Was macht ein Erdöl-Geologe im Rübenlaster? "Spaß am Lkw-Fahren haben", sagt Magnus Kuhn. Seit er in Rente ist, fährt der Würzburger im Herbst Zuckerrüben vom nördlichen Unterfranken in die Zuckerfabrik nach Ochsenfurt. Als einer von 300 Fahrern der LMZ Zeil West, die zwischen September und Januar dafür sorgen, dass der Rohstoffstrom in der Fabrik nicht abreißt. 120 von ihnen haben jetzt auf dem Rübenhof der Fabrik ein Fahrertraining absolviert, um für die besonderen Anforderungen des Rübenfahrens gewappnet zu sein.
Auf schmalen, häufig verschmutzten und schmierigen Flurwegen sicher manövrieren, enge Durchfahrten richtig abschätzen, die Abläufe auf dem Rübenhof kennen - all das sind Herausforderungen an die Rübenfahrer, die Berufskraftfahrern normalerweise fremd sind, sagt Thomas Weißenberger, Fahrlehrer in Volkach und selbst Rübenfahrer. Hinzu kommt, dass die meisten der Fahrer nur während der Kampagne auf dem Bock sitzen - und das mit 27 Tonnen Zuckerrüben im Rücken.
Üben für die Praxis
Seit zwei Jahren stellt die Südzucker AG ihren Rübenhof als Übungsparcours zur Verfügung. An einer engen Kurve versucht einer der Fahrer, rückwärts zu manövrieren. Zwei Kollegen weisen ihn ein. "Die Kurve ist etwas knifflig, weil sie hinten enger wird", sagt Roland Dömling aus Münnerstadt. Als Vorstandsmitglied der LMZ ist er Mitorganisator des Kurses. An einer anderen Station sind Warnbaken rechts und links der Fahrspur aufgestellt. Die Fahrer müssen abschätzen, ob die Breite zur Durchfahrt reicht. Auch rückwärts einparken mit dem Sattelzug wird geübt. An einer anderen Stelle erfahren die Kursteilnehmer, wie man sich bei kleinen Pannen behilft oder wie die Onboard-Einheit für die Mauterfassung richtig bedient werden muss. Eine Gruppe schließlich schwitzt zur gleichen Zeit im Theorieteil des Kurses.

Die Schulungen sind vom Landratsamt als regelmäßige Pflichtbelehrung für Berufskraftfahrer anerkannt. Die Teilnehmer könnten dazu auch eine Fahrschule besuchen. Die LMZ hat sich entschlossen, eigenen Wege zu gehen und dabei vor allem die Praxis in den Vordergrund zu stellen, sagt Roland Dömling. Die Südzucker AG unterstützt dieses Engagement. "Die Leute haben einen Riesenvorteil, weil sie sich auf dem Rübenhof der Fabrik auskennen und gezielt die Besonderheiten beim Rübenfahren üben können", sagt Simon Vogel von der Rübenabteilung des Ochsenfurter Werks.
Besondere Gefahren beim Rübentransport
Die Arbeit ist nicht ungefährlich. Während der Kampagne sind die Fahrer rund um die Uhr zwischen Acker und Fabrik unterwegs. Gerade nachts kann es leicht passieren, dass man vom schmalen Flurweg abkommt und von der schweren Last in den Graben gezogen wird. In den zurückliegenden Jahren ist hin und wieder auch ein Rübenlaster umgekippt, weil der Fahrer in der Kurve die Trägheit seiner Fracht unterschätzt hat.

Inzwischen sind die 24 eigenen Fahrzeuge der LMZ Zeil West und auch die neun Zugmaschinen, die jedes Jahr dazugemietet werden, mit Abstandsregler, Notfallassistent und anderen Sicherheitssystemen ausgerüstet, so Roland Dömling. "Gerade für ältere Fahrer, die das nicht gewohnt sind, ist die Schulung wichtig." Gleichzeitig sollen sich die Fahrer bei den Kursen aber auch untereinander besser kennenlernen. "So eine Schulung schweißt die Leute zusammen", sagt Dömling, und nimmt Hemmungen, bei einem Problem einfach mal einen erfahrenen Kollegen zu fragen.
Zwei Millionen Kilometer unterwegs
LMZ steht für Landwirtschaftlich Maschinengemeinschaft der Zuckerrübenanbauer. Die LMZ Zeil West ist eine von drei bäuerlichen Genossenschaften, die in eigener Verantwortung den Zuckerrübentransport zur Fabrik abwickeln. Aus dem Einzugsgebiet zwischen dem nördlichen Landkreis Würzburg und Ostheim vor der Rhön wurden 2018 rund 17 000 Lieferungen mit insgesamt 460 000 Tonnen Zuckerrüben nach Ochsenfurt gebracht, so Vorstandsmitglied Roland Dömling. Die Fahrzeuge legten dabei eine Strecke von rund zwei Millionen Kilometern zurück. Insgesamt sind für die Transportgenossenschaften 750 Fahrer im Einsatz. 57 000 Lieferungen wurden 2018 in Ochsenfurt angenommen, wie Simon Vogel mitteilt.
Die berufliche Bandbreite der Fahrer, die sich alljährlich zur Verfügung stellen, reicht von Landwirten über ehemalige Busfahrer bis zu Privatleuten, die gerne Laster fahren, sagt Roland Dömling. So wie Magnus Kuhn, der vor Jahrzehnten seinen Lkw-Führerschein gemacht hat und nach der Rente Lust bekam, sich wieder für einen überschaubaren Zeitraum hinters Lenkrad zu setzen. Am liebsten ist er in der Nacht unterwegs. Wenn er dann zu einem Rübenacker fährt und die Lademaus hell erleuchtet aus der Dunkelheit auftauchen sieht - "das hat eine ganz eigene Ästhetik", schwärmt er und kann es kaum erwarten, dass die Kampagne im September wieder losgeht.