In einem kleinen Dorf in Somalia im Jahr 2012. Cabdigani Ismail hat Angst. Angst um sein Leben. Angst davor, dass jeden Moment ein gegnerischer Clan ihn und seine Frau umbringen könnte. Er fasst einen Entschluss, der sein Leben verändert: Er flüchtet. Alleine, weg von seiner großen Liebe, seiner Heimat, seinen Erinnerungen. Was ihn erwartet ist eine Odyssee. Wenn Ismail, wie ihn jeder hier nennt, seine Flucht bis ins kleinste Detail nacherzählt, glaubt man kaum, was der junge Mann aus Somalia alles erleben musste. Als Zuhörer ist man gefesselt, kann sich kaum zwischen Staunen und ungläubigem Kopfschütteln entscheiden. Der 23-Jährige erzählt von langen Märschen in der Wüste, von der Gefangenschaft in Libyen, wo statt Recht und Ordnung die Gewalt vorherrscht. Und von der Irrfahrt auf dem Mittelmeer, bei der sich über 120 Menschen – darunter auch ein kleines Baby – auf ein Boot zwängten, das eigentlich für zwölf Leute ausgelegt war. Nicht jeder hat die lange Flucht überlebt, Ismail aber hat es. „Ich habe einen zweiten Atem bekommen“, sagt er.
Sein Deutsch sitzt
Die Ankunft in Deutschland war vor drei Jahren, heute lebt der Somalier in Würzburg und ist ein Beispiel dafür, wie Integration funktionieren kann. Er machte seinen Hauptschulabschluss, geht in den Deutschkurs und ist Auszubildender in einer Höchberger Logistikfirma. Während andere Asylbewerber in der Wohnanlage Party gemacht haben, ging er zum Lernen in die ruhige Moschee. Seine gesamte Fluchtgeschichte erzählt er auf Deutsch. Das ist zwar nicht perfekt, aber die Grammatik sitzt und Ismail findet für alles was er erzählen will die passenden Worte. „Doch, ich mag Deutschland, ich fühle mich wohl“, versichert er.
Ismails Frau auf der Flucht
Was ihm zu seinem persönlichen Glück noch fehlt, ist seine Liebe, denn seine Frau ist noch in Afrika. „Ich bin allein“, murmelt er traurig, lässt den Kopf fallen und wirkt weitaus emotionaler als bei der Nacherzählung seiner Fluchtgeschichte. Seit fünf Jahren haben die beiden kaum Kontakt miteinander. In somalischen Dörfern ist an Internet kaum zu denken und mittlerweile ist seine Frau auch gar nicht mehr dort. Von Erzählungen hat er mitbekommen, dass auch sie geflohen sei – über Kenia an einen für ihn nun unbekannten Ort. Ungewissheit, die ihn traurig stimmt.
Und eine Sache macht ihm ebenfalls zu schaffen: Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Für ihn und seine Freunde ist das unverständlich, denn Ismail tut alles, um in Deutschland integriert zu sein. Nun klagt er, um hier bleiben zu dürfen.
Beim Residenzlauf zu schnell
Trotz der ungewissen Zukunft hat der junge Mann Potenzial, es hier zu schaffen. Und Potenzial dazu, ein Topsportler zu werden. Als er nach Deutschland gekommen ist, spielte er in einer Mannschaft Fußball. „Mir wurde gesagt, dass der Teamsport besser für die Integration ist, weil man mit anderen zusammen spielt“, so Ismail. Doch mit der Zeit hat sich sein Talent in einer anderen Sportart gezeigt, denn der Somalier ist ein Läufer, ein sehr guter Läufer. Das konnte er vergangenes Jahr bereits unter Beweis stellen. Beim Residenzlauf 2016 lief er mit und war zu schnell – jedenfalls für die Kategorie, für die er angemeldet war. Er hätte dort schon bei den Assen mitlaufen müssen.

„Doch woher sollten wir wissen, dass er wirklich so außerordentlich schnell läuft“, fragt Annette Wolz scherzend. Sie wurde auf den Somalier aufmerksam und nimmt ihn seitdem unter ihre sportlichen Fittiche. Wenn sie von „ihrem Flüchtling“ erzählt, strahlt und lacht sie. Trotz vollem Terminkalender bis spät in den Abend, versucht sie alles, um Ismail so gut es geht zu unterstützen. Dafür nutzt Wolz ihr über die Jahre hinweg aufgebautes Netzwerk an sportlichen Kontakten. Ismail kann dadurch beispielsweise im Fitnessstudio trainieren. Denn ohne Unterstützung hätte es der 23-Jährige schwer, sich im Leistungssport zu verbessern. „Es fehlt einfach noch an Sponsoren, damit er neben seiner Ausbildung auch sein sportliches Talent weiter voranbringen kann“, sagt sie. Wolz geht es dabei nicht darum, einen „Vermarkter“ zu finden, wie ihn andere Topsportler aus Afrika haben. Sondern Sponsoren, die Ismails sportliche Karriere ein wenig vorantreiben könnten. Beim diesjährigen Residenzlauf hatte der Läufer aus Somalia nicht einmal eine Uhr, mit der er seine Zeit messen konnte. Von einem anderen Läufer bekam er eine geliehen.
