Beinahe wäre das Erstlingswerk Tilman Riemenschneiders für immer auf dem Schutthaufen der Geschichte gelandet: Beim Neubau der neugotischen St. Peter und Paul-Kirche in Rimpar im Jahr 1854 blieben vom Vorgängerbau nur der spitze Echter-Turm und die Ritterkapelle im Turmsockel erhalten. Die insgesamt 14 Grabmäler der Grablege des Adelsgeschlechts der Grumbachs landeten im Bauschutt, darunter auch das von Eberhard von Grumbach.
„Zum Glück hatten das ein paar aufmerksame Menschen noch rechtzeitig bemerkt und sich mit einem Protest an Würzburg gewendet“, erzählt Wilma Samfaß, die auf den Spuren Riemenschneiders Führungen in Rimpar anbietet. Einige der Stücke wurden gerettet und sind heute wieder zu sehen. Nicht jeden freute das: „Wenn doch nur einer hinaufginge und den Ritter in 1000 Stücke schlüge“, ist dem Wortsinn nach ein Ausspruch das damaligen um die Finanzen der Pfarrei besorgten Kirchenpflegers überliefert. Im Falle des Gramschatzer Gnadenaltar von 1510 setzten sich die mit spitzem Bleistift kalkulierenden Zeitgenossen durch: Er wurde 1863 an das Welfenmuseum in Hannover verkauft.
Samfaß hat einen anderen Blick auf die Kunstwerke Rimpars. Als Gästeführerin ist es ihr Beruf, die Menschen aus dem Alltag zu ziehen und auf eben solche Besonderheiten in ihrer Umgebung hinzuweisen. Dabei gibt sie selber zu: „Mir geht es auch manchmal so.“ Das, was einem am nächsten sei, schätze man allzu oft nicht. Auch bei der Grablege des Eberhard von Grumbach sind es die kleinen Details, die den außergewöhnlichen Stellenwert des damals erst 27-Jährigen Künstlers erkennen lassen: Während die Denkmäler zur Linken eher etwas plump und gedrungen wirken, ist der Ritter handwerklich ausgesprochen fein gearbeitet. Selbst die Gürtelschnallen, die die Rüstung zusammenhalten, sind deutlich zu erkennen. Der Betrachter kann regelrecht mit den Augen das Leder erspüren, aus dem sie bestanden haben müssen.
Um 1487, als das Denkmal entstand, war die Kunst des jungen Riemenschneiders noch im Werden. Die „Beweinung Christi“ in dem Rimparer Ortsteil Maidbronn dagegen zeigt den Meister in seiner Vollendung. Hier empfiehlt Samfaß, in einer der Kirchbänke Platz zu nehmen und in aller Ruhe den Blick über die einzelnen Figuren schweifen zu lassen, über den Faltenwurf der Gewänder und vor allem die Gesichter.
„Man kann ihnen regelrecht den Schmerz und die Trauer über den Tod Jesu ansehen“, erzählt sie.
So etwas konnte kaum ein anderer Künstler seiner Zeit. Riemenschneider rückte den Menschen in den Mittelpunkt seiner Darstellung. Bereits kurz nach dem Bauernkrieg 1525 - der Bildhauer verstummte danach ganz - rückten wieder die religiösen Symbole in den Vordergrund. Der Mensch trat zurück ins zweite Glied. An einigen der jüngeren Grabmäler der Ritterkapelle ist deutlich zu erkennen. Das Zeitalter des Barocks, das sich um den Einzelnen wenig scherte, kündigte sich bereits an.
Doch Riemenschneider lockt bis heute. Von weit her kommen die Menschen: Ganze Busse mit Kulturreisenden auf den Spuren des Bildhauers halten in Rimpar und Maidbronn oder Pfarreien, die ihren Jahresausflug hierher verlegen, und natürlich viele Tagesausflügler auf Kurzbesuch. „Es gibt hier das erste und das wohl letzte Werk des Meisters“, weiß Samfaß. Genau an dem Ort, wo sie sich seit jeher befinden.