eine verpflichtende Unterrichtsstunde dazukommen!" Ihn mache Piazolos Ankündigung "wahnsinnig zornig", sagt Nellen.
"Wir brauchen Entlastung, keine zusätzliche Belastung"
Jörg Nellen, unterfränkischer Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Bayerns Grundschullehrer müssen derzeit 28 Schulstunden pro Woche unterrichten und Bayerns Mittelschullehrer 27 Stunden. Damit halten diese Lehrer schon jetzt mehr Stunden pro Woche als die Lehrer anderer Schularten in Bayern. Realschullehrer etwa halten 24 Stunden, Förderlehrer 26 Stunden und Gymnasiallehrer nur 23 Stunden. An jene gewandt, die meinten, die künftig 29 Wochenstunden für Grundschullehrer und die künftig 28 Stunden für Mittelschullehrer müssten doch zu schaffen sein, weist Nellen darauf hin, dass zu den Unterrichtsstunden ja nicht nur die Korrekturen dazukämen. Sondern auch Vor- und Nachbereitung von Stunden sowie zahlreiche Gespräche mit Eltern, Fachkollegen oder Behörden. "Ich kenne viele Kollegen, die sind zwölf Stunden pro Tag in der Schule".

Viele Lehrer glauben, dass die Entscheidung des Kultusministers ein falsches Signal setzt. "So wird man nur noch mehr junge Leute abschrecken und nichts erreichen!", kommentiert eine Pädagogin – eine von vielen –in der Facebookgruppe "Lehrerstellen in Bayern". Mit dieser Aktion schaffe man für junge Leute in der Berufsfindungsphase keine Anreize, den Lehrerberuf zu ergreifen, sondern schlage sie eher in die Flucht.
Kann man auf Lehrermangel auch anders reagieren?
Aber ist nicht Piazolos Entscheidung, das Wochendeputat der Lehrer zu erhöhen, angesichts des Lehrermangels sinnvoll und nachvollziehbar? "Auf keinen Fall", meint Gerhard Bless, der unterfränkische Vorsitzende des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Langfristig gesehen würde eine "bessere Personalplanung" helfen sowie eine konsequente Reform der Lehrerbildung. "In Bayern werden die Lehrer immer noch schulartenspezifisch ausgebildet. Andere Bundesländer bilden ihre Lehrer so aus, dass sie an verschiedenen Schularten eingesetzt werden können; damit ist man in Krisenzeiten flexibler", sagt Bless.
"Man sollte überlegen, ob man die Stundentafel für Schüler reduziert"
Gerhard Bless, unterfränkischer Vorsitzender des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands
Bless hat auch Kurzfrist-Vorschläge auf Lager: "Statt den Lehrern eine Zusatzstunde aufzubürden, sollte man überlegen, ob man die Stundentafel für Schüler nicht übergangsweise reduziert. Damit spart man auch Lehrerstunden ein", sagt Bless. Auch über "externe Spezialisten" für den Nachmittagsunterricht der Ganztagsschulen könne man nachdenken. Musik etwa könne ja auch ein Fachlehrer unterrichten.
Zeitpunkt der Ankündigung empfindet Verbandsvertreter als Affront
Was Bless aufstößt, ist die Art, wie Kultusminister Piazolo die Maßnahme verkündet hat. "Wir Bezirkspersonalräte haben eine Einladung für ein Gespräch mit dem Minister für den 14. Januar bekommen. Bei dem Gespräch sollte es wohl genau um das Thema Lehrermangel gehen." Wenn nun der Minister eine Maßnahme verkünde, bevor regionale Lehrervertreter dazu Stellung hätten nehmen dürfen, sehe er das als Affront, so Bless.
Sowohl Unterfrankens GEW wie auch der ULLV wollen ihren unterfränkischen Vertretern zufolge mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen gegen die Stundenerhöhung vorgehen. Die Arbeitsgemeinschaft bayerischer Lehrerverbände hat Piazolos Entscheidung als "dienstrechtlichen Sprengstoff" und "Sündenfall zu Lasten einer einzelnen Beamtengruppe" gebrandmarkt. Die vorgestellten Maßnahmen führten zu einem "großen Vertrauensverlust in den Dienstherrn".