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WÜRZBURG: So religiös wird Weihnachten heute noch gefeiert

WÜRZBURG

So religiös wird Weihnachten heute noch gefeiert

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    In seinem Buch „Heiligabend. Ein Fest und seine Rituale“ zeichnet der katholische Würzburger Professor für Liturgiewissenschaften Guido Fuchs die Geschichte des Heiligabends nach. Eingeflossen sind unter anderem die Ergebnisse der Umfrage „Wie feiern Sie Heiligabend“, die er mit seinem Hildesheimer „Institut für Liturgie- und Alltagskultur“ vorgenommen hat. Ein Ergebnis: Viele der heute noch gängigen Heiligabend-Rituale gehen auf die protestantischen Hausandachten früherer Zeiten zurück. Auch das Vorziehen des Gottesdienstes und der Feier auf den Nachmittag und frühen Abend des 24. Dezembers, wie er im Gespräch erläutert.

    Frage: Herr Fuchs, kein ursprünglich religiöses Fest ist weltweit so beliebt wie Weihnachten. Weshalb?

    Guido Fuchs: Eigentlich ist ja Ostern das bedeutendere Fest – und bei den orthodoxen Christen wird dies auch noch mit großer Freude begangen. Aber tatsächlich wird Weihnachten inzwischen weltweit gefeiert oder das, was man dafür hält. Oft sind es ja nur die Dekos und die Geschenke, die an das Fest erinnern. Vielleicht liegt die Beliebtheit daran, dass sich mit Weihnachten auch allgemeine Motive verbinden lassen, die die Menschen berühren – wie Friede, Liebe, Familie.

    Feiert die Mehrheit denn heute noch den religiösen Kern des Festes, oder ist das nur eine Art „Hülle“?

    Fuchs: Man kann in die Menschen nicht hineinschauen. Und die Religiosität äußert sich unterschiedlich. Mehr Menschen als sonst nehmen an den weihnachtlichen Gottesdiensten teil. Die Gründe mögen verschieden sein, auch der Wunsch nach Besinnung und einem tieferen Sinn im allgemeinen Trubel. Aber gesamtgesellschaftlich fällt auf, dass das Äußere, der Dekor und das Drumherum, seit längerem immer wichtiger geworden sind.

    Sie schreiben in Ihrem Buch, vor allem Evangelische seien für die Weihnachtsriten verantwortlich. Inwiefern?

    Fuchs: Natürlich ist Weihnachten ein sehr altes Fest, es wird schon seit dem 4. Jahrhundert gefeiert. Aber mit der Reformation wurden doch noch einmal bestimmte Aspekte besonders betont: Man denke an die Lieder von Martin Luther, Nikolaus Hermann, Paul Gerhardt und manch anderer, die längst auch von Katholiken gesungen werden. Luther galt lange – fälschlicherweise – als „Vater des Christbaums“, weil ein alter Stahlstich ihn und seine Familie um einen Christbaum sitzend darstellte. In der Zeit der Reformation wurde der mitternächtliche Gottesdienst auf den Abend vorgezogen – was katholischerseits erst im 20. Jahrhundert möglich war. Und die typisch evangelische Hausandacht brachte diesen „Heiligen Abend“ dann auch in die Häuser und Familien.

    Die protestantische Hausandacht von damals ist also der „Vorläufer“ von Liedersingen und Bescherung?

    Fuchs: Weniger die Bescherung als vielmehr das gemeinsame Singen und Beten am Christbaum, das Lesen der Weihnachtsgeschichte, also des Weihnachtsevangeliums, die Rolle des „Hausvaters“. Selbst die Gedichte, die vielfach aufgesagt werden mussten und müssen, sind ursprünglich biblische Verse, die von den Kindern während der Adventszeit für die Andacht an diesem Abend gelernt wurden.

    Hat das dann auch die zunehmende Verlagerung des Weihnachtsfestes auf den Heiligabend mit ausgelöst?

    Fuchs: Der Heilige Abend, also der Vorabend, wurde so zum erlebnishaften Höhepunkt und Zentrum des Weihnachtsfestes. Interessant ist, dass die ursprünglich erste und älteste liturgische Feier, am Vormittag des 25. Dezembers – in der katholischen Kirche das „Hochamt“ – heute oft sehr schlecht besucht ist, jedenfalls viel schlechter als die Gottesdienste am 24. Dezember. Für viele ist der 25. mehr eine Nachfeier als das eigentliche Fest.

    Was spricht dagegen, dass sich Bräuche und Riten religiöser Feste mit der Zeit verändern und anpassen?

    Fuchs: Eigentlich nichts. Und ich konnte aus den Antworten auf meine Umfrage „Wie feiern Sie Heiligabend?“ auch sehen, dass sich die alte „Stille Nacht“-Traulichkeit vielfach zugunsten einer fröhlichen Feier auflöst – auch oft über den engen Kreis der Familie hinaus mit einem großen gemeinsamen Essen, auch mit Tanz und viel Musik. Und das ist ganz gut so. Denn der Heilige Abend war und ist vielfach mit Stress, Befürchtungen und unerfüllten Erwartungen verbunden. Da tut mehr Leichtigkeit ganz gut. Im übrigen greift man damit auch auf ganz alte Ausdrucksformen zurück. Die familiäre Innerlichkeit entstand erst relativ spät.

    Wer mit der religiösen Komponente nichts anfangen kann, sollte also besser ein säkulares "Fest der Liebe" feiern?

    Fuchs: Jedenfalls ist es besser, als ein religiöses Ritual aufrecht zu erhalten, nur um des Rituals willen. Vor allem, wenn es sonst kein Pendant im Jahr hat oder man mit der Religion nicht viel am Hut hat. Ob man dem einen Namen gibt, ist eine andere Sache; man soll Weihnachten feiern – aus Freude an der Feier, der Freunde, der Familie, an den Geschenken, im Denken an die Notleidenden: All das steckt ja in Weihnachten mit drin, auch wenn es nicht die Kernbotschaft ist. Die ist in ihrer paradoxen Aussage – Gott wird Mensch – für viele Menschen vielleicht auch nicht nachvollziehbar.

    Das klingt ein wenig kulturpessimistisch. Steht es wirklich so schlimm ums Weihnachtsfest?

    Fuchs: Ich denke so: Je mehr es sich verbreitet, umso dünner wird die Botschaft. Aber letztlich geht es um die Liebe, dass wir uns einander guttun und Gutes tun. Und das ist auch etwas wert.

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