War es ein Tornado – oder war es vielleicht gar keiner? Ein sogenannter „Tornado“ jedenfalls, der am Mittwochabend den Ort Acholshausen im Ochsenfurter Gau heimgesucht hat, sorgt für Wirbel in den sozialen Netzwerken. Es geht um die Frage, ob ein im Bericht dieser Redaktion als „Tornado“ bezeichnetes Wetterphänomen tatsächlich „Tornado“ heißen darf oder ob es vielleicht doch eher den Namen „Sturm“ oder „gewaltiges Gewitter“ hätte tragen müssen. Angefacht hat die Diskussion im Netz ein Tweet des ehemaligen ARD-Wettermoderators Jörg Kachelmann, der mittlerweile eine private Website namens „kachelmannwetter“ betreibt.
„Das Elend, wenn 1 ahnungslose Zeitung wie @mainpost einfach mal einen Tornado erfindet, wo keiner war“, schreibt Kachelmann unter den Hashtags „Vollpfostenjournalismus“ und „Tornadismus“. Zahlreiche User geben ihm sofort recht. Aber langsam – so einfach liegt der Fall dann eben doch nicht.
Das Elend, wenn 1 ahnungslose Zeitung wie @mainpost einfach mal einen Tornado erfindet, wo keiner war. #vollpfostenjournalismus #tornadismus https://t.co/nv3fMn9ZuE — Jörg Kachelmann (@Kachelmann) 14. Juli 2017
Tatsache ist, dass das Wetter dem kleinen Ort Acholshausen bei Ochsenfurt am Mittwochabend übel mitspielte: Erst riss der Sturm die Statue des Heiligen Josef an der Kirchentreppe aus ihrer Verankerung. Dann blies er einem Bericht der Anwohner zufolge „mit „schier unglaublicher Gewalt“ Ziegel vom Dach eines Gebäudes, fegte das Efeu von der Wand – und riss eine 20 Meter hohe Esche samt ihrem Wurzelstock von vier Metern Durchmesser aus dem Boden.
Tornadowarnung auf „kachelmannwetter“
Wieso die lokale Berichterstatterin den Sturm als „Tornado“ bezeichnet hat? „Weil eine Tornadowarnung für den Ochsenfurter Gau auf der Website „kachelmannwetter“ stand“, antwortete Hannelore Grimm. Nachweisbar ist, dass unter anderem Ochsenfurter auf „kachelmannwetter“ am Mittwoch eindringlich gewarnt wurden: Auf die Region komme ein „Unwetter“ zu, ein „starkes Gewitter mit heftigem Starkregen“ und einer Zuggeschwindigkeit von 88 Stundenkilometern. Sturmböen und Tornadobildung seien möglich“, hieß es.
Nun bedeutet eine Tornadowarnung natürlich nicht, dass der Tornado auch kommt. „Das Problem mit Tornados ist aber, dass sie schwer nachweisbar sind und es eine hohe Dunkelziffer gibt“, sagt auf Anfrage der Tornadoexperte des Deutschen Wetterdienstes, Andreas Friedrich. Ihm zufolge gibt es in Deutschland pro Jahr 20 bis 60 nachgewiesene Tornados – und zusätzlich wohl deutlich mehr nicht nachgewiesene. Selbst er als Tornadoexperte könne allein mit Blick auf Wetterkarten und meteorologische Daten nicht sicher sagen, ob es sich bei einem lokalen Wetterphänomen um einen Tornado handele oder nicht. Dafür müsse er etwaige Zeugen befragen, ob sie eine„Trichterbildung“ unter einer Wolke beobachtet hätten. Dabei drehe sich der Wind senkrecht um seine Achse. Typisch sei, dass Zeugen nach einem Tornado immer noch sähen, dass Staub oder Dreck am Boden „kreisförmig“ herumwirbelten. Friedrich betonte, dass Tornados sehr oft klein seien, häufig nur in einem Durchmesser von wenigen Metern wüteten.
Gewitterfallböe wahrscheinlicher
Andererseits könne für die Zerstörungen in Acholshausen auch eine Gewitterfallböe verantwortlich sein. Diese kämen „tausend Mal häufiger“ vor; ereigneten sich besonders bei sommerlichen Schwergewittern. Dabei werde der Wind am vorderen Rand einer Gewitterfront nach vorne umgelenkt und nach unten gerissen. Mit einer Geschwindigkeit von rund 200 Stundenkilometern könne er durch schmale Schneisen blasen. Ein abschließendes Urteil zu Acholshausen könne er ohne Zeugenbefragung nicht fällen, sagt Friedrich. Er hält eine Gewitterfallböe für wahrscheinlicher. „Ausschließen kann man einen Tornado aber nicht.“