Egal, ob jemand sich gegen einen Strafzettel wehrt oder gegen seine Kündigung, ob er seinen Bauantrag durchboxen will oder ob er straffällig geworden ist – selten kommt ein Bürger dem Staat so nahe wie vor Gericht.
Hier trifft er auf Richter, die geschworen haben, ihr Amt „getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, getreu der Verfassung des Freistaates Bayern und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen“. Vielleicht haben die Juristen an ihren Amtseid den Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ angefügt. Vielleicht haben sie diese „religiöse Beteuerungsformel“ auch weg gelassen.
Das ist irrelevant – und muss es auch sein. Genau wie eine eventuelle Parteizugehörigkeit, Sympathien für eine bestimmte Ideologie oder ihre sexuelle Orientierung darf die Religionszugehörigkeit von Richtern deren Urteile nicht beeinflussen. Sie müssen neutral sein. Das ist ein zwingendes Gebot des Rechtsstaatsprinzips, weil nur so Willkür in den Gerichtssälen vermieden werden kann.
Religionen sind aber immer willkürlich. Keine beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, nahezu jede erhebt einen Absolutheitsanspruch. Und alle behaupten, genau zu wissen, was richtig ist und was falsch. Dass da die Meinungen sehr weit auseinander gehen, zeigt die Geschichte – auch die jüngste: Was der Angehörige eines Glaubens für moralisch hält, kann für einen Andersgläubigen zutiefst verwerflich sein.
Es gibt in Deutschland keine Staatskirche, der Staat erklärt sich im Grundgesetz für weltanschaulich neutral und garantiert Religionsfreiheit. Deshalb darf gefragt werden, was ein Kreuz in einem Gerichtssaal zu suchen hat. Die Signale, die von diesem wichtigsten christlichen Symbol ausgehen, können fatal sein für den nicht christlichen Rechtsuchenden – egal, ob er Inländer ist oder Ausländer. Es kann der Eindruck entstehen, dass Gerichte christliche Gebote über irdische Gesetze stellen. Dass der Gott der Christen die höchste Autorität ist. Oder gar, dass Nicht-Christen anders behandelt werden als Christen. Dabei findet nichts von dem statt in deutschen Sitzungssälen, wo Urteile ausschließlich „im Namen des Volkes“ gesprochen werden.
Die deutsche Gerichtsbarkeit ist so gut, wie ein solches Konstrukt eben sein kann. In den Verhandlungen wird „Wahrheitsfindung“ betrieben und meistens ist das, was in den Entscheidungen „für Recht erkannt wird“ auch richtig. Ein Kreuz im Gerichtssaal stellt die Unvoreingenommenheit der Richter ohne Not in Frage. Und das haben sie nicht verdient.