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Würzburg: Zum Fünf-Uhr-Tee bei Elisabeth Dauthendey: Ein bisher unveröffentlichter Text über die Würzburger Schriftstellerin

Würzburg

Zum Fünf-Uhr-Tee bei Elisabeth Dauthendey: Ein bisher unveröffentlichter Text über die Würzburger Schriftstellerin

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    Die Schriftstellerin Elisabeth Dauthendey (1854-1943).
    Die Schriftstellerin Elisabeth Dauthendey (1854-1943). Foto: Quelle: Stadtarchiv Würzburg

    Der Würzburger Dichter Adalbert Jakob (1892-1970) ist heute weitgehend vergessen. Im Hauptberuf Schreiner, schrieb er zeitlebens Gedichte und begeisterte sich schon früh für das Werk des Würzburger Dichters Max Dauthendey (1867-1918). 1934 war er Mitbegründer der Max-Dauthendey-Gesellschaft, von 1951 bis zum Tod 1970 auch ihr Vorsitzender. Den verehrten Dichter hat Adalbert Jakob nie persönlich kennengelernt, wohl aber dessen Halbschwester Elisabeth Dauthendey. Die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin (1854-1943) steht in diesem Jahr im Fokus der Veranstaltungsreihe "Würzburg liest ein Buch".

    Ab 1940 war Jakob mehrfach zum Tee bei der bereits hochbetagten Elisabeth Dauthendey eingeladen. Seine bisher unveröffentlichten Aufzeichnungen davon, die im Stadtarchiv Würzburg aufbewahrt sind und nachfolgend leicht gekürzt wiedergegeben werden, vermitteln einen Eindruck von ihrer Persönlichkeit.

    Die Aufzeichnung Adalbert Jakobs

    "Zu den vielen bedeutenden Menschen, die mir in meinem Leben begegneten und die ich zum großen Teil im Laufe der Zeit zu meinen persönlichen Freunden rechnen durfte, gehörte auch die Schriftstellerin Elisabeth Dauthendey, die (...) Stiefschwester Max Dauthendeys. Ich lernte Elisabeth Dauthendey im Jahre 1940 kennen, als ihre getreue Freundin und Fürsorgerin, die Lehrerin Auguste Heider (...) zu mir in die Wohnung kam, um mich im Auftrage von Elisabeth zum 5-Uhr-Tee einzuladen. Gerne sagte ich dieser freundlichen Einladung zu, denn es war für mich eine große Ehre, diese bedeutende Frau, die sich durch ihre Romane und Erzählungen einen weltweiten Namen gemacht hatte, persönlich kennenzulernen. Sie war ohne Zweifel ein bedeutender Mensch, vielleicht die geistreichste, begabteste Frau ihrer Zeit in Würzburg.

    Ich ließ mich in einem der roten Plüschsessel, die noch, wie die gesamte Einrichtung, aus der Zeit der Eltern stammte, nieder. Auf dem großen, runden Nußbaumtisch stand ein Samowar, in dem schon das Wasser für die Teezubereitung brodelte. Vier Tortenstückchen auf einer Platte und ein kleines Messing-Badewännchen, in dem einige Zigaretten lagen, zierten den festlich gedeckten Tisch.

    Die vier Schwestern Dauthendey, links hockend Elisabeth mit Buch in der Hand.  Aufnahme von Carl Albert Dauthendey um 1875.
    Die vier Schwestern Dauthendey, links hockend Elisabeth mit Buch in der Hand. Aufnahme von Carl Albert Dauthendey um 1875. Foto: Carl Albert Dauthendey/Sammlung E. Leuschner

    Auf einmal ging die Türe auf und Elisabeth Dauthendey stand vor mir, im Zimmer. Ich war schnell aufgestanden um ihr die Hand zu geben, die sie mit herzlichen Begrüßungsworten kräftig schüttelte. Wir hatten uns vorher noch nie gesehen. Sie kannte mich durch meine verschiedenen Veröffentlichungen in den Zeitungen. Ich kannte sie aus dem biographischen Werk Dauthendeys und hauptsächlich durch ihre eigenen Werke, besonders durch den damals bekanntesten Roman 'Vivos voco'. Es war ein Ehrfurcht gebietender Augenblick, diese Begrüßung! Eine Dame, 84 Jahre alt (Hinweis der Redaktion: tatsächlich war sie 1940 bereits 86 Jahre), rüstig und behende wie eine gesunde 50erin, jedes Wort ein geistvoller Ausspruch! So etwas habe ich noch nicht erlebt! – Während sie den Tee zubereitete und in die Tassen goss, kam schon ein fließendes Gespräch zustande, als ob, weiß Gott, wie lange wir uns schon kannten!

