Er weiß, wo die Sportplätze der Region liegen, wo die Bratwurst am besten schmeckt und die Schirikabine am kleinsten ist. Er kennt Vorstände und Abteilungsleiter, hat Vereine aufsteigen und abstürzen sehen. Jetzt haben ihm seine Aufzeichnungen verraten, dass er beim Kreispokalspiel in Wollbach seinen 1300. Einsatz für den Amateursport absolviert hat. Helmut Bickert rechnet nach, dass er durchschnittlich nur an zehn Wochenenden im Jahr seine Fußballstiefel nicht geschnürt und die Pfeife nicht angetastet hat. „Und wenn noch so viel gemeckert wird, es geht halt nicht ohne Schiedsrichter“, sagt Bickert.
Die Gelassenheit, die der 61-Jährige heute auf dem Sportplatz und im Leben ausstrahlt, ist ihm nicht in die Wiege gelegt worden. „Die Schiritätigkeit hat mich geprägt“, verrät er.
Aus dem etwas schüchternen Jungen, der mit neun Jahren bei den C-Junioren in Obersinn das Fußballspielen begann, ist später in Reiterswiesen ein kampfstarker Mittelfeldspieler geworden, der mit dem TSV zeitweise in der Bezirksliga kickte. Zehn Jahre lang trug er das rot-weiße TSV-Trikot, trainierte acht Jahre die C-Jugend. Dann legte er sich eine Pfeife zu – und die Prüfung zum Schiedsrichter ab.
„Über 30 Jahre ist das schon her“, sagt Bickert und stellt bedauernd fest, dass von den 18 damaligen Absolventen keiner mehr pfeift. „Mir macht die Pfeiferei aber noch immer Spaß“, beschreibt er sein andauerndes Engagement.
Legendäres Pokalspiel
Früh legte er die Qualifikation für die Kreisliga ab. Insgesamt 15 Jahre hat er auch in der Bezirksklasse gepfiffen oder als „Assi“ an den Seitenlinien gewunken. Von Hünfeld bis Coburg, von Kahl bis Geiselwind ist man da unterwegs. Trotz des Aufwands hat es immer Spaß gemacht, gelernt hat er aus jedem Spiel: „Man wird routinierter, ruhiger, überhört manches, legt nicht alles auf die Goldwaage. Es ist auch eine Schule fürs Leben, die Erfahrung kann man auch im Alltag gebrauchen“, stellt der Schiri aus Leidenschaft fest. Krankheitsbedingt musste der „Bickerts Helmut“, wie er in Schiedsrichterkreisen genannt wird, seit einigen Jahren doch deutlich kürzer treten, pfeift nicht mehr so viel, fährt nicht mehr so weit. Sein Einsatz ist aber bis heute gefragt, in der Regelkunde macht ihm so leicht keiner was vor.
Er weiß viel zu erzählen von den Sportplätzen zwischen Saale und Sinn, Lauer und Streu, erinnert sich an Gänsehautmomente im Vorspiel vor 30 000 Zuschauern in Nürnberg beim legendären DFB-Pokalspiel zwischen der DJK Waldberg und dem FC Bayern München. Oder an bittere Momente wie in Karsbach, als ein Hubschrauber auf dem Platz landen und einen Spieler mit offenem Beinbruch vom Platz fliegen musste. Das Spiel hat er im Übrigen nach der Unterbrechung ohne Probleme fortgesetzt. Auf die extra Belobigung von der Schiedsrichtergruppe Bad Kissingen ist er noch heute stolz. Er stellt fest, dass sich der Amateurfußball verändert hat – und vermisst die heißblütigen Derbys der Nachbarorte ein wenig. „Das ist den vielen Zusammenschlüssen der Vereine geschuldet“, sagt er.
Seit er pfeift, hat sein Heimatverein Reiterswiesen immer einen Schiedsrichter stellen können, das hat dem Verein viel Geld gespart. „Der TSV ist meine Fußballheimat, hier fühle ich mich anerkannt und aufgehoben“, sagt Bickert. „Nur schade, dass es am Fuß der Burg so wenige Anhänger meines Lieblingsvereins gibt“, ergänzt er lachend. „Ich habe es nicht so mit den Roten oder den Gelb-Schwarzen“.
Er hat die „Blauen mit der Raute“ aus dem hohen Norden in sein Herz geschlossen, ist bekennender HSV-Fan. Auch da steht er gern im Gegenwind, aber das meistert er so souverän wie seine Spiele. „Ich möchte schon noch eine Weile aktiv sein“, hofft der dreifache Großvater. Seinen nächsten Einsatz weiß er schon. Am Sonntag pfeift er in Wülfershausen. Wie seit Jahren wird ihn auch dahin seine Frau Marci begleiten. „Für uns ist das immer wie ein kleiner Ausflug“, verrät sie.