Ein Pilotprojekt der Stiftung Bürgerspital in Kooperation mit der Uniklinik Würzburg soll Senioren und Seniorinnen in Einrichtungen die Möglichkeit geben, Traumata aus ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten. Gefördert wird das Projekt vom bayerischen Gesundheitsministerium. So reiste Gesundheitsminister Klaus Holetschek zum Auftakt nach Würzburg und übergab symbolisch einen Scheck von 400.000 Euro an die leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals, Annette Noffz.
In Senioreneinrichtungen leben Menschen, die oft Erinnerungen an schwere, belastende Erlebnisse in sich tragen. Als Beispiel nannte Noffz Kriegs- und Nachkriegserlebnisse, Krankheit, Verlust von lieben Angehörigen oder auch sexuellen Missbrauch oder Gewalt in der Partnerschaft.

"Oftmals sind diese Erlebnisse nicht verarbeitet worden und kommen im Alter noch einmal an die Oberfläche, auch, wenn sie über viele Jahre nicht so präsent waren", erklärte sie. Das könne damit zusammenhängen, dass sich die Lebensbedingungen der alten Menschen von heute auf morgen ändern und körperliche Einschränkungen oder Abhängigkeiten hinzukommen.
Schwierige Situation für Angehörige und Pflegekräfte
Für die Angehörigen und auch die Pflegenden in den Einrichtungen sei das eine schwierige Situation. Einerseits merke man, so Elisabeth Richter, Leiterin der Abteilung Senioreneinrichtungen Bürgerspital, dass es den Menschen "seelisch nicht gut geht und sie etwas bewegt". Andererseits sei es schwierig an sie heranzukommen und zu helfen. "Unseren Pflegekräften tut es manchmal richtig weh, da zuzusehen", schilderte Richter.
Das Bürgerspital hat deshalb vor drei Jahren ein neues Projekt angestoßen, das es in dieser Art und Weise bayernweit noch nicht gibt: Eine Traumabehandlung von Senioren und Seniorinnen. Durch Corona sei das Projekt leider erstmal in den Hintergrund gerückt, am 1. November dieses Jahres wurde nun der Startschuss gegeben, erklärte Noffz und freute sich über die Förderung durch das Staatsministerium. Für diese hatte sich vor allem die unterfränkische CSU-Landtagsabgeordnete Barbara Becker (Stimmkreis Kitzingen) eingesetzt.

Durch das Projekt solle den Senioren und Seniorinnen wieder mehr Lebensqualität gegeben werden, so Noffz: "Denn sie bekommen Unterstützung, um vergangene Traumata aufzuarbeiten." Kommentaren wie "das lohnt sich doch bei solch einem alten Menschen gar nicht", wolle man gleich entgegen wirken, beschrieb Richter: "Es lohnt sich immer - egal in welchem Alter -, sich um die Psyche zu kümmern."
Zentrum für psychische Gesundheit der Uniklinik mit ins Boot geholt
Ins Boot holen konnte Stiftungsdirektorin Noffz als Partner auch Professor Dr. Heiner Vogel, den Leiter des Arbeitsbereichs Medizinische Psychologie und Psychotherapie im Zentrum für psychische Gesundheit (ZEP) an der Uniklinik Würzburg, der das Projekt mit einem Team wissenschaftlich begleitet. "Wir sehen, dass die seelischen Belastungen von alten Menschen zunehmen. Bisher gibt es bundesweit nur wenige Projekte in diesem Bereich und diese sind mehr auf Einzeltherapie ausgerichtet", erklärte er die Wichtigkeit des Vorhabens.

Staatsminister Holetschek betonte, froh zu sein, "mit dem Zentrum für Psychische Gesundheit ein bundesweit einzigartiges Institut als Partner aus der Wissenschaft gewonnen zu haben". Anlässlich der Scheckübergabe sagte er: „Ziel dieses wichtigen Projekts ist die Aufarbeitung von traumatischen Ereignissen von Bewohnerinnen und Bewohnern der Senioreneinrichtungen der Stiftung Bürgerspital. So soll ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden verbessert werden. Wir unterstützen die Stiftung dabei gerne mit einer Förderung in Höhe von 400.000 Euro.“
Auch Tiere können ein Türöffner sein
Zwei junge Psychologinnen - Sarah Niemann für das Bürgerspital und Julia Majewski für die wissenschaftliche Begleitung durch die Uniklinik - stellen das Team des neuen psychosozialen Dienstes. Zunächst werden die beiden schauen, welche Bewohnerinnen und Bewohner mit traumatischen oder anderen psychischen Belastungen eine psychotherapeutische Unterstützung brauchen.

In einem weiteren Schritt gehe es dann darum, diesen Menschen zu helfen, etwa durch eine Therapie, durch Gespräche oder vielleicht das Zusammenführen mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben, so Noffz. Auch Tiere, beispielsweise Hunde, könnten für manche Menschen ein Türöffner sein, um sich zu öffnen und das Leben wieder als schöner zu empfinden.
Zunächst ist das Pilotprojekt auf zweieinhalb Jahre angelegt. Nach einer Evaluierung sollen die gewonnenen Erkenntnisse auch weiteren Senioreneinrichtungen zur Verfügung gestellt werden oder in spezifische Ausbildungsgänge einfließen, so Noffz. In der letzten Projektphase ist auch ein Austausch mit Experten im Rahmen einer Fachtagung geplant. Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen sollen zudem in einem Leitfaden der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.