Das Würzburger Bündnis für Zivilcourage hat Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen sechs Mitglieder der AfD-Bundestagsfraktion gestellt, darunter die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland. Anlass ist eine „kleine Anfrage“ an die Bundesregierung zum Zusammenhang zwischen Migration und Schwerbehinderung. Mitglieder des Bündnisses sehen sich an die Argumentation der Nationalsozialisten über „unwertes Leben“ erinnert.
Die AfD-Politiker wollen unter anderem Auskunft zur Zahl, zum Alter und zur Staatsbürgerschaft schwerbehinderter Menschen in Deutschland haben. Außerdem fragen sie die Regierung, inwieweit Behinderungen „durch Heirat innerhalb der Familie“ entstanden sind – und ob die Eltern in diesen Fällen Migrationshintergrund haben.
Kirchen kritisieren Anfrage scharf
Nach Bekanntwerden der Anfrage haben die beiden christlichen Kirchen das Vorgehen der AfD scharf kritisiert. Es sei unerträglich, wie ein Zusammenhang zwischen Migration, Behinderung und Inzest geschaffen werde, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warf der AfD „menschenverachtende Haltungen“ vor. Die Anfrage erinnere an eine Zeit, „die wir überwunden zu haben glauben“.
Der 8000 Mitglieder starke Bundesverband Sonderpädagogik (Sitz in Würzburg) nennt das Vorgehen der AfD einen „Schlag ins Gesicht für Menschen mit Behinderung“. Die Anfrage sei „menschenfeindlich“, den darin suggerierten Annahmen bezüglich des Entstehens von Behinderungen widerspreche man „aus wissenschaftlichen und humanen Gründen in aller gebotenen Schärfe und Entschiedenheit“. Es lägen „keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse vor, dass ein wesentlicher Anteil schwerer Behinderungen auf Fortpflanzung innerhalb der Familie zurückzuführen ist“.
Gleich zweifache Volksverhetzung?
Laut dem Sprecherrat des Bündnisses für Zivilcourage erfüllen Weidel, Gauland und Co. den Straftatbestand der Volksverhetzung gleich in zweifacher Hinsicht. Die Anfrage behandle das Thema Behinderung als „zu vermeidendes gesellschaftliches Übel“. Damit knüpften sie an die Diskussion um „lebensunwertes Leben“ in der NS-Zeit an, die in die menschenverachtende Euthanasiemorde mündete. Dies verletze nicht nur die Würde von Menschen, sondern sei geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, so Harald Ebert vom Sprecherrat des Bündnisses.
Das Gleiche gelte auch für den unterstellten Zusammenhang zwischen nicht vorhandener deutscher Staatsbürgerschaft und vermeintlich vermeidbarer Schwerbehinderung. Mitglieder der AfD betrieben mit ihrer Anfrage „gezielt und planvoll die Ausgrenzung und Diffamierung von Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind“. Der Rechtsstaat müsse dem entgegenwirken. Dies sei eine Lehre aus den Erfahrungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Öffentliche Debatte gewünscht
Hochschulpfarrer Burkhard Hose, ebenfalls Mitglied des Sprecherrats, betont, man habe sich die Strafanzeige gut überlegt und sehe durchaus Chancen, der AfD juristisch beizukommen. Wichtiger aber sei die öffentliche Debatte: Man wolle weiter Bewusstsein dafür schaffen, an welch unsägliche Tradition die Partei anknüpfe. Bedenken, die Rechtspopulisten würden durch das Öffentlichmachen der Anfrage und die Anzeige nur aufgewertet, weist Hose zurück. Die AfD sei „leider bedeutsam“, schließlich sei sie die größte Oppositionspartei im Bundestag. „Da dürfen wir nicht schweigen.“