Zur Überraschung der Forst-Experten treiben die in den beiden Vorjahren durch den Befall von Schwammspinnern massiv geschädigten Bäume in der Waldabteilung "Tännig" in Hettstadt in diesem Frühjahr erneut aus. Allerdings scheint durch die schon ab Mitte April geschlüpfte neue Schädlingsgeneration erneut, und diesmal der gesamte etwa 75 Hektar umfassende Bestand, gefährdet. Um das Absterben der Bäume zu verhindern, sollte nun im Waldstück das Pflanzenschutzmittel "Mimic" aus der Luft ausgebracht werden, doch um die benötigten Flugkarten zu erstellen, war die Zeit zu knapp.
In einer früheren Sitzung hatte der Hettstadter Gemeinderat sich auch für eine solche Befliegung ausgesprochen. Doch weil der Wald laut Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg in Bereich der Zone III des Wasserschutzgebiets und somit im Einzugsgebiet der Zeller Quellstollen der Trinkwasserversorgung (TWV) Würzburg liegt, erlaubte die Behörde dies nicht. Seine "Einwände gegen eine Ausbringung aus der Luft" begründete das Wasserwirtschaftsamt (WWA) mit "einer zu geringen Humus-Überdeckung des darunter liegenden, grundwasserleitenden Muschelkalk." Der Geschäftsführer des Bund Naturschutz (BUND), Steffen Jodl, befürwortete dieses Verbot auch."Eine Giftspritze wird einen durch die Folgen des Klimawandels - dazu gehört die Schwammspinnerplage - geschädigten Wald langfristig nicht retten", ist Jodl überzeugt. Deshalb unterstützte er "ausdrücklich die Entscheidung des WWA zum Schutz des Trinkwassers als wertvollstes Gut."
Schutzgebiet ist nicht amtlich festgelegt
Doch nun hat sich die Situation geändert. Wie Bürgermeisterin Andrea Rothenbucher gegenüber dieser Redaktion erklärte, liegt das Gebiet zwar in Zone III der Zeller Quellen, dies sei jedoch nicht amtlich festgelegt. Somit sei eine Befliegung mit "Mimic" erlaubt und nun, wie vom Gemeinderat in Auftrag gegeben, auch durch die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) geplant.

Die bereits beauftragte Befliegung fällt jedoch nun aus, weil die Karten nicht mehr rechtzeitig erstellt werden konnten. Für Rothenbucher könnte das ein Glücksfall sein, denn eine Umweltorganisation hatte bereits eine Klage angekündigt. Für die Folgen, wie eine eventuelle Verunreinigung des Grundwassers, haben sie und der Gemeinderat ihrer Meinung nach keine Verantwortung, da sie der Befliegung nur zustimmen oder widersprechen können, durchgeführt wird sie aber vom LWF. Auch in anderen Gemeinden wie Bergtheim und Remlingen wurde "Mimic" ausgebracht.
"Mimic" auch für Obst- und Weinanbau zugelassen
Die Meinungen zu einer Bekämpfung der Schwammspinnerplage gehen bei Experten unterdessen weit auseinander. Die LWF-Experten, wie auch die zuständige Bereichsleiterin des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), Elfi Raunecker, erachten einzig das Pflanzenschutzmittel "Mimic" als zum Einsatz geeignet. Auf die Schädlingsraupen wirkt es bei deren Nahrungsaufnahme als Häutungsbeschleuniger. Dadurch tritt ein Fraßstopp ein.

Nach Bestätigung durch Alexander Zimmermann, Versuchsingenieur für Obstbau und Pflanzenschutz an der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim, ist "Mimic" auch im Obst- und Weinbau etabliert. Dort können bis zu drei Anwendungen in der Vegetationsphase per Ausbringung vom Boden aus erfolgen. Auch bestehe für "Mimic" sogar eine Zulassung zur Ausbringung auf Frucht. Hierzu seien laut Zimmermann keinerlei große Nebenwirkungen auf andere Organismen bekannt. Für die Ausbringung aus der Luft, wie für Hettstadts Wald vorgesehen, kann "Mimic" durch das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg (WWA) jedoch nicht befürwortet werden, so Behördenleiter Herbert Walter. Seine "Einwände gegen eine Ausbringung aus der Luft" begründete das WWA mit "einer zu geringen Humus-Überdeckung des darunter liegenden, grundwasserleitenden Muschelkalk."
Bürgermeister im Zwiespalt
Die Hettstädter Bürgermeisterin Rothenbucher befindet sich im Zwiespalt. "Die Informationen, die wir vom Amt bekommen haben, reichen überhaupt nicht aus. Ich fühle mich von der LWF nur mäßig beraten", so Rothenbucher gegenüber dieser Redaktion. Kein Gemeinderat entscheide gerne, dass Pflanzenschutzmittel gespritzt wird und man sei im engen Kontakt mit dem BUND gewesen. Für die Randbereiche des Waldes, in denen kein "Mimic" ausgebracht worden wäre, hätte sie sich außerdem eine Pheromonfalle gewünscht. Problematisch wäre die Ausbringung auch gewesen, weil an den Wald eine Bio-Streuobstwiese der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben angrenzt.
Steffen Jodl ist von den neuesten Entwicklungen äußerst überrascht und kann diese nicht gutheißen. Die Begründung, dass das Waldstück nicht amtlich festgelegt sei, ist für Jodl nicht nachvollziehbar. Der Trinkwasserschutz sollte höchste Priorität haben und seiner Meinung nach sollten sich auch die Würzburger Stadtwerke Sorgen um die Sauberkeit ihres Trinkwassers machen, denn das Wasser fließt direkt in die Trinkwasserversorgung der Stadt. Außerdem fehlt von Forstseite weiterhin der Nachweis, dass die Buchen vom Schwammspinnerbefall wirklich sterben, so Jodl weiter. "Es kann nicht die Konsequenz des Schwammspinnerbefalls sein, jetzt jedes Jahr zu spritzen", findet Jodl.
