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WÜRZBURG: "Würzburg erleben": Politische Attacke auf Online-Portal

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"Würzburg erleben": Politische Attacke auf Online-Portal

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    Sie gehören mit fast 70 000 Fans zu den erfolgreichsten deutschen Medienseiten im sozialen Netzwerk Facebook: „Würzburg erleben“. Nun wird das Unternehmen aus der Politik attackiert. Die SPD im Würzburger Stadtrat hat die Sparkasse Mainfranken aufgefordert, alle Werbegelder für „Würzburg erleben“ zu stoppen. Ein Skandal, findet die verantwortliche Papay-Landois GmbH und geht juristisch gegen die SPD vor.

    2009 wurde die Facebook-Seite gegründet, seit 2011 wird sie kommerziell betrieben. Seit dieser Zeit ist die Sparkasse ein wichtiger Werbepartner. Seit August 2013 ist die Main-Post an dem Unternehmen beteiligt.

    Dass die SPD bei der Sparkasse versucht, „Würzburg erleben“ den Geldhahn zuzudrehen, empört die Gründer und Geschäftsführer Leonard Landois und Christian Papay. „Das ist eine unglaubliche politische Einflussnahme und ein massiver Angriff auf Presse- und Meinungsfreiheit“, kritisieren sie auf Anfrage. Das Schreiben des SPD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Kolbow an den Sparkassen-Vorstand sei ein „Boykottaufruf“, der das Unternehmen mit derzeit acht festen und zwei freien Mitarbeitern nachhaltig schädigen solle.

    Forderung: Werbegelder stoppen

    Parteipolitische Gründe hinter dem Konflikt dementieren beide Seiten. Landois hatte bei der Stadtratswahl für die CSU kandidiert. Im heiklen SPD-Schreiben an die Sparkasse, das der Redaktion vorliegt, nennt Kolbow „moralische“ Gründe für den geforderten Werbestopp. „Reißerische und polarisierende Berichterstattung“, so sein Eindruck, sollten zu hohen Zugriffen führen. „Das Ergebnis sind Kommentare, die oft menschenverachtend, fremdenfeindlich und diskriminierend sind.“ Kolbow fordert die Sparkasse dezidiert auf, alle Zahlungen an „Würzburg erleben“ schnellstmöglich zu stoppen.

    Bei der Sparkasse Mainfranken scheint man sich der politischen Brisanz des Vorgangs bewusst. „Wir werden die im Schreiben vorgetragenen Vorwürfe sachlich prüfen und im Anschluss erörtern, wie wir damit umgehen“, so die Reaktion von Sparkassen-Sprecher Stefan Hebig. Gegenüber dieser Redaktion verteidigt Kolbow die Intervention. Einen politischen Fehltritt sieht er nicht. Es sei die „moralische Verpflichtung“ von Stadträten, bei städtischen Gesellschaften oder Instituten auf die Verwendung der Gelder zu achten.

    Was in seinem Schreiben als klare Forderung formuliert ist, bezeichnet der SPD-Fraktionschef als ein „Hinterfragen“.

    Für die SPD sitzt Stadtrat und Posthallen-Betreiber Joachim Schulz im Verwaltungsrat der Sparkasse. Er hatte vor wenigen Wochen einen persönlichen Disput mit „Würzburg erleben“ im Netz ausgetragen. Hintergrund: In der Posthalle hatte ein Outlet-Schuhverkauf stattgefunden, die Facebook-Seite lud als „Gastgeber“ ein – sehr zum Missfallen von Posthallen-Betreiber Schulz. Auch bei anderen Veranstaltungen wurde Kritik an „Würzburg erleben“ laut, weil die Events zur Vermarktung der eigenen Seite „gekapert“ würden – teils ohne Rücksprache mit den Veranstaltern.

    Papay weist die Kritik zurück. „Wir machen Angebote, Veranstaltungen gemeinsam zu bewerben.“ Niemanden zwinge man dazu. Man lege Veranstaltungen auf der Seite an, um dort passende Inhalte zu platzieren. Gleichwohl lasse man dieses Prozedere derzeit juristisch absichern.

    Ärger hatte die SPD mit „Würzburg erleben“ zuletzt wegen unflätiger Kommentare gegen ihre Stadträtin Laura Wallner, die sich für ein Willkommensticket für Asylbewerber einsetzt. Nach Veröffentlichung einer SPD-Mitteilung auf der Facebook-Seite gingen im Forum von „Würzburg erleben“ über 1000 Kommentare ein, teils unter der Gürtellinie. Papay und Landois beteuern, dass alle Kommentare gesichtet, moderiert oder auch gelöscht werden: „Wenn sie gegen unsere Netiquette verstoßen.“

    Dem Pressekodex ist das Online-Portal, anders als die Main-Post, zwar nicht verpflichtet. Man fühle sich aber ebenso daran gebunden, sagt Landois. „Wir wissen um Gefahren und unsere Verantwortung“, so der promovierte Historiker.

    Die Menge an Kommentaren auf „Würzburg erleben“ wächst beständig. Im Mai waren es über 16 000. Innerhalb der Geschäftszeiten (9 bis 23 Uhr) sei jeder Kommentar binnen 15 Minuten gesichtet worden, im Gesamtdurchschnitt nach 34 Minuten, erläutert Papay. Man betreibe keine Laissez-faire-Politik und vertraue nicht blind auf die Selbstreinigungskräfte im Netz.

    Ein Gespräch beim Ombudsrat

    Gleichwohl seien Fehler nie auszuschließen. „Dann sind wir für direkte Hinweise dankbar, um korrigieren zu können.“ So wurde ein Bericht über radikalisierte Muslime mit dem Foto einer Würzburger Moschee bebildert. „Das war unglücklich“, räumen beide Geschäftsführer ein. Man habe es sofort geändert. Muslime haben sich wegen dieses Vorfalls beim Würzburger Ombudsrat beschwert. SPD-Mann Kolbow behauptet, dieser habe sich „mehrfach“ mit „Würzburg erleben“ beschäftigt. Ombudsrat-Sprecher Harald Ebert berichtet von einer einmaligen konkreten Einladung der „Würzburg erleben“-Macher zum Gespräch. Dieses sei gut verlaufen, man werde das Portal aber wie alle Medien weiter beobachten. Der Ombudsrat sehe vor allem bei der Moderation der Kommentare noch „Luft nach oben“. Problematische Einträge – teils rechtsradikal oder ausländerfeindlich – blieben teilweise zu lange stehen.

    Kolbow wirft „Würzburg erleben“ vor, populistisch Ressentiments zu schüren und findet auch den Umgang mit Veranstaltungen problematisch. Gegenüber der Redaktion sagte er: „Für mich ist das kein Journalismus.“ Hat er das direkte Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht? Da weicht er aus und verweist auf seine Stadtratskollegen Schulz und Wallner, die einen kurzen Mail-Kontakt mit „Würzburg erleben“ hatten. Dies ärgert Papay und Landois besonders: „Dass nicht ernsthaft der Versuch unternommen wurde, mit uns direkt über angebliche Probleme zu reden.“

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