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Würzburg: Wir über uns: Was die Redaktion im neuen Jahr besser machen will

Würzburg

Wir über uns: Was die Redaktion im neuen Jahr besser machen will

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    Karoline Keßler-Wirth, Leiterin Print-Desk Mantel, sagt selbstkritisch über die Berichterstattung der Redaktion zum Thema Corona: "Wir haben aus meiner Sicht erst relativ spät angefangen, auch über psychosoziale und finanzielle Folgen für die Menschen zu sprechen."
    Karoline Keßler-Wirth, Leiterin Print-Desk Mantel, sagt selbstkritisch über die Berichterstattung der Redaktion zum Thema Corona: "Wir haben aus meiner Sicht erst relativ spät angefangen, auch über psychosoziale und finanzielle Folgen für die Menschen zu sprechen." Foto: Daniel Peter

    Liebe Leserinnen, liebe Leser!

    Silvester ist traditionell die Zeit des Innehaltens und der Rückschau. Wir lehnen uns für ein paar Momente zurück, lassen erfreuliche Ereignisse in Gedanken noch einmal lebendig werden und betrachten selbstkritisch, was nicht gelungen ist. Aus diesen Erkenntnissen ziehen wir Schlüsse fürs neue Jahr. Genauso funktioniert das in Redaktionen.

    Natürlich diskutieren wir in Konferenzen täglich über unsere Inhalte. Und Sie können mir glauben: Dabei wird nicht mit Wattebäuschchen geworfen. Wir selbst sind unsere hartnäckigsten Kritiker. Am Jahresende gilt unser Blick dann gewöhnlich dem großen Ganzen. Eine Frage bewegt uns dabei besonders: Was können wir besser machen? Konkrete Antworten darauf möchte ich Ihnen in diesem Beitrag geben. Sie stammen unter anderem von Führungskräften unseres Medienhauses, die einen kritischen Blick auf die Arbeit ihrer Redaktionen gerichtet haben.

    Die Pandemie ist kein Ereignis, das wir von außen betrachten. Wir sind mittendrin.

    Abermals bestimmte in 2021 Corona unseren privaten und beruflichen Alltag. Die Berichterstattung rund um den Pandemieverlauf rangiert deutlich vor allen anderen Themen. Obwohl wir uns seit fast zwei Jahren intensiv mit SARS-CoV-2 beschäftigen, stellt uns die Dynamik der Entwicklung immer wieder vor Herausforderungen. Deshalb ist es wichtig, unsere Rolle in der Corona-Krise vorbehaltlos zu reflektieren. Der Berliner Virologie-Professor Christian Drosten hat recht, wenn er fordert: "Eine Nachbesinnung ist nicht nur in der Politik und der Wissenschaft, sondern unbedingt auch im Journalismus nötig."

    Corona hat unsere Gesellschaft vor bislang nicht gekannte Probleme gestellt. Für uns Journalistinnen und Journalisten bedeutet die weltumspannende Ausnahmesituation die vielleicht größte Bewährungsprobe unseres Berufslebens. Zumal wir nicht nur, wie sonst üblich, Beobachter sind, sondern zugleich Betroffene. Die Pandemie ist kein Ereignis, das wir von außen betrachten. Nein, wir sind mittendrin in diesem komplexen, schwierig durchschaubaren Geschehen. Und das unter völlig veränderten Rahmenbedingungen.

    Das Verlagsgebäudes der Main-Post am Heuchelhof in Würzburg: Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten derzeit nicht von hier aus, sondern sind im Mobileoffice.
    Das Verlagsgebäudes der Main-Post am Heuchelhof in Würzburg: Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten derzeit nicht von hier aus, sondern sind im Mobileoffice. Foto: Ivana Biscan

    Die meisten Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Mobileoffice. Unsere Arbeitsumgebung und die Ablaufprozesse mussten erst entsprechend angepasst werden. Routine und Vertrautes sind uns abhandengekommen: kein Büroalltag mehr, keine Gespräche im Workcafé, kaum noch persönliche Begegnungen – und wenn, selbstverständlich mit Maske und Abstand.

    Räumliche Entfernung zu denen, über die wir schreiben

    Mein Kollege Andreas Brachs, Redaktionsleiter in Kitzingen, beschreibt, wie sich diese besonderen Umstände auf seine Lokalredaktion ausgewirkt haben: "Zunächst waren wir selbstverständlich froh, trotz Pandemie unseren Job machen zu dürfen. Und auch die technische Ausstattung fürs Mobileoffice hat gut geklappt. Zugleich war aber die räumliche Entfernung von denen, über die wir schreiben, manchmal nur schwer zu überbrücken. Live dabei zu sein ist etwas anderes, als sich Dinge am Telefon (im Nachhinein) schildern zu lassen. Und schließlich hatten wir es unter Kurzarbeit-Bedingungen nochmals schwerer, unseren Auftrag der Kritik- und Kontrollfunktion in der gewohnten Form zu erfüllen."

