Ein hoher Beamter der Stadtverwaltung ist zuständig für die Finanzen und Liegenschaften Würzburgs. Privat ist Kämmerer Robert Scheller Mitgesellschafter der DGS Projektentwicklung GbR (Düll-Gerhard-Scheller Gesellschaft des bürgerlichen Rechts), die unter anderem in Würzburg Grundstücke kauft und Einzelhandelsmärkte baut.
Bis zur Berichterstattung dieser Redaktion im Sommer des vergangenen Jahres war der Öffentlichkeit nicht bekannt, dass Finanzreferent Scheller sowohl privat als auch dienstlich mit Immobiliengeschäften zu tun hat.
Fall Scheller war rechtlich nicht einfach zu bewerten
"Wenn man das in der Zeitung liest, hat das alles ein Geschmäckle. Da kann man sagen, das wirkt politisch unklug, man hätte es geschickter machen können. Aber wir prüfen, ob es rechtswidrig ist", sagte Julius Reiter, Jurist in der renommierten Düsseldorfer Kanzlei Baum Reiter & Collegen, am Donnerstag im Stadtrat. Zusammen mit Olaf Methner stellte er die wesentlichen Ergebnisse eines Gutachtens vor, das sich mit Einzelfragen zu den privaten Immobiliengeschäften Schellers auseinandersetzt und auf konkrete Fragen der Fraktionen eingeht.
Reiters Fazit zu Schellers Doppeltätigkeit: "Es ist nicht rechtswidrig - und insofern gibt es auch kein persönliches Fehlverhalten." Dabei räumte der Compliance-Experte ein, dass der Fall durchaus rechtlich nicht ganz einfach zu bewerten war. "Ich hätte Ihnen nicht sagen können, wie es ausgeht."
"Wenn man das in der Zeitung liest, hat das alles ein Geschmäckle."
Professor Dr. Julius Reiter
Dass im Fall Scheller die Öffentlichkeit und auch die Presse kritische Fragen gestellt haben, sei durchaus gerechtfertigt gewesen, ergänzte Methner. Eine ehrverletzende Berichterstattung konnten beide Gutachter aber nicht erkennen. "Das muss man in einer solchen Position aushalten", antwortete Reiter auf eine Frage von Christine Bötsch (CSU), ob hier das öffentliche Interesse über den Persönlichkeitsschutz hinausgehe.
War die Nebentätigkeit genehmigungspflichtig?
Auch die Frage, inwieweit Schellers Tätigkeit als Mitgesellschafter der DGS Projektentwicklung GbR genehmigungspflichtig war, untersuchten die Juristen und stellten fest: "Ja, Scheller übte eine Tätigkeit in der GbR aus, aber diese Tätigkeit ist nicht genehmigungspflichtig, weil sie nicht gewerblich war, sondern lediglich der Verwaltung des eigenen Vermögens diente.“ Scheller habe sich auch nicht in die Geschäftsführung der GbR eingebracht. "Es war auch nicht ersichtlich, dass daraus eine Kollision mit den Korruptionspräventions-Vorschriften entstanden wäre."

Matthias Pilz (Bündnis90/Die Grünen) überrascht die Deutlichkeit dieser Aussage. Denn im schriftlichen Gutachten werde darauf verwiesen, dass diese Frage "auf Grundlage der vorliegenden Information nicht abschließend beantwortet werden kann", der bekannte Sachverhalt begründe jedoch eher keine Genehmigungspflicht. "Wenn wir alle Bücher prüfen würden, kämen wir vielleicht zu einem anderen Ergebnis", räumte Methner ein. "Eine glasklare Antwort gibt es nicht."
Einige Stadträte stellen sich hinter ihren Kämmerer
"Dass Scheller auf der einen Seite privat, auf der anderen Seite dienstlich mit Immobiliengeschäften zu tun hat, ist unglücklich", formulierte Matthias Pilz sein Unbehagen. Insofern sei es auch richtig, dass sich Scheller künftig in Würzburg aus den Geschäften der GbR raushalten möchte. Denn "ein Anschein ist da", so Pilz.
Für Oberbürgermeister Christian Schuchardt ist die Aussage der Gutachter zur Nebentätigkeit deutlich. "Ich hätte Schellers Tätigkeit nicht verbieten können, weil sie erlaubt war." Ein Fehlverhalten des Kämmerers erkennt Schuchardt nicht - was viele Stadträtinnen und Stadträte in ihren Redebeiträgen unterstrichen. Ein paar Beispiele:
"Das Gutachten ist sehr klar und lässt keinen Interpretationsbedarf", sagte Aaron Schuster (CSU).
"Jetzt haben wir von einer renommierten Kanzlei die Bestätigung, dass Scheller seine Aufgaben makellos ausführt", meinte Josef Hofmann, Fraktionsvorsitzender der FW-FWG.
"Dieses Gutachten ist ein gutes Gutachten für die Zusammenarbeit mit dem Stadtkämmerer", betonte SPD-Fraktionsvorsitzender Alexander Kolbow.
"Mehr an Transparenz, die der Stadtkämmerer aufgezeigt hat, ist nicht möglich", stellte sich Alt-OB Jürgen Weber (WL) hinter Scheller.
Trotz juristischer Klarheit bleiben bei manchen Stadträten moralische Bedenken
Weber kritisierte, dass trotz Gutachten jetzt manche im Stadtrat noch moralische Fragen aufwerfen. Wie Joachim Spatz (FDP): "Politische Dinge müssten auf der politischen Ebene diskutiert werden - und nicht auf der juristischen", sagte er und mahnte mehr Sensibilität in der Zukunft an. "Wer ein Unbehagen behält, muss auf der organisatorischen Ebene entscheiden, beispielsweise durch den Referatszuschnitt. Um diese Entscheidung kommen wir nicht herum."

Raimund Binder, Fraktionsvorsitzender der ÖDP, stellte viele Fragen an die Gutachter. In einer Pressemitteilung, die er nach der Stadtratssitzung verschickte, erklärt er: "Dem Normalbürger ist nicht zu vermitteln, dass ein hoher Verwaltungsbeamter, Teil einer Immobilien-Gesellschaft und Immobilienreferent der Stadt sein darf. Das ist eine einfache Wahrheit, die sich in unseren Rechtsvorschriften nicht wiederfindet - und der eigentliche Skandal in dieser Sache."

Scheller selbst erklärte, dass das nun vorliegende Gutachten die vorgelegten Fakten bestätigt und den öffentlichen Mutmaßungen ein Ende bereite. "Es konnte geklärt werden, dass der Anschein einer Vorteilsnahme zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt war und vollkommen haltlos ist."
Das Gutachten wird jetzt öffentlich. Dies hat der Stadtrat nichtöffentlich entschieden. Auch möchten die Räte die Compliance-Regeln für Verwaltungsmitarbeiter und ehrenamtliche Stadtratsmitglieder klarer formulieren.