Mit einem Schlag gegen die Mafia sind Ermittler in Deutschland, Italien, den Niederlanden und Belgien gegen die italienische Mafia-Organisation 'Ndrangheta vorgegangen. Deutsche Schwerpunkte der Razzien waren das Rheinland und das Ruhrgebiet sowie der Großraum München. Nach Informationen dieser Redaktion schlugen die Ermittler auch in Unterfranken zu.
Dutzende mutmaßliche 'Ndrangheta-Mitglieder wurden bundesweit am Mittwochmorgen festgenommen, zahlreiche Wohnungen und Lokale durchsucht, wie das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden mitteilte. Im Osten des Großraums München wurden eine Pizzeria und eine Wohnung durchsucht, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Ermittlerkreisen erfuhr. Festnahmen gab es dort aber nicht.
BKA äußert sich nicht zu Aktionen in Unterfranken
Nach Angaben der italienischen Polizei wurden bislang 90 Menschen in Europa und in Ländern Südamerikas gefasst. Ihnen wird unter anderem Drogenhandel, Geldwäsche und die Zugehörigkeit zu einer Mafiaorganisation vorgeworfen. Die Europäische Justizbehörde Eurojust koordinierte die internationale Aktion mit dem Codenamen "Pollino". Sie sei das Ergebnis "einer intensiven gemeinsamen Ermittlungsarbeit, die im Jahr 2016 begann und europaweit koordiniert wurde". Medienberichten zufolge waren allein in Deutschland 240 Beamte des BKA und 200 Polizisten der Bundespolizei im Einsatz, darunter Spezialkräfte der Antiterroreinheit GSG 9. Hinzu kommen Hunderte Beamte der Landespolizeibehörden. Einer der Hauptverdächtigen, ein 45 Jahre alter italienischer Gastwirt einer Osteria aus Pulheim bei Köln, sei in seiner Wohnung verhaftet worden.

Wo genau in Unterfranken Durchsuchungen stattfanden und ob es dabei Festnahmen gab, dazu äußerte sich das zuständige BKA am Mittwoch auf Nachfrage nicht. Dass die Mafia allerdings auch in der Region aktiv ist, legten bereits vor einigen Jahren interne Papiere des BKA nahe: Auch kleinere Ortschaften in Unterfranken dienten der Mafia demnach als Aktions- und Rückzugsraum, hieß es. Insbesondere die Rhön und der Großraum Aschaffenburg standen im Fokus.
Mafia beschäftigt bayerische Behörden schon lange
Die kalabrische 'Ndrangheta gilt inzwischen als die mächtigste italienische Mafia-Organisation. Sie dominiert den Drogenschmuggel nach Europa und ist auch in Deutschland aktiv. So gingen die Mafia-Morde von Duisburg auf ihr Konto. Im August 2007 waren dort vor einer Pizzeria sechs Menschen erschossen worden. Ein Streit zwischen zwei Clans war der Auslöser für die Bluttat.
"Man hätte viel früher aktiv werden müssen."
Harald Schneider, ehemaliger SPD-Landtagsabgeordneter
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte am Mittwoch in München: "Die Mafia versucht überall an Einfluss zu gewinnen", etwa im Drogenhandel und bei der Schutzgelderpressung. Italienische Mafia-Aktivitäten in Bayern beschäftigten die Behörden schon seit Jahren. Entscheidend sei, dass Ermittlungen durch noch mehr internationale Zusammenarbeit weiter vorankommen.
"Man hätte viel früher aktiv werden müssen", sagt unterdessen der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Harald Schneider aus Karlstadt (Lkr. Main-Spessart). Der Ex-Polizist mahnte schon zu seiner Zeit im Maximilianeum: "Wir haben in Bayern ein Problem mit organisierter Kriminalität aus Italien." Nun spricht er gegenüber dieser Redaktion von einer "Gefahr, die man lange Zeit vernachlässigt hat".
Wichtiges Standbein in Deutschland
In Italien richteten sich die Augen am Mittwoch vor allem auf die Region um Reggio Calabria. Die Operation habe sich gegen verschiedene Mitglieder bekannter Clans gerichtet, die im Herzen der Region um Locri bei Reggio Calabria operierten. Aus dieser Gegend stammten auch die Täter der Mafia-Morde von Duisburg.
Seit langem warnen Ermittler in Italien davor, dass die 'Ndrangheta ein außerordentlich wichtiges Standbein in Deutschland hat. Im Sommer erklärte die nationale Anti-Mafia-Behörde, dass die kalabrische Mafia in Deutschland ähnliche Strukturen aufgebaut habe wie in ihrer Heimat. Deutschland, darunter der Hamburger Hafen, seien für den Drogenhandel von "besonderem Interesse" für die Clans.