Im Wahlkampf sorgte ein Plakat der Satirepartei “Die Partei” für Aufregung. Abgebildet war die Würzburger Kandidatin Andrea Kübert, wie sie den abgetrennten Kopf von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in die Höhe hält. Strafbar ist die Abbildung nicht.Das teilte die Würzburger Staatsanwaltschaft mit.
In der Bevölkerung stößt die Entscheidung teils auf Unverständnis. Online schrieben Leser beispielsweise “Komisch, das ist nicht strafbar?! Für Bürger und Kinder öffentlich sichtbare Gewaltdarstellungen.” oder “Mit der einfachen Erklärung gebe ich mich nicht zufrieden, wer zieht die Linie zwischen Satire und was ist Satire?” Im Interview erklärt der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun die Gründe für die Entscheidung der Staatsanwaltschaft.

FRAGE: Warum ist ein abgetrennter Kopf auf einem Wahlplakat nicht strafbar?
CHAN-JO JUN: An dieser Stelle ist die Begründung der Staatsanwaltschaft, es liege in Bezug auf die Darstellung von Gewalt, in diesem Fall keine Strafbarkeit vor, für mich im Ergebnis nachvollziehbar. Wenngleich die rechtliche Prüfung auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
Inwiefern?
JUN: Die Tatbestandsmerkmale, die es in beiden Fällen zu prüfen gilt, sind stark subjektiv geprägt. Heißt: auslegungsfähig. Nehmen wir beispielsweise den Paragraphen 131 Strafgesetzbuch - in dem es um die Darstellung von Gewalt geht. Hier müssten mehrere Tatbestandsmerkmale erfüllt sein. Erstens müsste das Plakat “verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich” gemacht werden. Das trifft mit Sicherheit zu. Doch beim Merkmal der “Gewaltdarstellung” wird es schon schwieriger. Wie die Staatsanwaltschaft richtigerweise argumentiert, ist nicht die Wirkung von Gewalt sondern deren Anwendung - also explizit die Darstellung der Handlung - strafbar. Wenn das “Ergebnis” dessen - in diesem Fall der abgetrennte Kopf - dargestellt wird, muss geprüft werden, ob die Anwendung der Gewalt aus der Darstellung schlüssig ableitbar ist. Dieser Punkt ist im Fall des Wahlplakates unsicher. Man weiß nicht sicher, ob, wann und wer Herrn Söder Gewalt angetan hat. Wäre jede angedeutete Darstellung von Gewalt strafbar, bliebe von der Filmindustrie beispielsweise nicht mehr viel übrig. Auch kann man sich durchaus darüber streiten, ob das Plakat Gewalt “verherrlicht” oder “verharmlost” wie es das Gesetz vorsieht.
Könnte es sich hierbei um eine volksverhetzende Darstellung handeln?
JUN: Auch hier liegt die Staatsanwaltschaft in ihrer Einschätzung meiner Meinung nach richtig. Im Gesetz heißt es, dass sich Volksverhetzung gegen einen “Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe” richten muss. Im konkreten Fall geht es jedoch um die Politik des Ministerpräsidenten und dessen Person, weniger um seine Zugehörigkeit zum Christentum. Das wäre jedoch im Sinne der “klaren Abgrenzbarkeit” Voraussetzung.
Kann man Kindern solche Gewaltdarstellungen in der Öffentlichkeit zumuten?
JUN: Hier besteht die Problematik wieder darin, dass kein “tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird”. Ein eindeutiger Verstoß gegen das Jugendschutzrecht liegt damit nicht vor.
"Wäre jede angedeutete Darstellung von Gewalt strafbar, bliebe von der Filmindustrie beispielsweise nicht mehr viel übrig."
Chan-jo Jun, Würzburger Rechtsanwalt
Dann schützt (angebliche) Satire vor Strafverfolgung?
JUN: Darauf kam es hier noch nicht an. Die Frage wie weit Satire gehen darf, beschäftigt die Justiz spätestens seit der Causa Böhmermann. Grundsätzlich ist die Kunstfreiheit - zum Glück - über den fünften Artikel des Grundgesetzes gewährleistet. Doch auch in der Kunst kann die Darstellung beispielsweise von Gewalt oder Pornographie strafbar sein. Satire kann in einigen Fällen Auswirkungen darauf haben, ob bestimmte Motive, die die Strafbarkeit begründen, gegeben sind. Hier sind Ansatzpunkte für Abwägungen.
Steht die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht exemplarisch für die Beliebigkeit der Rechtsprechung?
JUN: Nein, sie steht dafür, dass Äußerungsdelikte sorgfältig erklärt werden müssen, und das holen wir gerade hier nach. Gerade bei politischen Fragen hat es die Justiz schwer, jeden zu überzeugen. Aber die Entscheidung ist bei näherer Prüfung für Juristen nachvollziehbar und würde in den meisten Fällen ähnlich getroffen werden.
Wie könnte die CSU nun reagieren?
JUN: Grundsätzlich bestünde die Möglichkeit, weitere Rechtsmittel - beispielsweise eine sogenannte Gegenvorstellung - einzulegen. Dann würde der Sachverhalt durch die nächsthöhere Instanz - in diesem Fall die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg - erneut auf Strafbarkeit geprüft werden. Außerdem könnte Markus Söder Strafantrag wegen Beleidigung stellen oder zivilrechtliche Schritte wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten einleiten. Die Erfolgsaussichten dafür sind meiner Meinung nach unterdurchschnittlich, aber nicht aussichtslos.