    "Wir sind viel enger zusammengewachsen und haben eine Kollegialität entwickelt, die unserem Miteinander extrem guttut."

    Michael Nöth, Redaktionsleiter Rhön

    Wenngleich die Arbeit von vielen Redakteurinnen und Redakteuren als anstrengender empfunden wird, sind sich nahezu alle einig: Der gewachsene Teamgeist wiegt so manche Unannehmlichkeit auf. Michael Nöth, Redaktionsleiter in der Rhön, bringt es auf den Punkt: "Wir sind viel enger zusammengewachsen, haben eine Kollegialität entwickelt, die unserem Content einerseits und dem Miteinander andererseits extrem guttut. Durch die weggefallenen Termine konnten wir unsere journalistische Kraft viel mehr den Menschen und der Region an sich widmen."

    Wir sind dankbar, dass der überwiegende Teil von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dieses Engagement der Redaktion wertschätzt, wie zahlreiche Zuschriften und Telefonanrufe zeigen.

    Trotz aller Sorgfalt passieren Fehler

    Sie kennen sicher den alten Spruch: "Wer arbeitet, macht Fehler, wer viel arbeitet, macht viele Fehler. Ich kenne Menschen, die machen keinen Fehler." Wir wissen, dass wir am Frühstückstisch auch mal Ihren Groll auf uns ziehen. Wenn sie nämlich einen Fehler in der Zeitung oder auf mainpost.de entdecken. Das passiert trotz aller Sorgfalt - leider…

    Oft werden wir aber auch mit Vorwürfen bedacht, die mehr aus dem Gefühl heraus formuliert sind und sich weniger auf Fakten stützen. Seit dem Corona-Ausbruch hierzulande sehen sich Fernsehen, Radio und Zeitungen wie jene der Mediengruppe Main-Post immer wieder mit Unterstellungen konfrontiert. Beispielsweise, dass sie zu unkritisch übernähmen, was Regierende in Bund und Ländern beschließen. Stimmt das?

    "Niemand soll sagen, die Berichterstattung war unkritisch. Das stimmt tatsächlich nicht."

    Marcus Maurer, Kommunikationswissenschaftler

    Eine im November veröffentlichte Studie unter dem Titel "Einseitig, unkritisch, regierungsnah?" hat dieser Frage nachgespürt. Ergebnis: Die Berichterstattung der analysierten Medien sei "zugleich regierungsnah und regierungskritisch", so die Autoren der empirischen Untersuchung. "Sie war regierungsnah, weil die Medien, ähnlich wie die Politik, überwiegend für harte Maßnahmen plädierten. Sie war zugleich aber auch regierungskritisch, weil den Medien diese Maßnahmen oft gar nicht hart genug erschienen oder zu spät kamen."

    Fazit von Professor Marcus Maurer, einem der Studien-Verantwortlichen: "Niemand soll sagen, die Berichterstattung war unkritisch. Das stimmt tatsächlich nicht." Was freilich nicht heißt, dass wir hier und da Entscheidungen der Politik loben, sofern es nachvollziehbare Gründe dafür gibt.

    Studie bescheinigt den Medien, insgesamt sachlich über Corona informiert zu haben

    Die Untersuchung bescheinigte den Medien übrigens auch, insgesamt sachlich informiert zu haben – allerdings mit deutlichen Unterschieden. Während "Tagesschau" und "FAZ" Inhalte sachlich dargestellt hätten, seien die Beiträge von "Bild" und "Welt" "mit mehr Emotionen" versehen gewesen.

    "Insgesamt nahmen die Medien gegenüber der Pandemie eine eindeutig warnende Haltung ein, die man durchaus als einseitig betrachten kann. Betrachtet man diese Einseitigkeit als Problem, dann kann man dies allerdings nur aus einer Position tun, die die Pandemie als eher ungefährlich oder die Maßnahmen als eher übertrieben wahrnimmt", so die Schlussfolgerung der Studienverantwortlichen.

    Größere Vielfalt an Experten-Meinungen hätte den Blick erweitert

    Allerdings wird in der Studie kritisch angemerkt, dass zu wenig Fachleute neben den Virologen zu Wort gekommen seien. Eine größere Vielfalt der Experten-Meinungen hätte den Blick auf die Pandemie erweitert.

    Ein Einwand, der nach Meinung von Main-Post-Printchefin Karoline Keßler-Wirth auf uns ebenfalls zutrifft: "Wir haben aus meiner Sicht erst relativ spät angefangen, auch über psychosoziale und finanzielle Folgen für die Menschen zu sprechen. Da hätten wir bei beiden Themenkomplexen früher einsteigen können und sollen."

