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Würzburg: Ohne Eltern: So feiern Kinder in einer Würzburger Jugendhilfeeinrichtung Weihnachten

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Ohne Eltern: So feiern Kinder in einer Würzburger Jugendhilfeeinrichtung Weihnachten

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    Eine Weihnachtsgeschichte begeistert die Kinder im Goldenen Kinderdorf.
    Eine Weihnachtsgeschichte begeistert die Kinder im Goldenen Kinderdorf. Foto: Silvia Gralla

    Das Wohnzimmer ist weihnachtlich geschmückt, ein großer Adventskranz hängt von der Decke  und auf den Tütchen des selbst gebastelten Adventskalenders prangen die Zahlen des jeweiligen Dezembertages. Mehrere Kinder verschiedenen Alters sitzen auf einem Sofa und freuen sich auf eine Weihnachtsgeschichte, die gleich vorgelesen wird. Es scheint alles fast wie in einer normalen Familie. Fast. Denn die Kinder leben nicht zuhause bei ihren Eltern, sondern im Goldenen Kinderdorf.

    Ein sicheres Zuhause geben

    Hier wohnen Kinder und Jugendliche, die aus verschiedenen Gründen nicht in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen können. Die Mädchen und Jungen zwischen drei und 19 Jahren werden dem Kinderdorf von den Jugendämtern in der Region anvertraut, wenn sich ihre Eltern nicht genügend um deren Wohl und Erziehung kümmern können, erklärt die Leiterin des Goldenen Kinderdorfs, Elke Becker. "Suchtprobleme, körperliche und psychische Gewalt im Familienumfeld, Misshandlungen und Notlagen in den Herkunftsfamilien sind oftmals Gründe, die diesen Schritt notwendig machen." 

    "Die Kinder brauchen eine neue Perspektive. Wir wollen ihnen hier ein Zuhause geben, in dem sie sich wohl und sicher fühlen", so Becker. Das Schöne: Statt in einem großen Wohnkomplex wohnen die Kinder, die pro Haus von einem fünfköpfigen Erzieherteam rund um die Uhr betreut werden, in vier aneinandergrenzenden Reihenhäusern - wie in einer Großfamilie. Jedes Haus hat ein eigenes Wohnzimmer, eine Küche und genügend Schlafzimmer. "Wir sind so gut integriert in den Stadtteil, dass wir kaum auffallen", meint Becker und lächelt.

    In der Vorweihnachtszeit wird gerne gebastelt.
    In der Vorweihnachtszeit wird gerne gebastelt. Foto: Kathrin Königl

    Ursprünglich wurde das Kinderdorf von der Würzburger Geschäftsfrau Margarete Popp nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Da es zu wenig Heime und auch Kinderdörfer gab, initiierte sie den Bau des Kinderdorfes, vor allem für die Waisenkinder des Krieges, darunter viele Geschwistergruppen. Die ersten zwei Häuser entstanden 1955. Für die zwei weiteren fehlte zunächst das Geld. Mit dem Jesuitenpater Johannes Leppich, der in Würzburg Altgold sammelte, nahm Margarete Popp Kontakt auf und erhielt aus dem Erlös des Altgoldes für den zweiten Bauabschnitt 20 000 DM. "So entstand der Name Goldenes Kinderdorf", erklärt Becker.

    Manche Kinder haben Kontakt zu den Eltern

    Gerade wird fleißig gebastelt, schließlich soll an Heiligabend alles perfekt sein. Auch das ein oder andere Geschenk wird kreiert. "Ich freue mich auf Weihnachten", sagt die 14-jährige Celina, die seit vielen Jahren im Goldenen Kinderdorf lebt. "Erst gehen wir in die Kirche, dann essen wir gemütlich, danach ziehen wir uns in unseren Snoodle-Raum (Anm. d. Red.: Ruhe- und Entspannungsraum) zurück und warten, bis das Glöckchen klingelt." Dann stürmen die neun Kinder eines jeden Hauses ins Wohnzimmer zum Tannenbaum, unter dem die Geschenke liegen. Je nach Wohngruppe und Tradition wird auch musiziert oder gesungen, bevor es ans Geschenke auspacken geht. "Es ist jedes Jahr wieder aufregend", sagt Becker. 

    Der zwölfjährige Rohit hat schon im vergangenen Jahr ein Gedicht auswendig vorgetragen, dieses Jahr will er sogar selbst dichten. Besonders freut er sich auf das leckere Weihnachtsessen: Gans mit Kroketten. Und natürlich auf die Geschenke: "Mein größter Wunsch ist ein Keyboard", sagt der musikbegeisterte Junge und seine Augen glänzen. Finanziert werden die Geschenke vor allem von treuen und langjährigen Spendern, "die das Kinderdorf immer wieder unterstützen", zeigt sich Becker dankbar. Darunter viele private Spender, aber auch ortsansässige Firmen. "Durch die ehrenamtliche Struktur des Trägervereins kommen Spenden direkt den Kindern und Jugendlichen zugute." Und Weihnachtswünsche können oft erfüllt werden.  

