Einmal Würzburg ohne sogenannte Sehenswürdigkeiten, bitte! Geht leider nicht, in einem Schaufensterfoto aus der Theaterstraße spiegelt sich doch die Residenz. Das macht aber nichts, denn trotz dieser kleinen Ausnahme zeigt Christoph Naumann-Zimmers vorläufige kleine Auswahl von rund 60 Würzburgbildern im Wesentlichen die andere Hälfte der Stadt, die ohne Postkartenmotive.
Seit Jahren spaziert der Folkwang-Absolvent durch die ganze Stadt, besonders gern durch die Nebenstraßen von Randlagen. Dort sucht und findet er unspektakuläre, aber leise beeindruckende Anblicke. Selbst wenn er ein ganzes vierstöckiges Haus erfasst, scheint er mit der Linse nah dran. Seine Fotografien wirken wie Mosaiksteine eines größeren Ganzen – jedenfalls wenn mehrere von ihnen in einer Ausstellung wie dieser zusammenkommen.
Grundsätzlich im Hochformat
Der hochreflektierte Künstler fördert das Spiel von Groß und Klein durch seine Grundsatzentscheidung für das Hochformat; denn wer in herkömmlichem Sinn "eine ganze Stadt" aufnehmen will, wählt ja doch eher ein möglichst breites Panorama. Und: Freundlich fällt das Gesamtpuzzle aus. Nicht harmonisierend, aber auch nicht so kritisch herausfordernd wie Reinhold Hilgerings "Stadtansicht: Würzburg", der legendäre Edition-Popp-Bildband von 1982. Die Ausstellung leitet zu größerer Aufmerksamkeit für und zu ruhigerer Hingabe an die Unscheinbarkeiten am Straßenrand an. Ohne den Beton zu geißeln.
Fast scheint es, als ob der studierte Europäische Ethnologe Christoph Naumann-Zimmer sich – anders als der schwarz-weiße Hilgering – für die Farbfotografie entschieden hätte, damit die feinen Farbunterschiede von Beton gut zur Geltung kommen. Durch den Verzicht auf den Schwarz-Weiß-Verfremdungseffekt rücken die Stadtbildausschnitte ihren Betrachterinnen und Betrachtern auf jeden Fall näher an Auge und Seele heran. Und noch eins ist auffällig: Wer einigermaßen ortskundig ist, kann sogar anhand beinahe abstrakt aufgenommener Architekturdetails häufig richtig raten, in welchem Stadtteil diese Fotografie von dem 40-jährigen Familienvater mit der jungenhaften Ausstrahlung aufgenommen wurde.
Von der Stadt finanziell gefördert
Naumann-Zimmer bezeichnet seine von der Stadt Würzburg finanziell geförderte Arbeit als work in progress. Ein solcher Status wird in der BBK-Galerie greifbar präsent: Der Fotograf plant, von der Veitshöchheimer Straße aus Expeditionen in Pleich und Zellerau zu unternehmen. Während der Öffnungszeiten kommt er zurück, sichtet die Ausbeute und druckt das Beste aus. Vor den Augen der Ausstellungsbesucher wird dann möglicherweise das eine oder andere Exponat gegen ein ganz neues ausgetauscht.
Die Gäste können sich aktiv an etwas Ähnlichem beteiligen: Etliche Motive sind auf kleine, standfeste Platten gedruckt und laden an der rechten Galeriewand jedermann und -frau dazu ein, eigene Anordnungen mit diesen ihren kleinen Stückchen Würzburg ausprobieren. Für den Berufsverband Bildender Künstler Unterfranken wird der Saal bis Pfingsten zu einem "Denk- und Schau-Labor zum Thema Stadt".
Die Ausstellung "Die ganze Stadt" ist zu erleben in der BBK-Galerie im Kulturspeicher, rechter Flügel, Oskar-Laredo-Platz, bis 19. Mai freitags und samstags von 15 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr.