Ihr Markenzeichen war die Rubrik "Giselas heile Welt". Doch die Welt ist nicht mehr so heil. "Möge 2020 ein gutes Jahr werden für uns alle", hatte sie noch an Silvester auf Facebook gepostet. Jetzt ist Gisela Schmidt, langjährige Volksblatt-Redakteurin und Reporterin der Main-Post, mit 62 Jahren gestorben.
Eine traurige Nachricht für ihren Mann Peter Kuhn, ihre Mutter, ihre Freunde, die vielen Leser, die ihre engagierte Schreibe schätzten, die Kollegen - darunter der Autor dieser Zeilen, der jahrelang mit ihr die Zweier-Redaktionsstube der Main-Post im Valentinum teilte. Da wurde viel über die Texte diskutiert - ob der Angeklagte nicht zu hart bewertet wurde, ob die Schlusspointe in der "Heilen Welt" auch zündete oder ob man mit einer Formulierung danebenlag.
Hartnäckige Recherche und kritische Haltung
“So kannst Du das nicht schreiben”, konnte sie einem schon mal den Text zerpflücken. Sie war kritisch, aber immer ehrlich und hilfsbereit.
Die journalistische Welt, in der sich die Kollegin und Freundin bewegte, war meist alles andere als heil. Das Treiben und die Beweggründe von Mördern, Vergewaltigern, Wirtschaftsverbrechern oder renitenten Ladendieben war der Stoff, den sie als Gerichtsreporterin leidenschaftlich aufarbeitete.
Nur die Faktenlage zu berichten, war ihr oft nicht genug, dem Leser einen einfühlsamen Blickwinkel mitzugeben, die Fälle zuzuspitzen, ihr Anspruch. Dafür recherchierte sie hartnäckig und verbrachte zudem wohl mehr Stunden in den Gerichtssälen in der Ottostraße als in der Redaktion. Daraus resultierte eine kritische Haltung gegenüber Angeklagten, aber auch gegenüber Richtern, Staats- oder Rechtsanwälten, was ihr Anerkennung einbrachte, womit sie sich aber nicht nur Freunde machte.

Schier unzählig sind die Verhandlungen, die die Gerichtsreporterin begleitete. Stellvertretend erwähnt sei der spektakuläre Prozess um einen Winzer, der seinen Bruder erschlug und im Weinfass entsorgte und die juristische Aufarbeitung der Tragödie von Arnstein, wo sechs Jugendliche durch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung starben.
Der Humor war ihr in die Wiege gelegt
So hart der Berufsalltag mit Justitia war, so galant gelang Gisela der Ausgleich, den banalen und weniger banalen Dingen des Alltags mit Humor zu begegnen. Eine Gabe, die ihr, in Vallendar bei Koblenz geboren, als Rheinländerin in die Wiege gelegt war.
Das bekamen die Leser jahrelang in der (selbst-)ironischen Rubrik "Giselas heile Welt" zu lesen. Wöchentlich beschäftigte sie sich mit Dingen wie kindersicherem Eierlikör, lügenden Hunden oder technisch tölpelhaften Ehemännern.
Sie rührte kräftig Klischees an, die sich aber nur allzu oft bewahrheiten, wie Gisela in der heilen Welt pointenreich bewies. Von Witz und Ironie war auch die Soap-Serie "Lindleinstraße" geprägt, in der sie als Co-Autorin Würzburger Stadtgeschehen auf die Bühne des Theaters am Neunerplatz brachte.
Das Schreiben war ihre Leidenschaft
Neben dem “Mann an meiner Seite”, wie Gisela ihren Ehepartner in ihrer Rubrik gerne bezeichnete, begleiteten Hunde ihren Weg - häufig Straßenköter, die sie aus ihren geliebten Griechenland-Urlauben mitbrachte, vermittelte oder ihnen ein Zuhause gab, wo jetzt Mischlingshündin Lotte ohne Frauchen auskommen muss. Die Liebe zu den Vierbeinern ließ sie auch die Würzburger Tiertafel ins Leben rufen.
Auf den Hund gekommen war sie schon als Kind, den Journalismus entdeckte sie erst nach dem Studium fürs Lehramt in Englisch und Französisch. Sie volontierte beim Kölner Stadtanzeiger, kam Anfang der Achtziger Jahre nach Würzburg, wo sie als Redakteurin beim Fränkischen Volksblatt arbeitete und 1996 als Gerichtsreporterin zur Main-Post wechselte.
Das Schreiben war Giselas große Leidenschaft. Und nichts wünschte sie sich mehr, als nach längerer Krankheit endlich wieder zu recherchieren, in die Tasten zu hauen, eine "heile Welt" zu texten. Leider ist die Welt nicht immer so heil, wie wir's gerne hätten.