Das lang gestreckte, zweigeschossige Universitätsgebäude entstand auf der Höhe der damaligen "Unteren Wallgasse", an der ein Chemisch-Botanischer Hörsaal mit Gärtnerwohnung und Institutsräumen sowie der alte juliusspitälsche Leichenacker lagen. Mit dem Umzug der Anatomen in das neuerbaute Institut in der späteren Koellikerstraße 1883 erhielt das Gebäude den Namen "Medizinisches Kollegienhaus".
Der Bau des Kollegienhauses nach den Plänen des königlichen Kreisbaubeamten Friedrich Reuß in den Jahren 1849 bis 1853 stand unter keinem günstigen Stern: Bereits zum Bezugstermin waren die seinerzeit großzügig geplanten Räumlichkeiten schon wieder zu klein. Auch ein ganzes Flickwerk von Anbauten, das in den folgenden Jahrzehnten an der Nordseite des Hauptflügels angestückelt wurde, sorgte nur zeitweise für Entlastung. Bis zu seinem Abbruch 1996 diente das Gebäude regelrecht als "Verschiebebahnhof" für die rasch expandierenden und sich in kleinere Fachdisziplinen spezialisierenden naturwissenschaftlichen und klinischen Institute. Diese erhielten nach und nach am Röntgenring und später im Luitpoldkrankenhaus beziehungsweise am Hubland eigene Neubauten.
Immerhin war die Unterbringung verschiedener medizinischer Grundlagenfächer wie der Chemie, der Anatomie, Pathologie sowie später der Physiologie, Pharmazie und Hygiene seinerzeit ein überaus fortschrittliches Konzept: Die räumliche Nähe in diesem ersten Würzburger "Biozentrum" förderte den Dialog und die Zusammenarbeit in den Nachbardisziplinen.
Herausragende Wissenschaftler wie der Pathologe Rudolf Virchow, der Anatom Albert von Koelliker und der Chemiker Johann Joseph von Scherer arbeiteten hier Tür an Tür und tauschten ihre Erkenntnisse aus. Es ist sicher kein Zufall, dass die Gründung der keineswegs als "Lokalverein" zu betrachtenden "Physikalisch-medizinischen Gesellschaft", in der Würzburger Mediziner und Naturwissenschaftler wöchentlich zusammenkamen, um über die neuesten Entwicklungen in ihren Fachgebieten zu diskutieren, in die gleiche Zeit fällt.
In den Jahren von 1885 bis 1938 fand auch die Medizinische Poliklinik Asyl im Kollegienhaus. Hier gab es die ersten praktischen Kurse im "Nasen-, Kehlkopf- und Ohrspiegeln", die schon seit 1877 von älteren Klinikassistenten angeboten wurden und zur Keimzelle des Faches Hals-Nasen-Ohrenheilkunde wurden.
1904, nur wenige Jahre nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen im benachbarten Physikalischen Institut, erhielt die Medizinische Poliklinik ihren ersten Röntgenapparat. Mit diesem Gerät gelang dem Privatdozenten und späteren Würzburger Professor für Röntgentechnik, Melchior Faulhaber, erstmals die radiologische Diagnose eines durchgebrochenes Magengeschwürs.
Nach dem Umzug der Poliklinik in die Klinikstraße 1938, waren im Kollegienhaus nur noch theoretische Fächer untergebracht. Beim Bombenangriff 1945 wurde das Gebäude schwer getroffen und nach dem Krieg auf etwa gleichem Grundriss, aber unter Veränderung der Raumeinteilung dreistöckig wiederaufgebaut. Diese, übrigens mit einer Spende der Landeszentralbank verwirklichte Lösung, erwies sich in der Folgezeit als wenig glücklich: Abgesehen von der ästhetisch sehr unschönen "Überzonung" durch das aufgesetzte dritte Geschoss führte die veränderte Zimmeraufteilung zu einer wenig praktischen, verschachtelten Innengliederung.
1955 waren im Mitteltrakt die Institute für Pharmazie, Pharmakologie und Physiologische Chemie untergebracht, während der östliche anschließende, neue Hörsaal die galenische Pharmazie und ein weiterer Anbau die Lebensmittelchemie beherbergten. Ab den 70er Jahren, mit dem sukzessiven Auszug der naturwissenschaftlichen Institute, erhielt auch das Institut für Medizingeschichte immer weitere Räume zugewiesen, bis es fast das gesamte erste Stockwerk belegte.
Zugänglich war der Gebäudekomplex über die damals noch namenlose Privatstraße der Universität zwischen Klinikstraße und Koellikerstraße (heute Rineckerweg), was die merkwürdige Adresse "Koellikerstraße 2" erklärt.
Mit der Verlegung der naturwissenschaftlichen Institute stellte sich die Frage der Nachnutzung des Institutskomplexes. War das Juliusspital 1946 mit seinem Vorhaben, das schwer beschädigte Universitätsgebäude zu erwerben, noch gescheitert, konnte es das Terrain 1992 nach langjährigen Verhandlungen erwerben. Der 1996 erfolgte Abbruch des geschichtsträchtigen Bauwerkes förderte die Reste des ehemaligen Leichenackers zu Tage. Auf dem asphaltierten Areal, das vorübergehend als Parkplatz genutzt wird, soll später eine moderne Zentralküche mit Parkhaus und Weinguts-Erweiterungsbau entstehen.
> Auch der kleine Pavillon in unmittelbarer Nähe des Kollegienhauses, der das Medizinhistorische Institut beherbergte, fiel 1996 der Abrissbirne zum Opfer. Mehr über die Geschichte dieses Häuschens erfahren Sie in der nächsten Folge unserer Serie.