Der Fall Maaßen ist so abwegig, skurril und aberwitzig, dass man sich für die Verantwortlichen eigentlich nur noch fremdschämen möchte. Leider wirft er aber auch ein Schlaglicht auf die derzeitige politische Verfassung in diesem Land, die von Unsicherheit, Chaos, Streit und Missmut beherrscht wird.
Maaßen bekommt mehr Macht und mehr Gehalt
Machen wir es uns noch einmal gegenwärtig. Da widerspricht der Leiter einer der Bundesregierung nachgelagerten Behörde in einer sehr sensiblen Frage der Bundeskanzlerin, ohne seine Aussagen belegen zu können. Bis heute kann der amtierende Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nicht erklären oder gar belegen, was ihn zu der Aussage brachte, die widerlichen Videos aus Chemnitz seien Fälschungen.
Und was passiert? Der Mann, den Bundeskanzlerin und der Koalitionspartner von der SPD in seinem Amt nicht mehr für tragbar halten, wird Staatssekretär im Innenministerium. Und wird damit sowohl in puncto Machtfülle, als auch vom Gehalt her befördert. Maaßen bleibt für die innere Sicherheit zuständig, nur eben jetzt als Mitglied der Bundesregierung. Einziger Vorteil: er kann Angela Merkel jetzt bei Kabinettssitzungen ins Gesicht sagen, was er von ihrer Flüchtlingspolitik hält und braucht nicht mehr den Umweg über die BILD-Zeitung.
Seehofer schickt Bauexperten in den Ruhestand
Schlimm genug? Nein! Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer legt noch einen drauf. Weil sein Ministerium mit acht (!) Staatssekretären eh schon die mit Abstand zahlenstärkste Führungsriege hat, muss einer der verbeamteten Staatssekretäre frühzeitig in den Ruhestand gehen. Es trifft ein SPD-Mitglied. Das wäre zu verschmerzen, schließlich hat SPD-Chefin Andrea Nahles dem faulen Deal zugestimmt. Mit Gunther Adler aber muss ausgerechnet der Spitzenbeamte gehen, der als ausgewiesener Baufachmann im „Ministerium des Innern, für Bau und Heimat“ gilt.
Und das zwei Tage vor dem großen Wohnungsbaugipfel, den Horst Seehofer schon im Frühjahr angekündigt hat, von dem er einen Ruck erwartet. 1,5 Millionen neue Wohnungen will die große Koalition laut Koalitionsvertrag in dieser Legislaturperiode schaffen – vor allem im bezahlbaren Segment. Selbst Experten aus den eigenen Reihen halten dies für ein „gewaltiges Vorhaben“, das nur sehr schwer zu realisieren sein wird. Den Gipfel am Freitag hat Gunther Adler vorbereitet, er ist im Thema, er hat Ideen entwickelt, jetzt wird der Gipfel zu seiner Abschiedsvorstellung.
Das ist dann wirklich der Gipfel. „Wir müssen zur Sachpolitik zurückkehren, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. „Dann fangt doch wenigstens mal damit an“, möchte man den Koalitionären zurufen. Eines der zentralen Themen der deutschen Politik – der eklatante Wohnraummangel in den Städten – wird der Beilegung eines kleinkarierten Streits geopfert.
Die Neuauflage der großen Koalition war von Anfang an keine Liebesheirat. Aber wenigstens eine Vernunftehe haben wir den bis dato größten Parteien diese Landes zugetraut. Doch auch die Vernunft scheint abhanden gekommen zu sein.
Die große Koalition macht die AfD erst richtig stark
Bravo, so macht man die AfD stark, die zumindest in den Hinterköpfen einiger Regierungsmitglieder schon mitzuregieren scheint. Denn was da in Berlin derzeit aufgeführt wird, ist Lebenselixier für die rechtspopulistische Partei. „Die da oben, wir da unten – der Staat tut viel für die Flüchtlinge, aber nichts für uns – Merkel ist nur im Ausland unterwegs und kümmert sich nicht um ihre eigenen Leute“: Solche Zitate hört man oft von Protestwählern. Verlustängste, Globalisierungsskepsis und das Gefühl individueller Ohnmacht nährt die Partei des „autoritären Nationalradikalismus“, wie der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer die AfD sehr treffend beschreibt.
Wenn dann die Bundesregierung ein derartiges Schmierentheater aufführt, Sachpolitik zugunsten persönlicher Gockeleien opfert, zu wirklichen wichtigen Themen keine Antworten präsentiert, sondern vor allem ein Bild der Zwistigkeiten, Sticheleien und Streitigkeiten abgibt, dann wenden sich immer mehr von den sie tragenden Parteien ab und finden leider zu oft ein Frustventil bei denen, die autoritäre Führung und einfache Lösungen versprechen.
Diese Regierung hat keinen Kredit mehr. Bei der nächsten hausgemachten Krise müssen sich alle Beteiligten fragen, ob sie dieses unwürdige Trauerspiel nicht besser ganz schnell beenden.