Auch eine Woche nach der großen Schülerdemo für den Klimaschutz, bei der mehr als 1000 Schüler durch Würzburgs Innenstadt gezogen sind, um für einen Kohleausstieg zu protestieren, gibt es noch Nachwirkungen. Etwa 20 Schüler haben sich nun zu einer Nachbesprechung der Streikaktion getroffen. Dabei kam heraus: Bei den bisherigen alternativen Maßnahmen der Schulleiter für das unentschuldigte Fehlen im Unterricht ist es nicht geblieben. Es wurden nun doch Verweise verteilt. 42, wie der Verweiszähler einer internen Whatsapp-Gruppe der Protestanten zeigt.
Denn während an den meisten Schulen die Rektoren zu milderen Maßnahmen gegriffen haben, hat der Schulleiter des Würzburger Friedrich-Koenig-Gymnasiums (FKG) kein Auge zugedrückt. "Unsere Eltern bekommen den Verweis am Montag nach Hause geschickt", erzählt Sophie R.. Die 15-jährige Schülerin möchte ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen, ihr ist es aber wichtig zu sagen, dass sie stolz darauf ist, sich für die Umwelt eingesetzt zu haben. Bislang scheint das FKG die einzige Schule in Würzburg zu sein, die ihre Schulschwänzer tatsächlich mit Verweisen bestraft. Der Schulleiter habe seine Entscheidung damit begründet, dass in Deutschland die Schulpflicht herrscht, so Sophie. Dennoch könne er es nachvollziehen, dass es wichtig sei, sich für das Thema einzusetzen. Jedoch nicht, indem man von der Schule fern bleibt.
Ob Verweis oder nicht: Jede Schule entscheidet selbst
Der Redaktion gegenüber wollte sich Marco Korn bislang nicht äußern. Und auch jetzt ist der Redaktion nicht gelungen, den Schulleiter zu erreichen. Doch Fakt ist: schon vor der Demo drohte Korn damit, jedem Schüler, der unentschuldigt in der Schule fehle, einen Verweis zu geben. Sein gutes Recht, denn wie bereits berichtet, sieht das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz ein Streikrecht für Schüler nicht vor. Doch sei jede Schule selbst verantwortlich, ob und wie sie ein mögliches Fernbleiben von Schülern ahndet, sagt Monika Zeyer-Müller, Ministerialbeauftragte für die Gymnasien und Vorsitzende in der Konferenz der Schulaufsicht.
Dieser unterschiedlichen Maßnahmenregelung steht Zeyer-Müller nicht kritisch gegenüber. "Da mischen wir uns nicht ein", sagt sie auf Nachfrage dieser Redaktion. "Wenn das Friedrich-Koenig-Gymnasium entschieden hat, Verweise zu verteilen, dann ist das halt so." Mehr könne sie hierzu nicht sagen.
Der Regierung von Unterfranken sind noch immer keine Maßnahmen wie Verweise bekannt geworden, wie Pressesprecher Johannes Hardenacke mitteilt. "Was jedoch nicht heißen muss, dass es keine gegeben hat. Wir haben keine Meldekette für so etwas."
Viele Schüler sind stolz auf ihre Verweise
"Wir haben einen Verweis bekommen, weil wir uns für unsere Zukunft einsetzen, das stört uns natürlich", sagt Sophie, auch im Namen ihrer Mitschüler. Für sie ist es der erste Brief nach Hause. Für einige ihrer Mitschüler jedoch nicht. Einige seien sogar nah an der Grenze zur Suspendierung. "Aber das ist es ihnen wert. Und mir auch!" Gemeinsam mit ihren Mitschülern habe sie beschlossen, die Verweise zu kopieren und sich über das Bett zu hängen.

Während vielen Eltern beim Wort "Verweis" die Haare zu Berge stehen, sehen Sophie's Eltern dem gelassen entgegen. Im Gegenteil: "Sie finden es gut, dass ich mich für meine Zukunft einsetze." Sie unterstützen ihre Tochter sogar bei ihrem Vorhaben. "Denn diejenigen, die die Umwelt momentan zerstören, werden später, wenn das alles Langzeitfolgen hat, eh nicht mehr leben. Ich aber schon!"
Während die Schüler des FKG schon ihre Zettel erhalten haben, sind die Maßnahmen für die schwänzenden Schüler des Siebold-Gymnasiums noch unsicher. "Unser Schulleiter hat jedenfalls auch im Vornherein mit Verweisen gedroht", sagt Schülerin Olivia Lambert. Genaueres werde Rektor Hermann Rapps, der telefonisch nicht zu erreichen war, aber erst bei einem Elternabend mit den jeweiligen Eltern besprechen. Die 15-Jährige ist jedenfalls der Meinung, dass "die Umwelt wichtiger ist als der Verweis." "Und die meisten, die einen bekommen werden, werden auch stolz darauf sein", spricht sie für ihre Mitschüler.
Dieser Redaktion liegt außerdem ein Verweis des Matthias-Grünewald-Gymnasiums (MGG) vor. "Grundsätzlich besteht Einvernehmen darüber, dass das Engagement der Schülerinnen und Schüler gerade auch für den Klimaschutz und damit zusammenhängende Inhalte erfreulich und begrüßenswert ist. Zugleich besteht jedoch Schulpflicht, auf deren Einhaltung die Schulen zu achten angehalten sind", heißt es darin. "Wir unterstützen auch als Schule nachhaltig das Anliegen Ihrer Tochter und werden die Thematik im Rahmen geeigneter Maßnahmen aufgreifen." Freitagnachmittag war von der Schulleitung des MGG niemand mehr zu erreichen.
Unterstützung von OB Schuchardt
Auch Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt hat sich mit einem Post auf der Social-Media-Plattform Instagram zu der Thematik zu Wort gemeldet. "Ich finde es klasse, dass sich Schüler zum #Klimawandel so engagiert äußern", schreibt er unter anderem. Schuchardt findet das Engagement der jungen Generation gut, sagt er auf Anfrage der Redaktion. "Idealerweise sollte man sich aber von einer Überschneidung mit Schulunterricht deutlich lösen und die Demos außerhalb der Schulzeit anmelden, dann kommen Schulleitungen auch nicht in die Zwickmühle einer Abwägung zwischen der Anerkennung des gesellschaftlichen Engagements und dem Blick auf die Schulpflicht."
Er habe Briefe an die SchülerMitVerantwortung (SMV) an Würzburger Schulen verschickt und möchte den jungen Menschen anbieten, die Schulen zu besuchen, um mit ihnen über das Thema zu sprechen.
Die nächsten Demos finden nach der Schule statt
"Bei einer Demo bleibt es natürlich nicht", kündigt Olivia Lambert an. Geplant seien für die nächste Zeit noch weitere Schulstreiks und Demos - diesmal jedoch außerhalb der Schulzeit. So fand auch an diesem Freitag um 13.30 Uhr am Vierröhrenbrunnen in Würzburg eine Kundgebung für eine "vernünftige, nachhaltige Klimapolitik" statt. "Wir müssen einfach weiter auf den Klimaschutz aufmerksam machen", so Lambert. "Dafür ist uns das Thema viel zu wichtig."