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WÜRZBURG: Populisten: „Ein Stück weniger Empörung wäre hilfreich“

WÜRZBURG

Populisten: „Ein Stück weniger Empörung wäre hilfreich“

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    Philosoph Daniel-Pascal Zorn („Mit Rechten reden“, „Logik für Demokraten“) referierte im Dauthendey-Saal in der Stadtbücherei in Würzburg über Strategien im verbalen Austausch mit Rechtspopulisten.
    Philosoph Daniel-Pascal Zorn („Mit Rechten reden“, „Logik für Demokraten“) referierte im Dauthendey-Saal in der Stadtbücherei in Würzburg über Strategien im verbalen Austausch mit Rechtspopulisten. Foto: Foto: Daniel Peter

    Er setzt sich bewusst den Argumenten populistischer Akteure aus und mahnt zu einer Diskussionskultur ohne Schwarz-Weiß-Malerei. Eigenes Hinterfragen und Selbstkritik ist nach Ansicht von Philosoph Daniel-Pascal Zorn (36) im Umgang mit politischen Ansichten gefragt, die von den eigenen abweichen. Populisten ausargumentieren? Der in Bochum lebende Philosoph, Historiker und Literaturwissenschaftler hat 2015 mit einem Vergleich philosophischer Ansätze promoviert und mit den beiden Bänden „Mit Rechten reden“ und „Logik für Demokraten“ (beide 2017) auf sich aufmerksam gemacht. Wir sprachen mit Zorn am Rande einer Veranstaltung des Projektes „Zeit für Populismus?“ an der Würzburger Uni.

    Frage: Herr Zorn, reden wir zu wenig mit Populisten?

    Daniel-Pascal Zorn: Ich glaube, wir reden zu wenig miteinander. Das ist das Hauptproblem. Wir reden häufig zueinander – tragen vor, was wir selbst meinen. Aber das Miteinander-Sprechen, um die Positionen des anderen kennenzulernen – das machen wir eigentlich kaum noch. Und das stärkt Populisten.

    Populisten rechts wie links?

    Zorn: Ja. Populistisches Denken findet sich in jeder politischen Ausrichtung, links wie rechts, aber in verschiedenen Weisen. Auf der rechten Seite eher mit Argumenten, die sich auf Natur berufen. Auf der linken Seite eher mit Argumenten der Moral. Populismus ist in liberalen Positionen zu finden, etwa wenn es um Wirtschaft geht. Sie finden das Phänomen aber auch dort, wo Wissenschaft verabsolutiert wird. Bei anderen ist es die Gottesperspektive.

    Wollen Sie Rechte entlarven oder überzeugen?

    Zorn: Man muss das Angebot und den Versuch machen, zu überzeugen. Wenn das nicht klappt, dann kann man immer noch zeigen, wie der andere argumentiert. Entlarven kann ich nur, wenn jemand eine Larve aufhat, also wenn jemand eine Maske trägt. Darum geht es nicht, denn er kann ja seine Argumentation immer noch anders wählen. Es geht also nicht darum, jemandem die Maske herunterzureißen und zu zeigen, wie er wirklich ist, sondern sein Argument auf Stichhaltigkeit zu prüfen.

    Jetzt sagen viele, mit AfD-Leuten könne man nicht reden, sie seien nicht zugänglich. Kann man da scheitern?

    Zorn: Klar, Sie können auf verschiedene Weise scheitern. Sie könnten aber auch jenen, die noch nicht AfD-Anhänger sind und dem Gespräch genau zusehen, zeigen, wie man diese Argumentationen sachlich kontern kann. Und wenn man den AfD-Anhänger nicht erreicht, dann zumindest diese Leute.

    Oft werden ja bewusst Provokationen gesetzt, werden unbelegte Behauptungen aufgestellt und die Empörung ist schnell da. Empören wir uns zu viel?

    Zorn: Ein Stück weniger Empörung schon wäre hilfreich. Man muss verstehen, dass der andere genau diese Empörung bezweckt. Man sollte sie ihm nicht geben.

    Was ist die Alternative?

    Zorn: Fragen stellen. Sachlich die Behauptungen als solche ernst nehmen und sie gleichzeitig am Beweisanspruch festnageln. Das ist häufig viel wirkungsvoller, als wenn ich mit einer moralischen Grenzziehung agiere. Derjenige, der dogmatisch formuliert, versucht genau, diese Begründung zu vermeiden.

