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Würzburg: Mediziner: Ab wann Sport der Gesundheit nicht mehr nutzt

Würzburg

Mediziner: Ab wann Sport der Gesundheit nicht mehr nutzt

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    Was können Sport und Sportmedizin wirklich? Darum geht es beim Kongress des Bayerischen Sportärzteverbandes, der in diesem Jahr erstmals in Würzburg stattfindet.
    Was können Sport und Sportmedizin wirklich? Darum geht es beim Kongress des Bayerischen Sportärzteverbandes, der in diesem Jahr erstmals in Würzburg stattfindet. Foto: Fredrik Von Erichsen, dpa

    Läufer leben länger lautet das Fazit einer aktuellen Analyse australischer Wissenschaftler. Neu ist das nicht. Dass Sport gesund hält, haben zahlreiche Studien belegt. Das Problem: "Der Begriff Sport wird oft falsch verstanden", sagt der Würzburger Kardiologe und Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes (BSÄV), Dr. Christian Rost. Statt um die Gesundheit gehe es immer mehr um Leistung, Druck und Wettkampf. Auch im Breitensport. Was aber können Sport und Sportmedizin wirklich? Darum geht es beim Kongress des BSÄV, der an diesem Samstag erstmals in Würzburg stattfindet. Ein Gespräch vorab.

    Frage: Sport ist gesund, das gilt als Binsenweisheit. Zu Recht oder braucht es ein "Aber"?

    Dr. Christian Rost: Grundsätzlich ist Sport gesund und Bewegungsmangel in Deutschland ein echtes Problem. Regelmäßiges, körperliches Training ist für Muskeln, Gelenke oder Organe positiv, es wirkt lebensverlängernd. Allerdings gibt es Erkrankungen, bei denen man mit Sport oder Bewegung vorsichtig sein oder darauf verzichten muss – etwa wenn man eine Herzmuskelentzündung hat oder Fieber. Insofern gilt: Sport ist gesund, aber es gibt ein "Aber" für Patienten. Und Extremsport wie beispielsweise Ultraläufe oder Maximalbelastungen in großer Hitze können gefährlich sein.

    Stichwort Extremsport. In einem Fachbeitrag dazu haben Sie angezweifelt, dass das wiederholte Herangehen an sportliche Grenzen noch gesund ist. Gibt es eine Höchstdosis Sport?

    Rost: Eine Höchstdosis kennen wir nicht. Was es gibt, ist eine Dosis, ab der Sport keinen gesundheitlichen Zusatznutzen bringt

    Eine Höchstdosis im Sport "kennen wir nicht", sagt der Würzburger Kardiologe und Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes, Dr. Christian Rost.
    Eine Höchstdosis im Sport "kennen wir nicht", sagt der Würzburger Kardiologe und Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes, Dr. Christian Rost. Foto: Karoline Glasow

    Wo liegt diese Grenze?

    Rost: Wenn man jeden Tag eine Stunde intensiv trainiert, kann das noch positiv sein. Über diese Stunde hinaus, sieht man keinen gesundheitlichen Nutzen mehr.

    Die WHO empfiehlt wöchentlich mindestens 150 Minuten moderate Bewegung.

    Rost: Drei bis fünf Mal pro Woche eine halbe Stunde lockeres körperliches Training hält gesund, so heißt es immer. Studien haben bewiesen, dass diese Vorgaben Erkrankungen vorbeugen oder das Risiko für zum Beispiel Herzinfarkte senken können. Das jedem Menschen zu empfehlen, ist jedoch viel zu pauschal. Der Eine schafft deutlich weniger, der Andere fühlt sich davon unterfordert.

    Hat Sport in unserer Gesellschaft generell zu viel mit Leistung zu tun – und zu wenig mit Gesundheit?

    Rost: Ja, das kann man so sagen. Der Begriff Sport wird oft falsch verstanden. In der Gesellschaft wird Sport häufig mit Leistungssport gleichgesetzt. Aber es ist wichtig, zu unterscheiden: Um gesund und fit zu sein, um Gewicht zu reduzieren oder Bluthochdruck vorzubeugen, braucht die Allgemeinbevölkerung körperliche Bewegung – keinen Leistungssport.

    "Sport hat einen kompetitiven Charakter", sagt der Würzburger Mediziner Dr. Christian Rost. Oft gehe es darum, die Leistung zu steigern oder gezielt auf einen Wettkampf (Archivbild Residenzlauf) hin zu trainieren.
    "Sport hat einen kompetitiven Charakter", sagt der Würzburger Mediziner Dr. Christian Rost. Oft gehe es darum, die Leistung zu steigern oder gezielt auf einen Wettkampf (Archivbild Residenzlauf) hin zu trainieren. Foto: Daniel Peter

    Wo liegt konkret der Unterschied?

