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WÜRZBURG: Obdachlos bei sibirischer Kälte

WÜRZBURG

Obdachlos bei sibirischer Kälte

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    Bettler in Wertheim: Obdachlose sind bei der gegenwärtigen Kältewelle mehr als sonst auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen.
    Bettler in Wertheim: Obdachlose sind bei der gegenwärtigen Kältewelle mehr als sonst auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen. Foto: Foto: Frank Rumpenhorst dpa

    Es herrscht sibirische Kälte. Der harte Ostwind lässt die Menschen in ihren Schurwollmänteln und Daunen-Parkas schon frieren, wenn sie nach der Arbeit zum Auto laufen. Wo kommen bei diesen Temperaturen jene unter, die weder Arbeit noch Auto haben und auch kein warmes Zuhause? Wo schlafen jene, die sonst auf der Straße leben?

    „Wir nehmen die russische Kälte schon sehr zur Kenntnis. Wir richten uns auf Nächte ein, in denen wir niemanden abweisen“, sagt Werner Schühler, Sozialpädagoge bei der Männer-Kurzzeitübernachtung in der Wallgasse in Würzburg. Die von der Christophorus-Gesellschaft getragene Einrichtung beherbergt wohnungslose Männer normalerweise für sieben Tage; so ist es mit der Stadt Würzburg abgesprochen.

    Üblicherweise müssen die Obdachlosen danach weiterziehen. „Aber bei dieser Kälte nicht. Da wird dann aus einem siebten Tag auch ein achter oder auch ein zehnter Tag“, sagt Schühlers Chef, Michael Thiergärtner. Und das sei ja auch vollkommen richtig so.

    Überraschende Zahlen bei Belegungszahlen in der Männer-Kurzzeitübernachtung

    „Gefährlich werden die Temperaturen ja eigentlich schon ab fünf Grad plus. Gerade wenn die Leute alt oder körperlich krank sind oder geschädigt durch Alkohol oder Drogen“, sagt Günther Purlein, Geschäftsführer der kirchlichen Christophoros-Gesellschaft, die in Würzburg neben der Männer-Übernachtung auch die Bahnhofsmission mit einigen Frauen-Übernachtungsplätzen und eine Wärmestube unterhält.

    Zwar gebe es die „Profis“ unter den Obdachlosen – jene, die mit wind- und wasserdichtem Schlafsack und Isomatte ausgerüstet seien und mit einer Ausrüstung, wie sie auch Soldaten hätten, nicht erfrören. „Aber die Profis neigen nach Jahren auf der Straße dazu, sich einen Platz zu suchen, wo sie überwintern können“, sagt Purlein.

    24 Stunden am Tag offen - und im eiskalten Winter besonders lebenswichtig: die Bahnhofsmission in Würzburg.
    24 Stunden am Tag offen - und im eiskalten Winter besonders lebenswichtig: die Bahnhofsmission in Würzburg. Foto: Foto: Patty Varasano

    In Unterfranken biete etwa der Simonshof im Kreis Rhön-Grabfeld diese Möglichkeit; in Oberbayern gebe es mit der Herzogsägmühle sogar eine große dorfähnliche Struktur, die längerfristig auch Wohnsitzlose aufnehme. Der Umstand, dass die „Profis“ unter den Wohnsitzlosen im Winter weniger oft umherziehen, führt laut Purlein dazu, dass die Belegungszahlen in der Kurzzeitübernachtung in der Würzburger Wallgasse im Winter mit rund 230 Übernachtungen pro Monat etwas niedriger liegen als im Sommer mit 250 Übernachtungen pro Monat.

    Frauen können bei der Bahnhofsmission schlafen

    „Im Moment kommen vor allem junge Leute“, berichtet Thiergärtner, der Leiter der Männer-Unterkunft. 24 Schlafplätze bietet die Einrichtung, schon in den Tagen vor der angekündigten großen Kälte ist es hier „ordentlich voll“. Die jüngeren Männer, die bei ihm klingeln, stammten oft aus der Region Unterfranken – oft aus einer kleineren Ortschaft, in die sie nicht zurückwollten oder -könnten – nicht mit der Sucht, die sie haben, nicht mit der psychischen Erkrankung, die ihnen das Leben erschwert. „Für die Männer, die herkommen, sind wir oft die letzte Anlaufstelle“, sagt Thiergärtner.

    Manchmal muss die Polizei helfen

    Doch selbst im kältesten Winter gibt es den Experten zufolge auch Wohnsitzlose, die nicht zu bewegen sind, in eine betreute Übernachtungseinrichtung zu gehen – etwa weil sie Nähe nicht aushalten. Weshalb Purlein zufolge im Würzburger Bahnhof die Regelung, nach der Obdachlose dort nicht nächtigen dürfen, bei Eiseskälte seinen Angaben nach offenbar etwas laxer gehandhabt wird.

    Dem Geschäftsführer der Christophoros-Einrichtung ist es ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass auch die Bürger, die es sich leisten können, der Kälte in gefütterten Mänteln und Lammfell-Stiefeln zu trotzen, etwas für die Obdachlosen tun können. Dabei geht es Purlein gar nicht mal unbedingt darum, den Bettlern unter den Wohnsitzlosen – nicht immer ist beides deckungsgleich – zwei Euro in den Becher zu werfen oder ihnen eine warme Suppe zu spendieren. „Es geht drum, dass man hinschaut“, sagt Purlein.

    Warme Luft aus den Lüftungsschächten

    Manchmal legten sich Wohnsitzlose auf Lüftungsschächte großer Kaufhäuser oder Betriebe, weil es dort wärmer sei. „Und dann schlafen sie ein, liegen dort immer noch, wenn die Lüftung abgestellt wird und es eiskalt wird.“ Purlein appelliert an die Bevölkerung, in solchen Situationen zu helfen. „Am besten wäre es, zu der Person hinzugehen und sie zu rütteln und aufzuwecken.“ Aber wer einen Wohnsitzlosen weder ansprechen noch berühren wolle, der könne immer noch eines tun – nämlich die Polizei rufen. Dann könnten die Beamten helfen oder die Information weiterleiten.

    „Es ist auf keinen Fall falsch, in so einer Situation die Polizei zu rufen“, bestätigt Björn Schmitt, Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken. „Bei uns gab es noch nie einen Kältetoten“, sagt Günther Purlein. „Und das soll auch so bleiben.“

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