Die unruhig flackernde Lichtwolke am Nachthimmel verrät es aus der Ferne: Ein Gespenst geht um im Ort. Seit nunmehr sechs Jahren ist in Geroldshausen der Freitagabend vor Aschermittwoch fest im Griff des Narrenvolks und anderer nächtlicher Kreaturen. Nacht im Aufruhr. Ausnahmezustand. Schon an den Ortseinfahrten sind die Straßen gesperrt. Selbst die im Viertelstundentakt fahrenden Züge der Deutschen Bahn schleichen nur in Schrittgeschwindigkeit über die Gleise.
„Wer will, dass Leute kommen, muss auch was bieten“, erklärt Dieter Krämer, der den nächtlichen Faschingsumzug als Vorstand der hiesigen Freiwilligen Feuerwehr organisiert. Noch am Samstagabend, gerade vom Umzug der Eisinger Schneegänz zurückgekehrt, steht er deutlich unter dem Eindruck der Party vom Vorabend. „Als Vorstand ist man für alles da, vom Trockeneis an der Bar bis zum Toilettenwagen.“ Der ungewöhnliche Termin ist ein stückweit aus der Not geboren. Tagsüber herrscht im Kalender landauf, landab närrisches Gedränge. Der Freitagabend war noch frei. „Bisher war da tote Hose, das wollten wir ändern.“ Dabei stammt die Idee nicht von der Feuerwehr, sondern vom Sportverein. „Die hatten aber schon nach dem ersten Mal die Nase voll“, erzählt er. Die Partynacht der feierlaunigen Jugend war nicht ganz spurlos an Boden und Wänden der Sporthalle vorübergegangen.
Mit der Feuerwehr und ihrer Jugendorganisation steht nun jedoch eine schlagfertige Truppe hinter dem ausgelassenen Treiben. Strenge Regeln bilden das Salz in der Suppe: Die einzelnen Zuggruppen haben sich per Unterschrift verpflichtet, den Jugendschutz einzuhalten und die Musikanlagen nicht bis auf Maximum aufzudrehen. Sicherheit wird großgeschrieben. Die gesamte Jugendfeuerwehr ist im Einsatz, unterstützt von Kräften aus Moos und Albertshausen und einem sieben Mann starken Security-Dienst. Die einzelnen Faschingswägen sind mit Begleitpersonal sorgfältig gesichert. Die Gäste schätzen das. Jahr für Jahr kommen neue Wägen dazu. In diesem Jahr sind es bereits 20, die den Rundkurs durch den 1000-Seelenort nehmen.
Als wäre es nicht schon eindrucksvoll genug, wenn die Scheinwerfer der Riesentraktoren, die schon von weitem die Straßen ausleuchten, um die Straßenecke biegen, haben die eifrigen Fasenachter ihre Wagen zusätzlich geschmückt mit Lichtanlagen, bunten Leuchtgirlanden und Nebelwerfern. Dazu wummern die Bässe, ein Faschingsschlager nach dem andern lädt ein zum Tanzen. Besonders hoch her geht es in der engen alten Hauptstraße und auf dem kleinen Platz am Rathaus. Hier stehen wahre Menschtrauben. „Stimmung, Stimmung, Stimmung“, rufen einige der kleinen Kinder, die mit ihren Eltern auf Bonbons lauern. Auch Bürgermeister Josef Schäfer hat sich unters Narrenvolk gemischt. „Es ist ja nur einmal Fasching im Jahr“, steht ihm ins wohlwollend gerunzelte Gesicht geschrieben. Den Höhepunkt bildet der Schlusswagen, auf dem sich immer wieder von neuem ein von einem Luft-Gebläse in die Höhe getriebener, beleuchteter Sky-Dancer verrenkt.
Der Spuk dauert etwas mehr als eine Stunde. Die Wagen sammeln sich am taghell ausgeleuchteten Bahnhof. Die Feuerwehr lenkt die Besucher über die Bahnschranke ins nahe Industriegebiet. Dort ist die Maschinenhalle einer Steinbrecher-Firma Party-Zentrale. Gut 350 Leute feiern hier weiter, noch bis weit in die Nacht. Laut und mit Bass. Ruhig, als wäre nichts gewesen, liegen die Straßen da. Papiergirlanden, Konfetti und ein paar vergessene Bonbons sind die einzigen Spuren. Die Geroldshausener Jugend hat sich bereits für den Aschermittwoch angemeldet. Als Putzkolonne. „Wenn die Jugend will, dann kann sie“, weiß Dieter Krämer.