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Würzburg: Wie ein Isländer in Würzburg seine "Jungs" feiert

Würzburg

Wie ein Isländer in Würzburg seine "Jungs" feiert

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    Er hat gut lachen: Der Wahl-Würzburger und Psychologe Sigmar Karlsson feiert den überraschenden Erfolg seiner isländischen Elf.
    Er hat gut lachen: Der Wahl-Würzburger und Psychologe Sigmar Karlsson feiert den überraschenden Erfolg seiner isländischen Elf. Foto: Foto: Theresa Müller

    Sie haben das Unmögliche geschafft und singend und klatschend Geschichte geschrieben: Die isländische Fußballnationalmannschaft hat England im Achtelfinale besiegt – und das, obwohl sie noch nie zuvor in der Endrunde eines großen Turniers stand. Ganz Island steht seit Beginn der EM Kopf – und auch in Würzburg feiern die vier gemeldeten Isländer die Überraschung. Psychologe Sigmar Karlsson spricht über die Euphorie auf der Insel, die Gemeinsamkeiten zu Unterfranken, und verrät, wie viele Nationalspieler er persönlich kennt.

    Frage: Herr Karlsson...
    Sigmar Karlsson: ...Moment. Wenn wir dieses Interview machen, dann auch auf die isländische Art.

    Das bedeutet?
    Karlsson: Wir kennen und duzen uns alle. Ich bin Sigmar.

    Ok Sigmar, wie geht's deiner Stimme?
    Sigmar: Wieder gut. (Lacht) Ich habe es ehrlich gesagt nicht geglaubt, dass wir es schaffen. Nach dem 0 zu 1 dachte ich, dass es vorbei ist. Aber mit welcher Wucht die da zurückgekommen sind, das war unglaublich. Das hat mich verblüfft. Ich freue mich so sehr, welche unglaubliche Stimmung das Spiel in Island in der Bevölkerung auslöst.

    Die Bilder aus Reykjavík, der Hauptstadt Islands, zeigen pure Euphorie. Ist das ganze Land im Freudentaumel?
    Sigmar: Ja, ich habe heute Morgen schon mit meiner Schwester telefoniert. Alles hängt mit Fahnen voll, das Public Viewing mussten sie verlegen, weil so viele Leute gekommen sind. Die Isländer haben ja nicht oft im Sport auf internationaler Ebene etwas erreicht, höchstens im Handball. Aber im Fußball bislang nie.

    Du bist ja Psychologe. Was würdest du einem englischen Spieler raten, der sich auf deine Couch setzt?
    Sigmar: Ich finde es vermessen, denen irgendeinen Rat zu geben. Dass wir gerade die Engländer rausgeworfen haben, ist tragisch, weil englischer Fußball in Island sehr populär ist. Viele, viele Leute verfolgen die englische Liga und haben ihre Lieblingsvereine. In meiner Verwandtschaft stehen einige zu Manchester United, andere zu Liverpool. Der englische Fußball liegt den Isländern sehr, sehr am Herzen. Insofern liegt es den Isländern fern, gegen den englischen Fußball was zu tun. Die kommen garantiert wieder.
     

    Noch voll dabei ist dagegen die Elf mit all ihren -sons. Das kleine Land begeistert gerade ganz Europa. Wie tickt ihr Isländer eigentlich?
    Sigmar: (Lacht). Mein Vater pflegte zu sagen: Wir leben am Rande der bewohnbaren Welt. Island ist eine Insel am Polarkreis und die Natur ist nicht einfach und ziemlich hart dort. Wir sind ein Volk, das praktisch über Jahrhunderte für das Überleben unter diesen Bedingungen gekämpft hat und das fordert oft ungemeine Kräfte. Wenn in Island irgendeine Not ausbricht, ist ein unglaublicher Zusammenhalt da. Da wird alles mobilisiert, was die Leute haben. Diese Eigenschaft, sich einzusetzen und alles für den anderen zu tun, das ist sehr tief verankert in dem Volk.

    Und das zeigt sich auch im Sport?
    Sigmar: Ja, den Zusammenhalt, mit dem wir aufgewachsen sind, siehst du auch in dieser Mannschaft. Da gibt es keine Differenzen, nichts. Die Jungs setzen sich mit allem ein, was sie haben. Sie laufen, was das Zeug hält. Das ist das, was hier in Europa so begeistert. Die spielen wie eine Einheit und machen das einfach fantastisch. Das löst eine unglaubliche Welle von Freude in Island aus.