    Rost: Sport hat einen kompetitiven Charakter. Es geht darum, die Leistung immer weiter zu steigern, oft auch gezielt auf einen Wettkampf hin zu trainieren – nicht darum, gesünder zu sein. Deshalb wäre Gesundheitssport der bessere Begriff.

    Wettbewerb, Leistung und Sport scheinen aber untrennbar verbunden. Aktuell zeigt sich das am Skandal um das Nike Oregon Project: Der Chef des umstrittenen Trainingszentrums für US-Eliteläufer ist wegen Verstößen gegen Anti-Doping-Regeln gesperrt worden; Sportlerinnen werfen ihm Misshandlungen für den Erfolg vor. Ist das ein Extrembeispiel oder Symbol für unser Verhältnis zum Sport?

    Rost: Das ist ein Symbol für falsch verstandenen Sport. Natürlich stehen bei diesem Beispiel wirtschaftliche Interessen dahinter. Es spiegelt aber auch die falsche gesellschaftliche Auffassung, Sport nur als Wettkampf zu sehen und immer mehr Leistung bringen zu müssen. Wobei die Bevölkerung hier aus meiner Sicht auseinander driftet: Der eine Teil bewegt sich immer weniger, der andere betreibt Sport zu ehrgeizig und erzeugt damit noch mehr Stress. Das sind Menschen, die sich schon fast in Burn-Out-Gefahr begeben, weil sie am Wochenende noch mehr Belastung statt Ruhe und Regeneration suchen. Das ist ein typisches Leistungsproblem unserer Gesellschaft.

    Sehen Sie als Sportmediziner, dass Verletzungen aufgrund von solch übersteigertem Ehrgeiz zunehmen? Etwa, wenn Läufer Medikamente nehmen, um trotz Schmerzen weiter trainieren zu können?

    Rost: Ja, natürlich. Der Körper sendet uns mit Schmerzen Signale, die wir hören müssen. Er warnt, hier werde ich überlastet, hier müssen Gelenke oder das Herz-Kreislauf-System geschont werden. Mit Schmerzmitteln oder gar Doping werden solche Signale ausgeschaltet und die Verletzungsgefahr steigt automatisch.

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    Sollten wir also beim Sport lieber einen Gang runter schalten?

    Rost: Wenn der Leistungsdruck überwiegt, dann sicher. Profisportler müssen natürlich bestimmte Ziele erreichen. Aber für die Allgemeinbevölkerung gilt: Regeneration gehört zum Sport dazu. Pausen und Erholung sind wichtig, damit der Körper besser wird. Übertraining hingegen führt dazu, dass man Leistung abbaut, obwohl man immer mehr trainiert.

    Ist der Leistungsdruck aus ihrer Sicht auch ein Grund für gewaltsame Attacken auf Fußballplätzen, wenn Spieler Schiedsrichter oder Trainer angreifen, wie jüngst beim Bundesligaspiel zwischen Freiburg und Frankfurt?

    Rost: Nach meiner Einschätzung stehen Leistungssportler natürlich massiv unter Druck, weil es dabei um viel Geld geht. Aber ich denke, es sind eher persönliche Charakterzüge, die dazu führen, dass jemand ausrastet. Es liegen keine Daten vor, dass Leistungsdruck bewirkt, dass sich die Leute immer ungehobelter benehmen. Ich denke, das ist ein ganz anderes gesellschaftliches Problem.

    Müssen wir Sport oder unsere Einstellung zum Sport neu denken?

    Rost: Wir müssen vor allem darauf achten, mehr Sport und Bewegung in den Alltag zu integrieren. Ohne Leistungsdruck. Treppen steigen und nicht mit dem Aufzug fahren oder mal per Rad oder E-Bike zum Supermarkt um die Ecke. Das ist nicht nur für die vieldiskutierte CO²-Bilanz gut, sondern auch für den eigenen Körper.

    Dr. Christian Rost leitet und organisiert den Kongress des Bayerischen Sportärzteverbandes gemeinsam mit Dr. Kai Fehske, Orthopäde und Unfallchirurg an der Uniklinik Würzburg, und Dr. Werner Krutsch, Orthopäde und Unfallchirurg in Nürnberg. Auf dem Programm stehen unter anderem Vorträge zum Sport im Alter, Training bei Krebserkrankungen oder Sport trotz Arthrose. Beginn ist um 9 Uhr im Hörsaal ZOM, Zentrum Operative Medizin, der Uniklinik Würzburg (Oberdürrbacher Straße 6, Haus A1/A2). Der Kongress richtet sich an Fachvertreter wie Ärzte, Physiotherapeuten oder Sportwissenschaftler; für sie ist die Teilnahme kostenlos. Anmeldung unter 0931 20137002 oder per Mail an hofmann_b7@ukw.de

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