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Mit den Augen ihr Leben erzählt

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    Birgit Hofmann ist am "Locked-in-Syndrom" erkrankt: In einer Lesung
stellte sie ihr Buch vor, das von der Krankheit handelt.
    Birgit Hofmann ist am "Locked-in-Syndrom" erkrankt: In einer Lesung stellte sie ihr Buch vor, das von der Krankheit handelt. Foto: FOTO ZORYIKU

    Würzburg (gizo) "Du bist am besten beraten, wenn du alles selbst machst." Scheinbar hat Birgit Hofmann früher alles selbst gemacht, so wie es ihrer Lebenseinstellung entsprach. Das geht in ihrem zweiten Lebensabschnitt nur bedingt. Denn seit einem Schlaganfall ist sie zwar geistig sehr fit, aber ein "menschliches Wrack", wie sie sich selbst schonungslos in ihrem Buch beschreibt. Misstrauisch, extrovertiert und dickköpfig sind weitere Attribute, mit denen sie sich selbst charakterisiert.

    Einen Eindruck davon bekam man bei einer Lesung in der Behinderteneinrichtung Arche am Heuchelhof. Hart, manchmal zu hart erscheinen manche Passagen. "Bei manchen Dingen habe ich auch gedacht, so können wir das nicht lassen, aber sie lässt sich nichts sagen", sagt ihre Betreuerin Sybille Postel später. Das Buch "Spaziergang. Ein Leben mit und ohne Locked-in-Syndrom", das im Sommer im renommierten Fischer Verlag in Frankfurt erscheint, soll einem besseren Verständnis ihrer Krankheit dienen.

    Aber: Die Autorin hat nicht versucht, sich anzubiedern oder Mitleid zu erheischen. Die Krankheit hat sie voll akzeptiert, das komme von ihrer positiven Lebenseinstellung. Aus jeder Situation das Beste machen, lautet ihre Devise. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, im ersten schildert Hofmann ihre Erfahrung als "menschliches Wrack", im zweiten Teil schreibt sie über ihr früheres gesundes Leben.

    Natürlich hätte sie alles auf ihrem Spezialcomputer schreiben können, aber das hätte zu lange gedauert, da sie für eine Zeile bis zu 20 Minuten braucht. Stattdessen hat sie ihrer Betreuerin Sybille Postel das Buch mit ihren Augen diktiert. Denn: Birgit Hofmann kann weder sprechen noch sich bewegen. Wer mit ihr reden möchte, stellt ihr am besten Fragen, die sie mit "Ja" oder "Nein" beantworten kann: Blinzeln bedeutet ja. Nach oben schauen bedeutet nein. Doch sie kann auch stöhnen. Und das tat sie öfter vor Freude an diesem Nachmittag. Da ging es zum Teil um ihren Flirt mit dem gut aussehenden italienischen Pfleger, ihre gescheiterte Schokoladendiät und den Wunsch nach einem pürierten Döner.

    Von einer auf die andere Minute gefangen zu sein im eigenen Körper - und sich beispielsweise nur durch Augenblinzeln verständigen zu können - das ist eine sehr kurze Beschreibung des "Locked-in-Syndroms". An dieser Krankheit leidet Birgit Hofmann seit 1997. Alles geschah in der Nacht von 21. auf 22. November 1997, einen Monat nach ihrem 32. Geburtstag. Mit Freunden war sie unterwegs. Auf dem Heimweg merkte sie, dass etwas mit ihr nicht stimmte.

    Zwar gelang es ihr, in ihre Wohnung zu kommen, aber dann ging nichts mehr. 60 Stunden, zweieinhalb Tage, lag sie dort - ohne zu essen. Ihre Bedürfnisse machte sie in die Bettdecke. Im Krankenhaus stellten die Ärzte das "Locked-in-Syndrom" fest. Die Ursache - vielleicht der Schlaganfall - wurde nie geklärt. Nach dem Krankenhausaufenthalt ging Birgit Hofmann für mehr als ein Jahr in Reha. 1999 kam sie nach Würzburg. Die Stadt, blinzelt sie, müsse noch rollstuhlgerechter werden. Hinsichtlich der Aufklärung der Gesellschaft über Behinderung meint sie, dass ein aufgeklärter Umgang noch in den "Kinderschuhen" stecke.

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