    "Wir schreiben noch zu viele Artikel, die für unsere Leserinnen und Leser nicht relevant sind."

    Anita Schöppner, Themenmanagement

    Anita Schöppner aus dem Themenmanagement hat als einen unserer Schwachpunkte markiert, dass wir "noch zu viele Artikel schreiben, die für unsere Leserinnen und Leser nicht relevant sind".

    Unterstützung erhält sie vom stellvertretenden Chefredakteur Ivo Knahn: "Wir könnten immer noch konstruktiver, lösungsorientierter sein." Zudem hat er den Eindruck, "den ständigen Neuerungen und Regelungen immer einen Schritt hinterherzurennen". Das sei unbefriedigend, liege aber ein Stück weit in der Natur der Sache. Knahn: "Wir könnten auch noch besser einordnen, dass jede Entscheidung der Politik und jede Empfehlung der Wissenschaft auf dem aktuellen Wissensstand basiert. Und  dass vieles weiterhin unsicher ist."

    Journalistische Defizite in der Phase der Kurzarbeit

    Barbara Hermann, stellvertretende Kitzinger Redaktionsleiterin, sieht das ähnlich: "Wegen Corona scheint sich so viel zu wiederholen, dass man manchmal zu viel voraussetzt beim Leser."

    Rhön-Chef Michael Nöth hat journalistische Defizite besonders in der Phase der Kurzarbeit wahrgenommen. "Da hätte ich mir gewünscht, dass wir dem ein oder anderen Corona-Mystiker-Gerücht im Lokalen deutlicher hinterher gespürt hätten. Aber uns hat in dieser Phase oft die personelle Schlagkraft gefehlt."

    "Nicht immer konnten wir sofort auf Hinweise reagieren, nicht alle Termine konnten wir besetzen."

    Oliver Schikora, Redaktionsleiter Schweinfurt

    Ein Manko, das der Schweinfurter Redaktion gleichfalls nicht fremd ist. Redaktionsleiter Oliver Schikora: "Nicht immer konnten wir sofort auf Hinweise reagieren, nicht alle Termine konnten wir besetzen. Insofern gilt es auch, vermehrt mit Leserinnen und Lesern zu kommunizieren, aber auch mal Nein zu sagen und klar zu entscheiden, was schnell umgesetzt werden muss und was nicht."

    Remote-Veranstaltungen erschweren kritische Nachfragen

    Für alle Reporterinnen und Reporter war und ist es während strenger Corona-Maßnahmen schwierig, Menschen von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. "Spieler- und Trainervorstellungen, Pressekonferenzen – alles findet dann nur remote statt", schildert Sportchefin Caro Münzel ein Dilemma, das nicht nur ihr Ressort betrifft. "Das erschwert natürlich kritische Nachfragen, macht es aber auch schwieriger, eine echte Bindung zu den Menschen aufzubauen, über die man berichtet."

    "Durch Homeoffice konnte die Endabnahme der Seiten leider nicht wie gewohnt stattfinden. Dadurch ist der eine oder andere Fehler durchgerutscht, was wir sehr bedauern."

    Michaela Stumpf, verantwortlich für das Erstellen aller Lokalseiten

    Michaela Stumpf, verantwortlich für das Erstellen sämtlicher Lokalseiten der Main-Post, spricht ein Defizit an, das nicht nur Sie ärgert, liebe Leserinnen und Leser, sondern darüber hinaus die gesamte Redaktion: Rechtschreibfehler in Artikeln. "Durch Homeoffice konnte die Endabnahme der Seiten leider nicht wie gewohnt stattfinden. Dadurch ist der eine oder andere Fehler durchgerutscht, was wir sehr bedauern."

    Der selbstkritische Blick auf unsere Corona-Berichterstattung zeigt: Es wird der Redaktion nicht an Zielen für 2022 mangeln. Wir werden jedenfalls alles daransetzen, noch besser zu werden. Unterstützen Sie uns dabei mit Ihren Anregungen und Ihrer Kritik. Schreiben Sie mir, wie zufrieden Sie mit unserer Arbeit sind. Sie erreichen mich unter der Mailadresse michael.reinhard@mainpost.de oder postalisch: Chefredaktion, z. Hd. Michael Reinhard, Berner Straße 2, 97084 Würzburg.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Beschluss und ein entspanntes neues Jahr. Bleiben Sie vor allem gesund!

    Herzliche Grüße

    Ihr

    Michael Reinhard

    Die komplette Studie zur Medienanalyse "Einseitig, unkritisch, regierungsnah?" lesen Sie hier.

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