Der Fall Maaßen stellt die SPD vor eine Zerreißprobe. Am Dienstag musste der Verfassungsschutzpräsident aufgrund seiner umstrittenen Äußerungen zu den Ereignissen in Chemnitz seinen Posten räumen, wurde aber gleichzeitig zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium befördert. SPD-Chefin Andrea Nahles hat die Entscheidung in einem Krisengipfel mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) offenbar mitgetragen. Dafür wird sie nun aus der eigenen Partei heftig kritisiert. An der Basis brodelt es.
Gerbrunns Bürgermeister: Schröder oder Schily wären kompromissloser gewesen
So schrieb etwa Stefan Wolfshörndl, Bürgermeister von Gerbrunn (Lkr. Würzburg), am Mittwoch bei Facebook: Unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) wäre Hans-Georg Maaßen „keine 60 Minuten nach seinen bewussten oder unbewussten Äußerungen mehr im Amt“ gewesen, unter Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) „keine 30 Minuten“. Wolfshörndl weiter: „Was macht Seehofer: Er befördert ihn. Und ,meine‘ SPD? Trägt diesen Mist auch noch mit. Liebe Andrea Nahles, deine nächsten Wahlplakate kannst du selber kleben.“ Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt Wolfshörndl, es sei an der Zeit „Tacheles zu reden“. Seit seinem Amtsantritt verschiebe Seehofer die Grenzen des Machbaren immer weiter, nun sei „eine Linie überschritten“.
Ebenfalls via Facebook äußerte sich der SPD-Vorsitzende in Schweinfurt/Kitzingen, Ralf Hofmann. Er nannte es einen Fehler, dass Nahles „offensichtlich zugestimmt hat“, dass Maaßen Staatssekretär wird. Formal sei es zwar korrekt, dass die Minister Personalentscheidungen in ihren Ressorts selbst treffen. In diesem Fall aber, „muss die Parteivorsitzende das Gefühl dafür haben, dass eine Linie überschritten wird“, so Hofmann. „Dieses peinliche Schauspiel eines (...) altersstarrsinnigen Ministers ist überreizt. Es kann keine, wie auch immer geartete Zusammenarbeit mehr mit diesem Mann in dieser Koalition geben. Dann muss die SPD gehen.“
Bayerische Jusos fordern GroKo-Bruch
Der unterfränkische SPD-Chef Bernd Rützel nennt die Vorgänge um Maaßen „eine absolute Katastrophe für alle, die Seehofer zu verantworten hat“. Für den Bundestagsabgeordneten aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart) ist Seehofer „absolut untragbar“. Wegen der regelmäßigen Querschüsse des Innenministers komme man nicht zum Regieren. Zwar nimmt Rützel Nahles in Schutz: Sie habe die Entscheidung „nicht verhindern können“. Gleichzeitig räumt er aber ein: „Von der SPD wird etwas anderes verlangt.“ Bei ihm hätten sich zahlreiche Menschen gemeldet, die nicht nachvollziehen können, wie man zu der Maaßen-Entscheidung kam. „Es gibt nun viel Diskussionsbedarf in der SPD und in der Regierung“, so Rützel. Man könne nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren.
Die bayerischen Jusos gehen einen Schritt weiter: Noch am späten Dienstagabend verschickten sie eine Pressemitteilung mit dem Titel „Koalitionsbruch jetzt!“. Die SPD-Jugend spricht darin über einen „faulen Kompromiss“, eine „erneute Bankrotterklärung der Sozialdemokratie“ und ein „Einknicken“ Nahles' gegenüber der Union. „Die Parteispitze trägt wieder ohne zu zögern die Machtspielchen der CSU mit, anstatt diese endlich klar in ihre Schranken zu weisen.“ Die SPD müsse „Konsequenzen ziehen und die Große Koalition verlassen“.
SPD-Wahlkämpfer haben ein Problem mehr
Demonstrativ stellen sich die Jusos hinter die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen. Die erklärte: „Ich fordere jetzt alle SPD-Mitglieder im Kabinett auf, gegen Maaßens Ernennung zu stimmen.“ Für die wahlkämpfende Bayern-SPD kommt der Streit um Maaßen zur Unzeit, erklärt die Schweinfurter Landtagsabgeordnete Kathi Petersen auf Nachfrage. Sie verstehe nicht, warum Nahles der Beförderung Maaßens zugestimmt habe.
Auch der Würzburger Landtagsabgeordnete Georg Rosenthal vermutet, „dass die Verärgerung bei potenziellen SPD-Wählern und Mitgliedern sehr groß ist“. „Sich auf Nahles einzuschießen“ findet er allerdings „nicht in Ordnung“. Seehofer unternehme „alles, um Merkel zu beschädigen“. Das könne die SPD nicht verhindern. Einen Ausstieg aus der Koalition lehnt Rosenthal ab. „Der Faden wird aber immer dünner und der Vertrauensverlust größer.“
SPD-Mann muss für Maaßen gehen
Was in der SPD für noch mehr Ärger sorgen dürfte: Mit Maaßen bekommt Seehofer in seinem Ministerium keinen zusätzlichen Staatssekretär mehr. Wie am Mittwoch bekannt wurde, muss für ihn ein SPD-Mann gehen: Gunther Adler. Er gilt als Experte für Bauen und Wohnen – Themen, die die SPD zuletzt forcierte.