    In ganz Island leben so viele Menschen wie im westfälischen Bielefeld. Daher darf die Frage erlaubt sein: Wie viele Nationalspieler kennst du persönlich?
    Sigmar: Von den Fußballern kenne ich tatsächlich keinen persönlich. Aber es ist sicherlich so, dass, wenn ich mich mit einem persönlich unterhalten würde, wir irgendwelche Bekannten sofort finden würden. Auf jeden Fall.

    Was macht diese Europameisterschaft mit dem Land, das gerade mal so groß ist wie Bayern und Baden Württemberg zusammen?
    Sigmar: Wir sind 330 000 Leute und stehen sehr selten im Vordergrund. Jetzt sind wir plötzlich dabei in der Welt. Wir spielen eine Rolle! Die Aufmerksamkeit ist auf uns gerichtet! Und das ist etwas, was die Leute begeistert. Jedes Mal, wenn ein Isländer irgendwo in der Welt etwas erreicht, wird das Zuhause sofort thematisiert und kommt in den Medien. Jetzt beschäftigt sich die ganze europäische Presse mit Island. Der Kommentator Gudmundur Benediktsson ist ein großer Star im Internet, weil er so ausflippt. Das ist alles für unser Land etwas ganz, ganz Besonderes.

    Spiegelt der völlig euphorisierte Kommentator die Seele Islands wider?
    Sigmar: Naja, eigentlich fällt er ein bisschen aus dem Rahmen. Die Isländer sind normal eher etwas zurückhaltend und flippen nicht so aus – es sei denn, sie haben was getrunken. Bei der EM kommt die Euphorie dazu und plötzlich singen und klatschen alle. Das finde ich, das finden wir Isländer klasse.

    Du lebst bereits seit 1982 in Würzburg, spricht aber immer noch von „wir Isländer“. . .
    Sigmar: Ich bin noch immer durch und durch ein Isländer. Ich bin mindestens zwei Mal im Jahr dort, verbringe jeden Urlaub in Island und auch meine 20-jährige Tochter ist dorthin gezogen. Ich lese jeden Morgen die isländische Zeitung. Ich unterscheide auch zwischen Zuhause und Heimat. Würzburg ist mein Zuhause, aber meine Heimat ist Island.

    Haben die Unterfranken und Isländer etwas gemein?
    Sigmar: Ich glaube, da gibt es einen Riesenunterschied. Das Einzige, was die Würzburger mit Leuten in Reykjavík gemeinsam haben, ist: Man spricht dort etwas weicher als im Norden. Ein „t“ wird als „d“ ausgesprochen, ein „k“ wird als „g“ ausgesprochen. Aber sonst gibt es sehr deutliche Unterschiede zwischen den Kulturen.

    Wie bemerkst du diese Unterschiede hier?
    Sigmar: Wenn man hier zum Beispiel einen Konflikt mit einer Firma hat, verlangt man, den Vorgesetzten zu sprechen. Das kann man in Island völlig vergessen. Die würden sich umdrehen und nicht mit dir reden. Hier ist das anders. Hier hat man die Möglichkeit, auf den Tisch zu hauen und zu sagen, so geht das nicht. In Island muss man viel mehr auf diese freundliche, kumpelhafte Art kommen und sagen: Du hör mal, wäre da nicht was möglich. Und so. Art und Weise des Miteinanders ist sehr unterschiedlich.

    Wirst du als Isländer in Würzburg auf die EM angesprochen?
    Sigmar: Das ist tatsächlich ein Thema. Heute Morgen habe ich E-Mails von alten Studienkollegen aus Deutschland bekommen, die mir zum Sieg über England gratuliert haben. Ein Kollege aus Würzburg hat mir eine Mail im völlig korrektem Isländisch geschrieben. Wie er das hinbekommen hat, ist mir ein Rätsel. Isländisch ist eine sehr komplizierte Sprache, wir deklinieren alles, was wir deklinieren können. (Lacht)

    Gibt es für dich ein Traumfinale?
    Sigmar: Die Isländer zeigen sicherlich die größte mannschaftliche Geschlossenheit bisher. Aber sie spielen keinen Fußball wie Deutschland oder Frankreich. Es würde ich mich schon sehr wundern, wenn wir gegen Frankreich gewinnen. Daher sage ich: Deutschland gegen Belgien.

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