Trainingspartner gesucht
Was dem jungen Mann aber ebenfalls fehlt, ist etwas ganz anderes. „Ich würde mir gerne jemanden wünschen, mit dem ich trainieren könnte“, so Ismail. Das ist jedoch nicht so leicht, denn afrikanische Läufer laufen anders als europäische. Im Moment holt sich der 23-Jährige beispielsweise noch Ratschläge aus dem Internet, um sich vor allem auf die Langstrecke vorzubereiten – Trainer dafür gebe es nämlich in Würzburg nicht, sagt Wolz.
„Mensch, Ismail, nun schau mal. Wir haben mit nichts angefangen und sind jetzt schon so weit gekommen“ Annette Wolz, Trainerin
An diesem Sonntag wird sich zeigen, ob sich das Training gelohnt hat. Ismail wird beim iWelt-Marathon mitlaufen. Es wird der erste Halbmarathon sein, den er in seiner jungen sportlichen Karriere läuft. Ob er aufgeregt ist? „Ja, weil auf zehn Kilometern habe ich Erfahrung, aber nicht bei so einem langen Lauf. Ich habe ja keinen Trainer, der mir permanent beim Lauf Tipps gibt.

Seine Trainerin Annette Wolz jedenfalls ist zuversichtlich, lächelt ihn an und sagt: „Mensch, Ismail, nun schau mal. Wir haben mit nichts angefangen und sind jetzt schon so weit gekommen“. Vor fünf Jahren ist Ismael noch weggelaufen. Vor Angst, Terror und der Ungewissheit, was mit seinem Leben in Somalia passieren wird. Beim Halbmarathon läuft er aber höchstens den anderen davon, denn sein Ziel ist klar: „Ich will Erster werden“, sagt er fest entschlossen. Doch mit dem Training nach dem Interview wurde es nichts. Ismail hatte Muskelkater.
Wichtige Informationen zum 17. iWelt-Marathon im Überblick Der Startschuss für den Marathon (42 km) und Halbmarathon (21 km) ist an diesem Sonntag vor dem Congress Centrum Würzburg (CCW). Um 9 Uhr geht es los. Dann heißt es für die voraussichtlich etwa 4000 Läufer, entlang des Mains und mitten durch die Stadt alles zu geben. Der Lauf findet seit 2001 statt. Er wird vom ehrenamtlichen Team des Stadtmarathon Würzburg e.V. unter Leitung von Günter Herrmann organisiert und hat sich als einer der teilnehmerstärksten Marathonläufe in Deutschland etabliert. Beeinträchtigungen gibt es im Straßenverkehr. Viele Straßen und Durchfahrten müssen in der Stadt gesperrt werden, weswegen es zwischen 7.30 und 15 Uhr am Sonntag zu Störungen im Straßenverkehr kommt. Wie Sie trotzdem am Sonntag Ihr Ziel erreichen, erfahren Sie unter einer eigens eingerichteten Telefon-Hotline: Tel. 0180 3 10 31 04 (9ct./min) Die Nummer ist heute bis 18 Uhr und Sonntag von 7 bis 14 Uhr aktiv. Im öffentlichen Nahverkehr gibt es ebenfalls Beeinträchtigungen und zahlreiche Fahrplanänderungen. Von 8 bis 15 Uhr pendeln die Straßenbahnlinien 4 und 5 zwischen Rottenbauer - Sanderring - Sanderau und zwischen Grombühl und Hauptbahnhof zu den fahrplanmäßigen Zeiten. Zwischen Sanderring - Hauptbahnhof und Zellerau verkehren stattdessen Omnibusse. Die Straßenbahnhaltestellen in der gesamten Innenstadt einschließlich der Stationen „Juliuspromenade“, „Ulmer Hof“ und „Congress-Centrum“ können (auch mit Omnibussen) nicht bedient werden. Die gesamte Innenstadt ist von 8 bis 15 Uhr nur fußläufig zu erreichen. Die Ersatzhaltestelle „Luisengarten“ wird in beiden Richtungen bedient. Im gesamten Stadtgebiet ist bei allen Parkeinrichtungen außerdem mit Behinderungen bei der An- und Abfahrt zu rechnen. Die innerstädtischen Parkhäuser können nur über die Koellikerstraße und Juliuspromenade erreicht und verlassen werden.