Es hätte ein toller Urlaub in Deutschland werden sollen. Doch schon der Start war schwierig für das Ehepaar Hannelore und Basil Hobar aus Florida. Denn Hurrikan „Irma“ traf ihren Wohnort Naples mit voller Wucht. Sie überstanden das gefährliche Naturereignis in ihrem speziell gesicherten Haus.
Und als sie endlich fliegen konnten und in Würzburg ankamen, um die Kirche zu besuchen, in der sie vor 55 Jahren geheiratet hatten, mussten sie feststellen, dass diese einer gewaltigen Baustelle für ein Seniorenheim gewichen war.
Der Ort des Geschehens ist der neue Stadtteil Hubland, der ab April 2018 Schauplatz der Landesgartenschau sein wird. Dort, in den damaligen Leighton Barracks, haben die Würzburgerin und der Mann aus Pennsylvania 1962 geheiratet. In der Chapel auf dem Gelände der US-Army. Als sie damals nach der Trauung ins Freie traten, bildeten Offizierskollegen ein Spalier aus Säbeln.
Der Wunsch: Erinnerungsfoto in der Chapel
Um sich dieses wunderschöne Ereignis wieder vor Augen zu halten, reisten sie an den Ort des Geschehens. „Wir wollten schon zu unserem 50. Hochzeitstag nach Würzburg kommen, um ein Erinnerungsfoto in unserer Chapel zu machen“, sagt Basil Hobar. „Doch es hat sich da nicht ergeben“.
Wären sie mal besser bei ihrem ersten Plan geblieben, denn erst im August 2016 musste die Kirche den Plänen für einen neuen Stadtteil weichen. Die Bagger rückten an und rissen das Gebäude ab. Nun baut das Bürgerspital dort ein Seniorenstift. Und so wurde es vor wenigen Tagen nichts mehr mit dem schönen Bild in der Kirche.
Viel Staub und Baulärm
Wie geht es ihnen denn jetzt? Die Frage stellt die Redaktion vor Ort am Rottendorfer Tor inmitten des aufgewirbelten Staubes und des Baulärms. „Mich hat fast der Schlag getroffen“, gesteht Hannelore Hobar. Sie findet es schade, dass die Chapel unter den Bagger kam. „Wir waren seit unserer Hochzeit nie mehr in der kleinen Kirche.“
Basil Hobar sieht es etwas gelassener. „Ich habe von neuen Bauten in Würzburg gelesen. Und der neue Stadtteil ist eben Teil des Fortschritts.“ So reicht es nur für ein anrührendes Bild von den beiden, sich küssend im Schatten des Rohbaus des Seniorenstiftes.

Die beiden haben viel zu erzählen an diesem trüben Oktober-Vormittag. Hannelore Huber hieß die Ehefrau vor der Hochzeit. Sie wurde 1942 in Würzburg im Krieg geboren. Ihr Vater war Otto Huber, ein bekannter Würzburger Gewerkschaftsführer. Die Familie wohnte in der Sanderau und sie ging als Kind auf die Schillerschule.
Mit 15 unterfränkische Meisterin
Ihr Hobby: Hannelore Hobar war leidenschaftliche Schwimmerin beim Schwimmverein 05. Sie trat bei Wettkämpfen an und war mit 15 Jahren unterfränkische Meisterin. Auch im Wasserballett „Libellen“ nahm sie an einer deutschen Meisterschaft teil.
An eine Geschichte erinnert sie sich besonders gerne: „Bei der Eröffnung des Dallenbergbades im Jahr 1956 gab es ein Wettschwimmen und ich war im Becken dabei. Ich hatte im Wasser einen Löffel im Mund, auf dem ich einen Tischtennisball balancieren musste.“ Das Bild erschien damals auch in der Main-Post.
Wer so viel Wassersport betreibt und sich in Schwimmbädern aufhält, für den war es natürlich klar, dass man die Liebe seines Lebens auch im Umfeld eines Schwimmbeckens kennenlernt.
