Auf den ersten Blick sehen alle gleich aus: sie haben pechschwarze Haare, einen dunklen Teint und sind exotisch gekleidet. Betrachtet man jedoch die Gesichter genauer, so scheint ein jedes seine eigene Geschichte zu erzählen. Diese handeln von Krieg, Verfolgung, Flucht, aber auch der Hoffnung auf ein neues Leben.
Die Geschichten sind unterschiedlich wie die Herkunft der Menschen: die rund 180 im St.-Josef-Saal versammelten Muslime sind aus dem Irak, Iran, Afghanistan oder aus dem Kosovo oder Kaukasus geflohen. Am Samstag haben sie sich zum Abschluss des dreitägigen Opferfestes auf Einladung der von der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio initiierten Bewegung „Menschen des Friedens“ getroffen.
Gemeinsam feierten sie das höchste islamische Fest. Für alle war die Asylbewerber-Unterkunft in der Veitshöchheimer Straße ihre erste Station in Deutschland. Das traditionelle Festessen besteht aus Reis mit scharfer Sauce und gebratenem Lammfleisch von einem geschächteten Tier. Nach deutschem Recht ist das Schlachten ohne Betäubung zwar verboten. Doch eine Ausnahmeregelung erlaubt dies aus religiösen Gründen.
„Das Fest haben frühere Flüchtlinge für Neuankömmlinge vorbereitet“, erklärt Ursula Kalb. Sie ist verantwortlich für die Flüchtlingsarbeit von Sant Egidio in der Gemeinschaftsunterkunft. Die Mitarbeiter bieten Sprachkurse an, beraten die Flüchtlinge. „Wir versuchen, die oft traumatisierten Leute aufzufangen und zeigen den Menschen, wie man in hier lebt“, sagt sie. Den derzeitigen Grundkurs besuchen knapp 50 Menschen aus 15 Nationen.
Auch für Ahad Abdul und seine Frau Schafiqa Ahadi aus der nordwestafghanischen Stadt Herat waren die Kurse eine der ersten Kontakte zu Deutschland. Ahad kam vor elf Jahren hierher, seine Frau folgte später mit den Kindern. Problemlos haben beide den Sprachtest für die Einbürgerung bestanden und besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft.
Die Geschichte, die das Ehepaar erzählt, ist eine Mischung aus Schicksalsschlägen und dem Willen durchzuhalten: bis 1999 arbeitete Abdul in gehobener Stellung im Außenministerium Afghanistans. Damals übernahmen die radikalislamischen Taliban schrittweise das Land. Als noch in der Sowjetunion zum promovierten Politikwissenschaftler ausgebildetes Mitglied der säkular und westlich gesinnten Volksdemokratischen Partei musste er das Land verlassen. Über Pakistan kam er nach Deutschland. Nach 41 Tagen war er als Flüchtling anerkannt.
Auch seine Frau Schafiqa Ahadi musste als Biochemikerin und Hochschullehrerin von einem Tag auf den anderen zu Hause bleiben. Heimlich unterrichtete sie weiterhin ihre beiden Töchter. „Es war Mädchen verboten, die Schule zu besuchen“, sagt sie. Heute studieren die beiden 21 und 24 Jahre alten Töchter Astro- beziehungsweise Elektrophysik.
In fließendem Deutsch erzählt Ahad Abdul, wie er und seine Frau in Deutschland ein neues Leben aufbauten, wie er in einer Gaststätte, seine Frau in einem Kleiderladen Arbeit fanden. Die Familie ist angekommen. Kritisch sieht Ahad die Einwanderungspolitik: beide Hochschulabschlüsse waren in Deutschland wertlos. „Wir haben nie einen Cent vom deutschen Staat erhalten und immer gearbeitet“, betont er. Der Wiederaufbau seiner Heimat Afghanistan stecke in einer „Sackgasse“. Frühere Mudschaheddin und Drogenhändler wie Leute um Präsident Karzai seien die falschen Ansprechpartner. „Die haben einfach ihre Bärte abgeschnitten und eine Krawatte umgebunden“, sagt Ahad.