    Adventsstimmung bei Tee und Plätzchen, hinten Leiterin Elke Becker. 
    Adventsstimmung bei Tee und Plätzchen, hinten Leiterin Elke Becker.  Foto: Silvia Gralla

    Auch Rohits Bruder lebt im Goldenen Kinderdorf. Beide waren noch klein, als sie aus ihrer Familie herausgenommen wurden. "Wir haben fast keinen Kontakt zu den Eltern, da wurde Weihnachten nicht gefeiert", sagt der größere Bruder. Ein bisschen Enttäuschung schwingt in seiner Stimme mit. Andere Kinder haben - in Absprache mit der Einrichtung und dem Jugendamt - regelmäßige Kontakte zu den Eltern oder Großeltern und dürfen in den Ferien auch mal ein paar Tage dort verbringen. So wie Celina: "Ich gehe am ersten Weihnachtsfeiertag zu meinem Papa, das wird toll." Sie fügt hinzu: "Und danach freue ich mich wieder auf Zuhause." Zuhause ist in dem Fall das Goldene Kinderdorf. Eines der schönsten Komplimente, die Becker und ihr Team bekommen können. "Ja, unsere Kinder freuen sich  immer wieder zu uns zurückzukehren, fast wie in einer normalen Familie."    

    Heiligabend in der Gemeinschaft

    Dass an Heiligabend alle Kinder im Goldenen Kinderdorf bleiben, ist Becker besonders wichtig. "Wir leben hier zusammen und da finde ich es richtig, dass wir auch Heiligabend zusammen verbringen und das Gemeinschaftsgefühl stärken." Viele Kinder freuen sich sehr auf Weihnachten, "weil sie dies zuhause nie so schön erfahren haben". Andere, die erst seit Kurzem hier leben, seien aber auch traurig und verstört: "Wir versuchen auf sie einzugehen und sie aufzufangen." 

    Dabei hilft auch das Bindungskonzept des Hauses, das vorsieht, dass jedes Kind seine eigene Bezugsperson hat, die sich verstärkt um das Kind kümmert und Nähe und Vertrauen aufbaut. "Sichere Strukturen sind dabei ganz wichtig. Zumal wir zunehmend Kinder aufnehmen, die in ihrer Entwicklung erheblich beeinträchtigt sind und einen heilpädagogischen Platz benötigen", so Becker.  

    Advent, Advent, ein Lichtlein brennt....
    Advent, Advent, ein Lichtlein brennt.... Foto: Kathrin Königl

    Natürlich darf an Weihnachten in den vier Häusern auch mal länger aufgeblieben werden, erzählt Charlene Rüthlein, Sozialpädagogin und Gruppenleiterin von Haus 1. "Mir macht es Spaß mit unseren Kindern Weihnachten zu verbringen, deshalb arbeite ich auch in diesem Jahr am 24. Dezember. Es herrscht einfach eine ganz besondere Stimmung." Allerdings werde schon darauf geachtet, dass diejenigen Mitarbeiter, die selbst Familie und kleine Kinder haben, an Weihnachten frei haben können, so Becker. 

    Ab 25. Dezember gehen dann die Besuchskontakte los, aber eben längst nicht für alle Kinder. "Viele sind in den Ferien einfach hier, und wir unternehmen Ausflüge zum Beispiel ins Schwimmbad, auf die Eisbahn oder, wenn Schnee liegt, auch mal zum Schlittenfahren", sagt Rüthlein. Auch Monopoly und Uno stehen hoch im Kurs ebenso wie ein gemeinsamer Film, zum Beispiel Harry Potter. Meistens verbringe man zwischen den Jahren eine schöne, entspannte Zeit mit den Kindern, "da werden die Alltagsprobleme auch mal außen vor gelassen". Eine Silvesterparty ist dann der krönende Abschluss des Jahres. Während jedes Haus für sich einen eigenen Abend plant, treffen sich um 24 Uhr alle zum Feuerwerk vor der Tür, um das neue Jahr gemeinsam einzuläuten. 

    Das Goldene KinderdorfDas Goldene Kinderdorf ist eine heilpädagogische Jugendhilfeeinrichtung, in der Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen stationäre Erziehungshilfe angeboten wird. Als Kinderdorf in der Stadt ist es eingebettet in die Gartenstadt Keesburg, einer Wohnsiedlung im Frauenland. Als gemeinnützige Einrichtung, die derzeit 38 Kinder und Jugendliche beherbergt, gehört das Goldene Kinderdorf dem Caritasverband für die Diözese Würzburg e. V. als Mitglied an. Dennoch wird dringend Unterstützung benötigt, denn viele der Kinder können nicht in ihre Familien zurückkehren, sondern bleiben für mehrere Jahre in der Obhut des Kinderdorfes. Mehr Infos: www.goldenes-kinderdorf.deSpendenkonto: LIGA Bank Regensburg eG, IBAN DE04 7509 0300 0003 0055 00
    BIC: GENODEF1M05

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