Sommerzeit, Ferienzeit – das ist auch Lesezeit. Wer in Würzburg auf die Suche nach einem guten Buch geht, findet noch zahlreiche Anlaufstellen: Neun inhabergeführte Buchläden ganz individueller Ausprägung und ein großer Filialist sorgen für eine bunte Buchhandelslandschaft. In einer Serie stellen wir sie in den kommenden Wochen vor – Sommerlesetipps inklusive.
Altkanzler Helmut Schmidt hat sie als „geistige Tankstellen der Nation“ bezeichnet, für andere sind Buchläden schlicht lebensnotwendig. Vom französischen Kultautor Philip Djian („Betty Blue“) stammt der Satz: „Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler.“ Buchhandlungen sind, zumindest für Leser, Wohlfühloasen: Selbstvergessen taucht man ein in eine Welt der Fantasie und ist beim Schmökern doch ganz bei sich selbst.
Dass Würzburg für den Buchhandel ein traditionell gutes Pflaster ist, liegt aber sicherlich nicht daran, dass es den Würzburgern auffällig oft schlecht ginge. Einem interessierten Publikum bietet die Stadt ein attraktives Kulturleben mit großer Bandbreite. Und diese Bandbreite spiegelt sich auch im Buchhandel wider: Würzburg hat sich, auch im Vergleich zu vielen anderen Städten, eine vielfältige Buchhandelslandschaft bewahrt.
Anfänge im 18. Jahrhundert
Die Anfänge des Würzburger Buchhandels reichen dabei zurück bis ins 18. Jahrhundert. 1763 wird die Stahel'sche Buchhandlung im Gebäude des heutigen Uni-Cafés in der Neubaustraße gegründet. Aus diesem Haus geht 1803 auch die Würzburger Zeitung hervor, die in der Folge beinahe 100 Jahre regelmäßig erschien. Nach einigen Umzügen schlossen sich die Ladentüren der Stahel'schen erst 1992 am Johanniterplatz für immer.
Einen festen Platz im Würzburger Geschäftsleben hatte bis 1979 auch die Arena-Verlagsbuchhandlung in der Domstraße, bei der viele Würzburger schon kurz nach dem Krieg ihren Lesebedarf deckten. 1949 hatte der damals 21-jährige Würzburger Georg Popp den bis heute existierenden Arena-Verlag für Kinder- und Jugendbücher gegründet. Als er sich 1979 zurückzog, wurde der Buchverlag an die Westermann-Gruppe verkauft. Der Buchladen in der Domstraße – heute WVV-Kundenzentrum – ging 1997 an die Hagener Phönix-Gruppe über und firmierte nach deren Zusammenschluss mit der Hamburger Thalia-Gruppe von 2002 bis zur Schließung Anfang 2009 als „Thalia“-Buchhandlung. Der Buchhandel in Würzburg – ein Kommen, aber auch ein Gehen.
Waren stationäre Buchhandlungen noch bis in die frühen 90er Jahre praktisch konkurrenzlos, drängte im Zuge der digitalen Revolution immer mehr branchenfremde Konkurrenz auf den Buchmarkt. Vor allem der Online-Händler Amazon sorgt seitdem für empfindliche Umsatzeinbußen unter den Buchhändlern und wohl auch für die eine oder andere Geschäftsaufgabe in Würzburg.
Doch allen Unkenrufen zum Trotz gab es auch in dieser Zeit des Umbruchs Neugründungen in Würzburg, die sich mittlerweile erfolgreich etabliert haben. Würzburger Buchhändler haben aus der Not eine Tugend gemacht. Das Angebot in der Stadt ist vielseitiger geworden und die Buchhandlungen haben ihr Profil geschärft. Neben einem allgemeinen Sortiment haben sie viele Nischen herausgearbeitet. Von politisch und gesellschaftlich relevanten Themen über den prachtvollen Kunstband bis hin zu aktueller Reiseliteratur, spannender Krimilektüre oder bibliophilen Schätzen für Liebhaber besonders hochwertig gestalteter Bücher: Ein buntes Spektrum an Interessen und Neigungen findet in Würzburgs Buchhandlungen seinen literarischen Ausdruck.
Gesellschaftliche Akteure
Buchempfehlungen werden hier nicht vom Algorithmus berechnet: Diesen Job übernehmen im kleinen Stadtteilbuchladen genau wie in der großen Filialbuchhandlung noch immer Buchhändler aus Fleisch und Blut. Man kann die Bücher in die Hand nehmen und in ihnen blättern – was nicht vorrätig ist, wird bis zum nächsten Tag bestellt; und auch einen Lieferservice bieten mittlerweile schon viele Buchläden an.
Die Würzburger Buchhandlungen profitieren dabei nicht nur von der kulturellen Vielfalt innerhalb der Stadt, sie sind auch selbst ein Teil davon, blicken über ihren eigenen Tellerrand hinaus und übernehmen ganz nebenbei noch die wichtige Funktion der Kulturvermittlung: Die mittlerweile im Würzburger Kulturkalender etablierte Aktion „Würzburg liest ein Buch“ etwa fußt auf einer Kooperation mehrerer Würzburger Buchhandlungen. Am Beispiel der Erfolgsgeschichte rund um diese Aktion, die regelmäßig Menschen weit über die Stadtgrenzen hinaus dazu animiert, sich auf ganz verschiedenen Ebenen mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinanderzusetzen, lässt sich ablesen, welche soziale Dimension ein solches Non-Profit-Engagement auch annehmen kann.
Eigentlich branchenfremde Online-Händler wie Amazon haben, bislang zumindest, an einem solchen Non-Profit-Engagement noch kein Interesse gezeigt. Umso mehr lohnt es sich, nicht nur Leseratten zum Nachdenken zu animieren, was ein kleiner Klick für eine ganze Stadt bedeuten kann.