Mit einem Thema, an das man bei ihnen nicht unbedingt als erstes denkt, sind die Würzburger Grünen in den Kommunalwahlkampf gestartet: Im ersten "Zukunftsforum" vor der Kommunalwahl am 15. März 2020 ging es mit OB-Kandidat Martin Heilig und Autor Richard Brox um soziale Teilhabe.
Über dieses Thema kann kaum einer besser sprechen als Richard Brox, der jahrzehntelang am Rande der Gesellschaft gelebt hat: Bevor der 55-Jährige aus Mannheim seine Biografie "Kein Dach über dem Leben" schrieb, lebte er 30 Jahre lang auf der Straße und wurde mit einem Blog im Internet zu Deutschlands bekanntestem Obdachlosen.

Brox ruft auf zu Begegnung auf Augenhöhe
"Jeder Mensch hat das Recht, Teil der Gesellschaft zu sein", sagte Brox vor gut 50 Zuhörern im großen Saal des Burkardushauses. Jede politische Partei habe die Aufgabe, Lösungen für soziale Probleme zu finden: "Ein Mensch, der nicht hungrig ist, kommt nicht auf dumme Gedanken. Deswegen ist es wichtig, Menschen, die in Armut leben, zu resozialisieren und in die Gesellschaft zu integrieren."
Der Sohn einer polnischen Jüdin macht dabei keinerlei Unterschiede nach Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung: "Jeder Mensch ist von Natur aus gleich. Niemand darf ausgegrenzt werden", betont Brox. Wenn Menschen rassistisch beleidigt oder angegriffen werden, "ist es wichtig, dass wir uns dagegen stellen. Jede Form von Hass und Hetze spaltet unsere Gesellschaft weiter."
"Es gibt auf den Straßen nicht nur Alkoholiker und Drogenabhängige."
Richard Brox, Autor, ehemals obdachlos
Soziale Teilhabe bedeutet für Brox unter anderem, dass die Menschen in ihren Stadtteilen aufeinander aufpassen und sich gegenseitig unterstützen. Auch den Ärmsten der Armen – nach jüngsten Schätzungen haben in Deutschland ungefähr 650 000 Menschen keine eigene Wohnung – sollte man ohne Berührungsängste auf Augenhöhe begegnen und sie direkt danach fragen, was sie brauchen: "Es gibt auf der Straße nicht nur Alkoholiker und Drogenabhängige", betonte Brox.
Warum Notunterkünfte Einzelzimmer brauchen
Er geht davon aus, dass in Deutschland etwa 100 000 Menschen freiwillig auf der Straße leben, statt in Notunterkünfte zu gehen, weil es ihnen in den dortigen Mehrbettzimmern zu gefährlich ist. "Es müssten Notunterkünfte mit Einzelzimmern geschaffen werden, damit sie sich sicher fühlen und auch etwas Privatsphäre haben", antwortete der 55-Jährige auf eine entsprechende Frage von Martin Heilig.
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Am Ende des ersten Zukunftsforums konnten sich die Besucher ihre Ideen in Arbeitsgruppen zu den Themen Integration, Teilhabe trotz Armut, Geschlechtergerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt einbringen.