    Elisabeth Dauthendey war bekanntlich eine Halbjüdin. Sie litt sehr unter der Angst, dass sie nicht doch eines Tages von der Gestapo abgeholt wurde. Aber man hat sie bis zu ihrem Lebensende in Ruhe gelassen, denn was wollte man mit einer Frau in einem so hohen Alter noch anfangen? Nur zwei Herren hat sie in den letzten Jahren noch zu ihren Teestunden eingeladen, der eine davon war der bekannte Dichter Oskar Kloeffel, der an den Dienstagen kam, der andere Gast war ich.

    "Es waren gewiss die feierlichsten Stunden meines Lebens, wenn ich so mit ihr am Tische saß."

    Adalbert Jakob über seinen Besuch bei Elisabeth Dauthendey

    Ein gutes Stündchen saßen wir so beisammen beim Tee, den sie so fein und ganz nach russischer Art zuzubereiten wusste. Wir aßen die Tortenstückchen auf, die auf dem Tablett lagen und dann musste ich eine Zigarette rauchen, der Geruch der Zigarette war ihr insoferne ein besonderer Genuss, weil sie damit den Geist ihres Vaters heraufbeschwor, für den sie und ihre drei Schwestern täglich 30 bis 35 Stück, von einem Tabak, den er sich direkt aus der Türkei kommen ließ und die er alle der Reihe nach an einem Tage rauchte, drehen musste. (...) ,Nun, Herr Jakob', sagte sie dann immer, ,machen Sie mir nun etwas blauen Dunst vor! Mein Vater ist dann immer ganz in meiner Nähe!'

    Ich erfüllte ihr den Wunsch gerne, trotzdem ich sonst keine Zigarette anrührte. Es waren gewiss die feierlichsten Stunden meines Lebens, wenn ich so mit ihr am Tische saß. Nachdem wir uns noch einige Zeit mit unseren geistigen Schöpfungen beschäftigt haben, sie las mir aus ihren Werken vor und ich sprach von meinen neuen Dichtungen, mahnte die Zeit zum Aufbruch.

    Einband und Titelblatt des Buches "Vom neuen Weibe und seiner Liebe" von Elisabeth Dauthendey, hier in der dritten Auflage von 1908.
    Einband und Titelblatt des Buches "Vom neuen Weibe und seiner Liebe" von Elisabeth Dauthendey, hier in der dritten Auflage von 1908. Foto: Torsten Schleicher

    Eines Tages kam die getreue Seele ihres einsamen Lebens, Fräulein Heider, zu mir in die Wohnung und meldete mir ihren plötzlichen Tod (es war am 18. April 1943). Ein Herzschlag hatte ihrem schöpferisch reichen Leben ein Ende gesetzt. (…) Nicht viele Menschen begleiteten sie auf ihrem letzten Weg zur Gruft ihrer Eltern auf dem Würzburger Friedhof. Sechs Frauen und ich, als einziger männlicher Begleiter, warfen ihr die letzten Blumen auf den Sarg.

    Der große Bekanntenkreis, der sie einst in der Glanzzeit ihres Lebens umschwärmte, war in alle Winde zerstoben. Viele fürchteten sich vielleicht, bei ihr am offenen Grabe zu stehen, denn sie war ja eine Halbjüdin, und es war gefährlich, zu dieser Zeit mit solchen Menschen Freundschaft zu haben."

    Elisabeth Dauthendey und "Würzburg liest ein Buch"Der Schriftstellerin Elisabeth Dauthendey steht im Mittelpunkt der Aktion "Würzburg liest ein Buch 2023". Zentraler Aktionszeitraum ist von Freitag, 16. Juni, bis Sonntag, 25. Juni 2023, doch auch davor und danach werden Veranstaltungen in Würzburg und der Region zu Elisabeth Dauthendey stattfinden. Zur Aktion ist bereits ein Begleitband erschienen: "Elisabeth Dauthendey: Das Weib denkt. Essays, Novellen, Gedichte und Märchen einer frühen Frauenrechtlerin" (Verlag Königshausen & Neumann, 16 Euro).Alle Infos zur Aktion und Veranstaltungstermine unter www.wuerzburg-liest.de.Quelle: tsc

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