Ich erwarte mir von heute Abend die grundsätzliche Einsicht, dass bei den Medien in Deutschland einiges im Argen liegt.“ Armin-Paul Hampel, einst ARD-Korrespondent und inzwischen Mitglied des AfD-Bundesvorstands, ließ die rund 350 Zuhörer im Audimax der Universität Würzburg schon zu Beginn der ersten „Würzburger Mediengespräche“ am Montagabend wissen, was er von der deutschen Presse hält. Der Begriff „Lügenpresse“ – Titel der von der Uni in Kooperation mit der Main-Post, dem Bayerischen Rundfunk (BR) und Vogel Business Media organisierten Veranstaltung – kam ihm dabei aber nicht über die Lippen.
Hampels Parteifreunde und selbst ernannte besorgte Bürger haben dagegen den Begriff, der sowohl im Dritten Reich als auch in der DDR kursierte, wiederbelebt. Für Professor Kim Otto, der an der Uni Wirtschaftsjournalismus lehrt, Grund genug, eine Podiumsdiskussion über Glaubwürdigkeit und Arbeit von Medien zu initiieren. Und dabei eckte Hampel mit seinen Gesprächspartnern immer wieder an.
Eberhard Schellenberger, Leiter des BR-Studios Mainfranken, betonte gleich zu Beginn, er habe in 38 Berufsjahren nie wissentlich gelogen. Auch Main-Post-Chefredakteur Michael Reinhard erklärte: „Wir steuern keine Themen in eine bestimmte Richtung. Glaubt jemand ernsthaft, dass es möglich ist, 150 festangestellte Redakteure und über 1000 freie Mitarbeiter auf Linie zu trimmen?“
Der Münchener Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann plädierte dafür, die Probleme der Medien, wie Zeitdruck, wirtschaftliche Einschnitte oder Einflussversuche durch Marketing-Strategen, von der Behauptung zu trennen, sie seien „von oben gesteuert“. Auch WDR-Redakteur Georg Restle betonte: „Der falsche Vorwurf ,Lügenpresse' verunmöglicht eine sachliche Debatte.“ Zwar seien die Angriffe auf die Meinungsvielfalt und -freiheit durch US-Konzerne wie Google und Facebook viel gefährlicher „als das Geblöke vom rechten Rand“. Dennoch nahm er danach Hampel ins Visier: Vor allem die AfD schüre die Stimmung gegen die Medien.
„Wenn man die Regierung kritisiert, dann lobt die AfD. Wenn man über die Zusammenhänge der AfD zu Rechtsradikalen berichtet, dann schallt es einem Lügenpresse entgegen“, so der „Monitor“-Redaktionsleiter.
Hampel widersprach seinen Vorrednern in mehreren Punkten. Die „Tagesschau“ manipuliere aktuelle Berichterstattungen mit Archivbildern; eine Karriere im Journalismus sei nur möglich, wenn man „entsprechend konfiguriert“ sei; über 70 Prozent der deutschen Redakteure seien laut einer Studie grün oder links eingestellt.
Diese Zahl brachte Restle auf die Palme. Die Studie, auf die sich Hampel regelmäßig beziehe, existiere so gar nicht. Die Zahlen seien vielmehr von einer rechten Internetseite „nach oben gerechnet“ worden, redete er sich in Rage. Reinemann bestätigte, dass die Zahlen falsch seien. Zudem habe eine Befragung unter Journalisten, wie sie ihr Medium politisch einordnen würden, ergeben, dass jeweils rund ein Drittel der Redaktionen in Deutschland politisch links, in der Mitte oder konservativ ausgerichtet ist. Hampel räumte schließlich ein, nur eine Zusammenfassung der erwähnten Studie zu kennen.
Nicht jeden Tag olympiareif
Doch auch die anwesenden Medienvertreter gaben Fehler zu. Nein, er sei nicht mit jeder Berichterstattung der ARD einverstanden, erklärte Restle. So habe man lange relativ wohlwollend über den Irak-Krieg der USA berichtet, obwohl dieser mit einer Lüge gerechtfertigt wurde. Für Fehler – auch in der Berichterstattung über den Ukrainekonflikt – habe sich die ARD mehrfach entschuldigt. „Eine direkte politische Einflussnahme findet aber nicht statt“, so Restle. Hampel warf dagegen insbesondere dem WDR vor, „aus politischen Gründen“ zunächst nicht über die Geschehnisse in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof berichtet zu haben. Vielleicht hätte man früher anfangen müssen, hier zu recherchieren, so Restle. Allerdings habe man sich schließlich die Zeit für gründliche Recherche genommen, während „AfD und Rechte“ im Internet „Öl ins Feuer gegossen haben“.
„Wir sind nicht jeden Tag in olympiareifer Form“, gestand auch Michael Reinhard Schwächen ein. Der Main-Post-Redaktion, die täglich bis zu 200 Zeitungsseiten in 16 Aussgaben produziert, passierten natürlich Fehler. „Aber wir lügen nicht.“ Reinhard stellte zudem fest, dass sich „die Qualität der Beschimpfungen“ gegenüber der Redaktion in den letzten Jahren „in nicht geahntem Ausmaß verschlimmert“ habe. Als Beispiel las er aus einem Leserbrief vor, dessen Schreiber sein Mitleid mit den ermordeten Journalisten des Pariser Satiremagazins „Charlie Hebdo“ bekundete. „Würde dasselbe in Ihrer Redaktion passieren“, schrieb der Leser an die Main-Post weiter, „hätte ich kein Mitleid.“
Hampel versuchte das zu relativieren. „Das Ansehen von Journalisten liegt noch unter dem von Politessen“, sagte er. Die Kommentare seien aber vor 30 oder 40 Jahren, als er selbst noch hauptberuflicher Journalist war, genauso gewesen. Jetzt bekämen solche Meinungen lediglich durch das Internet eine ganz andere Plattform und Reichweite.
Und was nehmen die Diskutanten aus dem Abend mit, wollte Vogel-Kommunikationschef Gunther Schunk, der die Veranstaltung moderierte, wissen? Reinhard und Schellenberger waren sich einig, dass Journalisten offener werden und ihre Arbeit besser als bisher erklären müssen. Verstummen werden die „Lügenpresse“-Rufe aber auch nach diesem Abend nicht.