    Das heißt: Wer etwas behauptet, hat die Beweislast – und nicht umgekehrt.

    Zorn: Genau. Wenn jemand sagt „ich finde, dass…“, dann kann ich leicht kontern mit einem „Das interessiert mich nicht.“ Wenn aber jemand eine kategorische Behauptung aufstellt, im Sinne von „Das ist so!“ – dann kann ich jederzeit verlangen, dass eine Begründung dafür geliefert wird.

    Haben Sie den Eindruck, wir haben in der Debattenkultur generell ein Stück weit das Zuhören verlernt?

    Zorn: Ich glaube, wir haben verlernt zu akzeptieren, dass eine Debatte ergebnisoffen ist. Wie ziehen uns stark auf Positionen zurück, die wir für sicher halten – was in einem stark von Medien und Ideologie geprägten öffentlichen Diskurs wohl eine normale Situation ist. Trotzdem werden sie ja als Behauptungen vorgebracht. Man sollte sachlich damit umgehen.

    Welches Vorbild erleben wir dafür in den TV-Talkshows? Werden wir dadurch beeinflusst?

    Zorn: Ja. TV-Talkshows sind strukturell dumme Inszenierungen. Das Kriterium ist nicht, eine Einigung zu erzielen, sondern die Quote muss stimmen. Und die Quote stimmt, wenn ein Spektakel abläuft und die Leute sich die Köpfe einschlagen. Insofern ist das Vorbild der Talkshows ein sehr problematisches.

    Ein anderer starker Einfluss kommt auch über die sozialen Medien. Hat die Art der Kommunikation auf Facebook Auswirkungen auf unsere Gesprächskultur im realen Alltag?

    Zorn: Auf Facebook erleben viele eine Art Befreiung von dem, was sie im realen Diskurs erfahren. Anders als dort, wird im Netz nicht so schnell eine Grenze gezogen. Das wird häufig als eine Art moralfreier Raum betrachtet. Das kann aber auf der anderen Seite dazu führen, dass man provokative Positionen anhäuft und immer ständig wiederholt, weil es immer jemanden gibt, der sich darüber empört.

    Haken Sie auch auf Facebook sachlich nach, fragen nach?

    Zorn: Ja. Denn ein Diskurs ist immer das, was wir daraus machen. Wenn wir ihn anders führen, wird er auch von den Beobachtern so wahrgenommen. Insofern kann man durch eigenes Zutun die Diskussionskultur in den sozialen Medien auch verändern.

    Aber was tun, wenn sich jemand in der eigenen Frustration permanent als Opfer sieht und sich persönlich angegriffen fühlt?

    Zorn: Man kann dem anderen klar machen, dass es nicht um seine Person geht. Das kann man zumindest markieren für alle anderen, die den Diskurs mitverfolgen. Man sollte ein Argument – auch wenn man es nicht für richtig hält – ernst nehmen. Das ist eine Form der Anerkennung als Diskurspartner und er hat weniger Grund, sich persönlich angegriffen zu fühlen.

    Wieviel Einsicht braucht es für ein produktives Gespräch?

    Zorn: Vielleicht gar nicht Einsicht – aber die Offenheit dafür, dass der andere Recht haben kann – übrigens auch jemand, der sich als rechts bezeichnet. Solange ich ihm nicht unterstelle, dass er immer Positionen vertreten wird, die ich empörend finde, kann es sein, dass wir an irgendeinem Punkt übereinstimmen. Das bedeutet dann nicht, rechte Positionen salonfähig zu machen, sondern einen Ansatzpunkt zu finden, von dem aus ich solche Positionen kritisch betrachten kann.

    Wie geht es Ihnen generell mit der politischen Debattenkultur in Deutschland? Vermissen Sie den argumentativen Wettstreit der Ideen?

    Zorn: Ich glaube, dass sich die politischen Positionen auf einer bestimmten Ebene sehr angenähert haben. Wir erleben einen Pragmatismus, der darauf schielt: Was nützt der Wirtschaft? Was glauben die Leute? Solches Denken und Meinungsumfragen zerstören die scharfe Auseinandersetzung politischer Positionen – und die ist nötig, damit die Leute sich verschiedentlich repräsentiert sehen.

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