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Hanau/Würzburg: Schuster: Justiz muss bei Rassismus mehr Härte zeigen

Hanau/Würzburg

Schuster: Justiz muss bei Rassismus mehr Härte zeigen

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    Josef Schuster ist seit November 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
    Josef Schuster ist seit November 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Foto: Thomas Obermeier

    Einmal mehr ist Josef Schuster nach dem Terroranschlag von Hanau als Mahner gefragt. Im Interview mit dieser Redaktion kritisiert der 65-jährige Würzburger, der seit 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland ist, die Sicherheitsbehörden in Deutschland für eine "Sehschwäche auf dem rechten Auge". Außerdem fordert Schuster eine konsequente Verfolgung rassistischer und antisemitischer Straftäter. Allzu oft würden diese zu milde verurteilt.

    Frage: Herr Schuster, die Morde von Kassel und Halle sind erst wenige Monate her. Und schon wieder sprechen wir über eine rechtsextremistische Bluttat.

    Josef Schuster: Es ist unfassbar. Ein einzelner Täter, ein Rechtsterrorist, begibt sich in zwei Schischa-Bars mit dem Ziel, dort Menschen hinzurichten, nur weil sie einen Migrationshintergrund haben. Das ist eine "Qualität" von Terrorismus, wie wir sie im Nachhinein beim NSU gesehen haben, wo auch über Jahre hinweg gezielt Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden.

    Sehen Sie eine Verbindung zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, zum Anschlag auf die Synagoge in Halle?

    Schuster: Eine Verbindung insoweit, dass ich mir vorstellen kann, dass solche Täter und die Taten andere potenzielle Terroristen motivieren, ihnen nachzueifern. Dass dies hier der Fall war, dafür habe ich aktuell aber keine Erkenntnisse.

    Sie sprechen von einer "rechtsextremen Blutspur", die sich durchs Land zieht.

    Schuster: Ja, das ist so. Von Kassel über Halle nach Hanau … Das ist noch nicht das ganze Land. Ich glaube aber, dass sich so eine Tat leider überall im Bundesgebiet wiederholen kann.

    Sie werfen Polizei und Justiz vor, die Gefahr durch den wachsenden Rechtsextremismus sei verharmlost und vernachlässigt worden. Wie meinen Sie das?

    Schuster: Ich meine ganz konkret, dass es über Jahre hinweg zumindest eine Sehschwäche auf dem rechten Auge gab. Man wollte nicht sehen, was nicht sein darf. Man hat sich stark auf den Linksterrorismus konzentriert und dabei die Gefahren von rechts gar nicht auf dem Schirm gehabt. Nehmen sie die NSU-Mordserie, da hat es sehr, sehr lange gedauert, bis man dahinter kam, dass diese rechtsextremistisch motiviert war.

    Toten-Gedenken am Donnerstag in Hanau mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
    Toten-Gedenken am Donnerstag in Hanau mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Foto: Odd Andersen, afp

    Was muss besser laufen?

    Schuster: Die Sicherheitsbehörden müssen mehr Möglichkeiten bekommen, um verdeckt ermitteln und solche Anschläge im Vorfeld verhindern zu können. Die Freiheitsrechte sind ein hohes Gut, aber in dem Moment, in dem es um Menschenleben geht, muss man sich ernsthaft die Frage stellen, inwieweit eine Begrenzung der geheimdienstlichen Tätigkeit sinnvoll ist.

    Braucht es mehr Befugnisse zur Überwachung von Telefon- und Internetkommunikation?

    Schuster: Ja, auch das.

    Braucht es schärfere Strafgesetze?

    Schuster: Wichtiger ist, dass rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten, ich rede nicht nur von Mord, generell mit der vollen Härte der bestehenden Gesetze verfolgt werden. Und bei der Strafzumessung nicht immer krampfhaft nach entlastenden Motiven, einer schweren Kindheit etwa oder einer falschen Umgebung geguckt wird. Mitleid mit dem Täter ist bei solchen Taten das falsche Signal. Abschreckung funktioniert so nicht.

    Welche Verantwortung hat die AfD?

    Schuster: Aus Worten folgen Taten. Durch die AfD wird ein Klima geschaffen, das solche Straftaten zumindest in Gedanken begünstigt. Wenn ich jetzt Äußerungen von AfD-Vertretern höre, der Täter von Hanau sei kein Rechtsterrorist, sondern ein Irrer, dann macht man es sich sehr leicht. Ein solches Statement verhöhnt die Opfer.

    "Ein solches Statement verhöhnt die Opfer."

    Josef Schuster über Äußerungen aus der AfD, der Täter von Hanau sei kein Rechtsterrorist

    Viele Opfer in Hanau sind offenbar Muslime. In einem Papier, das beim mutmaßlichen Täter gefunden wurde, nennt er muslimische Länder und Israel in einem Atemzug als Völker, die "komplett vernichtet werden müssen".

    Schuster: Auch wenn die AfD heute immer nur mit dem Finger auf Muslime zeigt, bin ich überzeugt, wenn es passt, sind Muslime und Juden im Sprachgebrauch vieler AfD-Funktionäre identisch.

    Wie groß ist die Solidarität zwischen Juden und Muslimen in Deutschland?

    Schuster: An einem solchen Tag ist das Entsetzen groß, unabhängig davon, ob jemand jüdisch ist oder muslimisch. Das ist keine Frage nur der Solidarität von Juden und Muslimen. Bei einem rechtsextremistischen Anschlag sind Menschen kaltblütig ermordet worden. Da ist die gesamte Gesellschaft gefordert. Wenn SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vom Aufstand der Anständigen spricht, kann ich das nur begrüßen.

    Kann man nach diesem Terroranschlag noch Fasching feiern?

    Schuster: Auch wenn die Zeit schnelllebig ist, diese Tat wird nicht innerhalb von 48 oder 96 Stunden vergessen sein und man geht zur Tagesordnung über. Ich bin nicht so der große Faschingsfreak. Aber wenn ich am Wochenende etwas faschingsmäßig geplant hätte, könnte ich daran jetzt nicht mehr teilnehmen.

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