„Wir lagen im Dalle auf einer Decke, als mir ein großer Mann auffiel. Seine Freunde forderten ihn auf, mich anzusprechen“, erinnert sich Hannelore Hobar schmunzelnd. „Aber er war sehr schüchtern.“ Und wie hat Basil Hobar, damals First Lieutenant bei der Army in Würzburg, das erste Treffen erlebt?
Im Dalle kam die große Liebe
„Meine Freunde haben mich mehrfach auf das gut aussehende Mädchen aufmerksam gemacht.“ Dann nahm der US-Offizier seinen ganzen Mut zusammen und machte den ersten Schritt. Und war erleichtert, dass sie Englisch sprach. Das war 1961. Ein Jahr später gab es dann die Trauung in der Chapel in den Leighton Barracks.
Es folgte eine bewegte Zeit, erinnert sich Hannelore Hobar. „1963 zogen wir in die USA nach Virginia, denn mein Mann wurde versetzt.“ Mit Umzügen kennt sich die heute 75-Jährige aus. Während der aktiven Dienstzeit ihres Gatten musste die Familie 23 mal umziehen.
Kampfeinsatz in Vietnam
1965 musste Basil Hobar zum Kampfeinsatz nach Vietnam bei den Green Berets. In kleinen Kampfgruppen ging er hinter den Linien gegen feindliche Kräfte vor. Seine Gattin hielt sich in der Zeit mit ihren beiden Söhnen wieder in Würzburg bei ihrer Familie auf. Einige weitere Stationen in dem bewegten Leben waren Zweibrücken, München, Frankfurt und Washington. Der Offizier bereitete in der amerikanischen Hauptstadt unter anderem die Einführungszeremonie für den damals neu gewählten Präsidenten Ronald Reagan vor.

Nach seinem Abschied von der Army arbeitete Basil Hobar als Zivilist noch 14 Jahre als Verwaltungschef in einer Anwaltskanzlei, bis er sich 1999 endgültig ins Privatleben zurückzog.
Recherche für ein Familienbuch
„Mein Mann schreibt ein Buch für die Familie und dafür recherchiert er intensiv“, sagt die Würzburgerin. „Bei seinen Recherchen bezieht er auch die Militärgeschichte ein“. Und da stieß der ehemalige Offizier auf eine Begebenheit, die sich mit der Lebensgeschichte seiner Ehefrau kreuzte. Allerdings war sie zu dem Zeitpunkt erst drei Jahre alt.
Sie erzählt die Geschichte so: „Ich musste damals Würzburg vor dem 16. März 1945 verlassen und wurde gemeinsam mit meiner Schwester, die acht Jahre alt war, in das Kinderheim in Schaippach evakuiert. Und als wir dort waren, haben wir einen Angriff von Tieffliegern miterlebt. Die Erde, aufgewirbelt von den Maschinengewehrkugeln, flog uns um die Ohren. Meine Schwester behielt die Nerven und zog mich in Sicherheit.“
Kommando endet im Desaster
Viele Jahre später entdeckte ihr Mann dann den familiären Zusammenhang. Als sich seine künftige Ehefrau in Schaippach aufhielt, zog ein Kommandounternehmen der US Armee, geschickt von General Patton, dort hinter den feindlichen Linien vorbei nach Hammelburg. Deren Auftrag: Den Schwiegersohn von Patton, der in Hammelburg als Kriegsgefangener festsaß, zu befreien. Das Unternehmen wurde zum Desaster, die Truppe hatten große Verluste und Pattons Schwiegersohn wurde einige Tage später von regulären Einheiten befreit.
Mit etwas Wehmut im Gepäck verlassen die Eheleute jetzt Würzburg in dem Wissen, dass es niemals wieder ein Erinnerungsfoto in der Chapel geben wird.